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Rechte Szene I
Hannibals Kumpel
bei der Kripo
Der Mitbegründer des
umstrittenen Vereins Uniter,
Ringo M., arbeitet seit Kur-
zem für die baden-württem-
bergische Kriminalpolizei.
Das bestätigt das Stuttgarter
Innenministerium auf Anfra-
ge. Von 2015 bis 2019 war M.
für das Landesamt für Verfas-
sungsschutz tätig. Wegen sei-
nes Engagements bei Uniter –
M. war zeitweise Vorsitzen-
der des Vereins – wurde der
Beamte im vergangenen Früh-
jahr vorübergehend in eine
andere Behörde versetzt. Uni-
ter, ein Zusammenschluss aus
Soldaten und Polizisten, steht
seit 2017 im Verdacht, Verbin-
dungen zur rechten Szene zu
haben. Das Bundesamt für
Verfassungsschutz erklärte
den Verein jüngst zum soge-
nannten Prüffall. Zu den
Gründungsmitgliedern zählte
neben Ringo M. auch André
S., der unter dem Deckna-
men »Hannibal« ein hoch-
konspiratives rechtes Netz-
werk aufgebaut haben soll.
Dessen Angehörige sollen
sich auf einen »Tag X« vorbe-
reitet und dafür teils auch
Waffen gehortet haben. Ringo
M. ist eigenen Angaben zufol-
ge seit Frühjahr 2019 nicht
mehr Mitglied bei Uniter. Das
Stuttgarter Innenministerium
teilt mit, bei Sicherheitsüber-
prüfungen habe es »keine
Hinweise auf eine extremisti-
sche Gesinnung des Mitarbei-
ters gegeben«. BHR, JDL
Rechte Szene II
Karton vergessen
Bei der groß angelegten
Razzia am Dienstag gegen
mutmaßliche Rechtsextremis-
ten in Schleswig-Holstein,
Niedersachsen und Branden-
burg unterlief der Polizei
offenbar eine peinliche Panne.
Die Aktion richtete sich
gegen mutmaßliche Mitglie-
der des »Aryan Circle Germa-
ny«. Bei einem Verdächtigen
in Göttingen konfiszierten
Beamte der Bereitschaftspoli-
zei unter der Leitung eines
örtlichen Ermittlers Handy,
Datenträger und diverse
andere Beweismittel und
packten sie sorgfältig in einen
Karton. Zurück auf dem
Revier stellten die Göttinger
Polizisten allerdings fest,
dass sie den Karton mit den
Beweismitteln vor der Woh-
nung des Verdächtigen ver -
gessen hatten. Als Ermittler
zum Durchsuchungsobjekt
zurückkehrten, war der Kar-
ton verschwunden. Nur das
Mobiltelefon konnten sie bei
dem Göttinger Verdächtigen
noch sicherstellen. GUD
Alexander Neubacher Die Gegendarstellung
Linke unter sich
Linkenchef Bernd Riexinger hat Ärger wegen der
Strategiekonferenz seiner Partei am vergangenen
Wochenende. Es geht um die Wortmeldung einer
Berliner Genossin zum Thema Energiepolitik; sie
hatte gesagt: »Energiewende ist auch nötig nach
einer Revolution. Und auch wenn wir das eine Pro-
zent der Reichen erschossen haben, ist es immer noch
so, dass wir heizen wollen, wir wollen uns fortbewegen.«
Worauf Riexinger antwortete: »Wir erschießen sie nicht; wir
setzen sie schon für nützliche Arbeit ein.«
Unbedachterweise haben die Linken ein Video des Auftritts
veröffentlicht, das nun für Furore sorgt. Politiker von Union
und FDP sind empört, CSU-Generalsekretär Markus Blume
fordert Riexingers Rücktritt. Auch aus den eigenen Reihen
kommt Kritik. Riexinger bedauerte nachträglich.
Nun muss ich gestehen, dass ich die Aufregung zunächst über-
trieben fand. »Reiche erschießen«? Für »nützliche Arbeit« ein-
setzen? Ich bin kein Fan der Partei Die Linke, aber hier schien
es sich doch wohl eher um einen Insider-Gag zu handeln. Klei-
ner Bonzenwitz unter Genossen. Wie Parteifreunde halt reden,
wenn sie unter sich sind. Jedenfalls nicht wirklich ernst gemeint.
Inzwischen bin ich mir nicht mehr so sicher. Das liegt zum
einen daran, dass ein weiteres Video aufgetaucht ist, in dem
ein Möchtegernstratege vorschlägt, den Abgeordnetenbetrieb
zu schwächen, durch »Staatsknete abgreifen, Informationen
aus dem Staatsapparat abgreifen, den außerparlamentarischen
Bewegungen zuspielen«. Und zum anderen liegt es an einem
Reader mit Beiträgen zur Strategiekonferenz, den die Linke
auf ihrer Homepage veröffentlicht hat. Er hat mehr als 550 Sei-
ten und ermöglicht einen ungefilterten Blick in die Gedanken-
welt jener Menschen, die Bundesge-
schäftsführer Jörg Schindler im Vorwort
als die »vielen klugen Köpfe« seiner Par-
tei bezeichnet. Hier einige Auszüge:
»Der Großkapitalist hat keine geson-
derten Ansprüche anzumelden, sondern
sich dem Gemeinwohl unterzuordnen.«
»Die Gefahren sind nur zu beseitigen,
indem man die Macht der obszön Rei-
chen völlig beseitigt.«
»Nicht von ihren Köpfen sollen sie getrennt werden, sondern
von der Finanz- und Großindustrie, von Energie, Verkehr, Bil-
dung, Krankenpflege, die von jenen geleitet werden müssen,
welche die Arbeit mit Kopf und Hand leisten.«
Gleich mehrere Autoren lassen auch die DDR hochleben
(»Der Osten war der bessere Teil«) und schlagen vor, sich nicht
länger »der bundesdeutschen Geschichtsschreibung zu beu-
gen«, etwa beim Thema Mauerbau. Andere fordern ein Ende
des »antirussischen propagandistischen Trommelfeuers« sowie
der »Verteufelung von China, Kuba, Venezuela«. Lieber solle
man den Staat Israel boykottieren. Und dann gibt es jene, die
von einer »Verklärung der bürgerlichen Demokratie« warnen,
Parole: »Zurück zu Marx und Lenin!«
Der Sammelband ist eine erhellende Lektüre für alle, die
glauben, die SED-Nachfolgepartei sei auf dem Weg zu einer
normalen, demokratischen Kraft. Das mag für Bodo Ramelow
gelten. Teile der Basis jedoch sind eher ein Fall für den Ver -
fassungsschutz.
An dieser Stelle schreiben Alexander Neubacher und Markus Feldenkirchen
im Wechsel.
Nachgezählt
Nennung der Herkunft
von Tatverdächtigen in der
Fernsehberichterstattung*
- Fernsehnachrichten und Boulevardmagazine von ARD, ZDF, RTL, Sat.1, ProSieben,
Kabel eins, Vox und RTL2; Auswertung: Medienanalyse Hestermann, Hochschule
Macromedia, Zeitraum: jeweils vier Wochen von Januar bis April
1 Prozent
der TV-Beiträge nannte
die deutsche Herkunft
Tatverdächtiger.
2019: 3 Prozent.
2014:
4%
der TV-Beiträge über
Gewaltkriminalität
in Deutschland berichteten
über die ausländische
Herkunft der Tatverdächtigen.
2019:
28 %
China, Kuba,
Venezuela wür-
den verteufelt.
Lieber solle
man Israel
boykottieren.