Der Spiegel - 07.03.2020

(Ben Green) #1

(^201520172019) *Schätzung



  • 0,6


3,8

6,0*

18 ,0
75,4

38,3


39,0



  • 1,3 119,2


12 ,7

14,0

9,2


  • 0,8


Gebremste Gewinne
Konzerngewinn/-verlust
in Mrd. Euro

Tesla

VW

BMW

Daimler

Börsenwert
in Mrd. Euro
Stand: 5. März

ALEX KRAUS / BLOOMBERG / GETTY IMAGES
Mercedes-Elektroauto EQC
»Smartphone auf Rädern ist unser Leitbild«

dort Geld aus, wo wir uns wirklich Erlöse
erhoffen. Auch beim Personal wollen wir
1,4 Milliarden Euro bis 2022 sparen.
SPIEGEL: Sie haben bisher nie gesagt, wie
viele Mitarbeiter gehen müssen. Wollen
Sie einem Streit mit dem Betriebsrat aus-
weichen, oder wissen Sie tatsächlich nicht,
ob 15 000, 20 000 oder 30 000 Jobs abge-
baut werden?
Källenius: Es geht um einige Tausend Stel-
len, so viel ist klar. Aber wir sehen keinen
Mehrwert darin, öffentlich ins Detail zu
gehen. Intern haben wir das alles transpa-
rent gemacht. Mit dem Betriebsrat haben
wir vereinbart, dass wir die angepeilte
Zahl über Fluktuation, Vorruhestand, Al-
tersteilzeit, Arbeitszeitmodelle und Aus-
scheidevereinbarungen erreichen.
SPIEGEL:Aktuell beschäftigt Daimler welt-
weit knapp 300 000 Mitarbeiter. Wie viele
werden es in fünf Jahren sein?
Källenius:Das hängt vom Wachstum ab.
Wir gehen sicher nicht mit dem Rasenmä-
her ran. Es gibt Bereiche, wo wir personell
deutlich wachsen werden. Bei den Soft-
ware-Ingenieuren beispielsweise.
SPIEGEL:Werden es in Summe mehr oder
weniger Arbeitsplätze sein?
Källenius: Eher weniger.
SPIEGEL: Laut Betriebsratschef Michael
Brecht herrscht in der Belegschaft eine
»Stimmung zwischen Wut und Enttäu-
schung«. Wie soll da der Wandel gelingen?
Källenius: Wir haben der Belegschaft die
Gewinnbeteiligung gekürzt und den Füh-
rungskräften die variable Vergütung. Ich
kann verstehen, dass wir damit keine Eu-
phorie ausgelöst haben. Aber vom Band-
arbeiter bis in die Führungsspitze sind wir
uns einig, dass Daimler seine Performance
verbessern muss. Gleichzeitig diskutieren
wir sehr konstruktiv mit dem Betriebsrat,
wie sich Daimler fit für die Zukunft macht.
Bis 2039 wollen wir komplett CO²-neutral
sein. Für dieses Ziel haben wir die volle
Unterstützung der Belegschaft.
SPIEGEL:Ihre Sparpläne werden womög-
lich nicht ausreichen, wenn sich das Coro-
navirus weiter ausbreitet. In China, wo
Daimler eine Menge Geld verdient hat,
wird kaum noch ein Auto verkauft.
Källenius: Oberste Priorität ist, unsere
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schüt-
zen. In unserem Werk in Peking haben wir
am 10. Februar, eine Woche später als ge-
plant, unsere Produktion wieder gestartet,
zunächst im Einschichtbetrieb. Wir fahren
sie nun graduell hoch. Wie groß am Ende
die Auswirkungen sein werden, können
wir heute nicht absehen, aber klar ist: So-
wohl die Produktion als auch der Verkauf
werden beeinträchtigt sein.
SPIEGEL:Weltweit schicken Firmen ihre
Mitarbeiter gerade ins Homeoffice, wenn
auch nur der Verdacht eines Coronafalls
besteht. Was machen Sie, wenn ein Kolle-
ge am Band sich infiziert?


Källenius: Darüber mag ich nicht speku-
lieren, wir müssen von Tag zu Tag sehen.
SPIEGEL:Wird sich die Coronakrise lang-
fristig darauf auswirken, wie globale Kon-
zerne produzieren und ihre Lieferketten
organisieren?
Källenius: Solche Ereignisse machen im-
mer wieder klar, wie anfällig globale Lie-
ferketten sind. Aber eine Welt ohne glo-
bale Arbeitsteilung wäre eine weniger er-
folgreiche. Und es wäre der falsche Weg,
wenn künftig jedes Land für sich wirtschaf-
tet. Wir müssen uns klarmachen, was zu
dem Wachstum der vergangenen Jahr-
zehnte geführt hat. Das sollten wir vertei-
digen und gleichzeitig prüfen, wo es
Schwachstellen gibt, wo man mehr Sicher-
heit in der Lieferkette schaffen kann.
SPIEGEL:Hat die Krise nicht bewiesen,
dass die ökonomische Abhängigkeit der
westlichen Welt von China ein Problem ist?
Källenius: In den vergangenen zehn
Jahren war China der Wachstumstreiber
schlechthin. Der Marktzugang westlicher

Unternehmen dort hat hier, in Deutsch-
land, Arbeitsplätze geschaffen und unsere
Zukunft mitgesichert. China ist eben der
größte Markt der Welt. Und ich glaube, in
den nächsten zehn Jahren wird der Ab-
stand noch größer werden. Zudem wird Chi -
na zum Leitmarkt für Elektromobilität.
SPIEGEL: Ihre Wettbewerber scheinen noch
nicht ganz einig, wie genau die Zukunft der
Mobilität aussehen soll. VW setzt alles auf
Elektroantriebe, BMW dagegen preist die
Technologieoffenheit auch für Verbrenner
und Wasserstoff. Wo steht da Daimler?
Källenius: Wir befürworten ebenfalls
Technologieoffenheit, doch bei Pkw set-
zen wir in den nächsten fünf bis zehn Jah-
ren klar auf Elektromobilität. Die Klein-
wagenmarke Smart haben wir schon kom-
plett auf elektrisch umgestellt. Und auch
unsere Nutzfahrzeuge, von den Vans bis
zum großen Lkw, werden elektrifiziert.
Den Verteilerverkehr in den Städten kann
man gut damit abdecken. Für die Lang-
strecke und für Reisebusse wird die Brenn-
stoffzelle interessant.
SPIEGEL: Bei E-Mobilität gilt Tesla als
Maß der Dinge. Vor zwei Jahren noch bei-
nahe pleite, ist der E-Auto-Pionier an der
Börse mittlerweile dreimal so viel wert wie
Daimler. Hat Sie das überrascht?
Källenius: Das Auf und Ab an den Börsen
ist für unsere Strategie nur bedingt rele-
vant. Aber wir sollten uns von Teslas Er-
folg inspirieren lassen. Offensichtlich sieht
der Finanzmarkt große Potenziale für elek-
trisch betriebene und digital vernetzte Au-
tos. Auch wir investieren deshalb hohe
Summen.
SPIEGEL: Tesla hat diese Potenziale offen-
bar früher erkannt als Sie.
Källenius: Wenn ein neuer Player in einen
Markt kommt, kann er sich von Beginn
an voll auf die neue Technologie konzen-
trieren. Traditionskonzerne wie wir müs-
sen dagegen ihr Stammgeschäft erst in die-
se Richtung entwickeln. Wir haben die
Trends erkannt, jetzt setzen wir sie um.
Wir arbeiten an der Symbiose von Hard-
ware und Software, das »Smartphone auf
Rädern« ist unser Leitbild.
SPIEGEL: Aber Sie fahren hinterher. Tesla
hat im vergangenen Jahr fast 370 000 rei-
ne Elektroautos verkauft, Daimler gerade
mal ein paar Tausend. Können Sie den ge-
waltigen Rückstand überhaupt aufholen?
Källenius: Wir fahren die E-Auto-Produk-
tion steil nach oben. Die Zahl unserer E-
Autos werden wir in diesem Jahr auf einige
Zehntausend und dann sehr schnell auf
Hunderttausende steigern. Voriges Jahr
haben Elektro- und Hybridfahrzeuge welt-
weit zwei Prozent unseres Absatzes aus-
gemacht. Dieses Jahr wollen wir den An-
teil vervierfachen und 2021 noch einmal
verdoppeln.
SPIEGEL: Trotzdem sind Sie mit Ihrer Mer-
cedes-Flotte weit davon entfernt, die CO²-

DER SPIEGEL Nr. 11 / 7. 3. 2020 65
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