Mönchengladbach–An diesem Wochen-
ende soll die Bundesliga noch ihren geord-
neten Spielbetrieb aufrechterhalten, Geis-
terspiele allerorten sind angesetzt, obwohl
die erste Auflage dieses Notprogramms,
die am Mittwochabend in Mönchenglad-
bach stattfand, alles andere als eine Werbe-
veranstaltung war. „Bundesliga ohne Fans
macht keinen Spaß“, befand Horst Heldt,
nachdem der 1. FC Köln das Nachholspiel
in Mönchengladbach im quasi menschen-
leeren Borussia-Park 1:2 verloren hatte.
Doch es geht jetzt längst nicht mehr um Be-
findlichkeiten. Die Nachrichten in der Coro-
na-Krise beschleunigen sich in einer Wei-
se, dass der gesamte Ablauf im durchkalku-
lierten, durchterminierten und globalisier-
ten Profifußball in Frage steht.
Am Donnerstagnachmittag bestätigte
Hannover 96, dass es nach Timo Hübers ei-
nen zweiten Corona-Fall im Team gebe,
der Verteidiger Jannes Horn wurde positiv
getestet. Wie der Zweitligist mitteilte, be-
findet sich nun der gesamte Kader für
14Tage in Quarantäne, man werde die Ab-
setzung der nächsten beiden Ligaspiele be-
antragen. Weitere Fälle könnten folgen
und den Spielplan durcheinanderwirbeln.
Der am Donnerstag erschienene Gastbei-
trag, den DFB-Generalsekretär Friedrich
Curtius für die Fachzeitungkickergeschrie-
ben hatte, bekam somit prophetische Wir-
kung: „Wir müssen uns mit allen Szenari-
en beschäftigen, um vorbereitet zu sein,
wenn der Fall eintreten sollte, dass der
Spielbetrieb unterbrochen oder die Saison
sogar vorzeitig beendet werden müsste.“
Ziel bleibe es, die Saison regulär zu Ende zu
spielen. „Das entscheidende Wort aber ha-
ben die Gesundheitsbehörden.“ Deren Vor-
gaben können dafür sorgen, dass der Fuß-
ball in Deutschland über Wochen oder Mo-
nate stillstehen muss.
Am Mittwochabend aber wurde erst ein-
mal die Behelfslösung in Szene gesetzt,
und der Mann, der im Borussia-Park den
Ansagedienst versieht, ging auch diesmal
in gewohnter Art seiner Tätigkeit nach. Er
las den Spielern die Aufstellungen vor, sag-
te ordnungsgemäß die Hymne an („die See-
le brennt im Borussia-Park“), drückte die
üblichen Knöpfe für die üblichen Soundsi-
gnale und verkündete den neuen Spiel-
stand, wenn beizeiten ein Tor gefallen war,
was an diesem sonderbaren Abend drei-
mal vorkam: 1:0 Embolo (32.), 2:0 Eigentor
Meré (70.), 2:1 Uth (80.). Einzig bei der Ansa-
ge der Besucherzahl wich der Moderator
vom Protokoll ab: Firma X „präsentiert die
Zuschauerzahl: Heute gibt es keine.“
Diese trockene Botschaft hinterließ eine
Menge Raum für Notizen: Man konnte sie
als lakonischen Kommentar auf die Leere
verstehen, die diesem Fußballspiel inne-
wohnte, als Formulierung eines philosophi-
schen Mysteriums – oder als den einzig
möglichen Versuch, durch das stoische
Festhalten am Gewohnten die Essenz des
Anlasses zu wahren. Profisport bleibt Profi-
sport bleibt Profisport, so haben es am En-
de alle Beteiligten sehen wollen, die sich in
dem von Amts wegen leeren Stadion zum
rheinischen Derby getroffen hatten. „Ir-
gendwann ist es dann einfach ein Fußball-
spiel“, stellte der Borusse Christoph Kra-
mer fest. Borussia Mönchengladbach steht
nach dem 2:1 in der nun wieder geradege-
rückten Tabelle auf Platz vier. Die Sinnfra-
ge, die diese Premiere aufgeworfen hatte,
war damit allerdings nicht beantwortet.
Einerseits war es, wie Borussia-Mana-
ger Max Eberl sagte, „ein historischer Mo-
ment – wir durften, mussten, konnten das
erste Geisterspiel der Geschichte bestrei-
ten“. Andererseits mochte er darauf nicht
stolz sein. Die Hausherren freuten sich
über den Sieg und feierten ihn mit den
Fans, die sich draußen vor den Toren im Re-
gen versammelt hatten, und die Kölner är-
gerten sich, dass ihnen trotz guter Chan-
cen nicht noch der Ausgleich geglückt war.
Doch hinter all dem Alltagsgebaren stand
die Beklemmung, dass man soeben in ei-
nen Abgrund geblickt hatte. Wie er die un-
heimliche Stille im Betonrund empfunden
habe, wurde Jonas Hector gefragt: „Ist ein-
fach scheiße“, sagte der Nationalspieler.
Noch prägnanter beschrieb das Unbeha-
gen keiner der Künstler, sondern der soge-
nannte 23. Mann. Schiedsrichter Deniz Ay-
tekin empfängt im Stadion seltener Beifall
als Beschimpfungen, aber nun vermisste
er die „Fußball-Mafia“ Rufe aus der Kurve
sehnsüchtig. „Irgendwie beängstigend“,
fand er das Geschehen – „ohne Fans ist das
nicht mal halb so viel wert.“
Dieses war die eine elementare Lehre
des Abends: „Jetzt wissen wir noch mehr,
wie wichtig Fans für unseren Sport sind“,
wie Borussia-Trainer Marco Rose feststell-
te. Die andere Erkenntnis reicht jedoch
sehr viel weiter: Das Schauspiel am Nieder-
rhein hat klargemacht, dass Geisterspiele
nicht die Lösung sein können, um zu ret-
ten, was zu retten ist. Es sei jetzt die Zeit,
dass Fifa und Uefa „aus der Deckung“ kä-
men, forderte der Kölner Manager Horst
Heldt. Er zielte damit nicht nur auf die bei-
den Länderspieltermine in zwei Wochen,
die er wegen der internationalen Reise-
pflichten der Profis zum „Oberwitz
schlechthin“ erklärte.
Heldt meinte auch die Europameister-
schaft im Sommer: Deren Verlegung kön-
ne für die nationalen Ligen die Rettung be-
deuten. Dieser Gedanke, mit dem sich au-
ßer Heldt auch andere Verantwortliche der
Bundesligavereine längst beschäftigen,
dürfte ein gewichtiges Thema darstellen
bei der außerordentlichen Vollversamm-
lung der Profiklubs, die am Montag am
Sitz der DFL in Frankfurt stattfinden wird.
Die Krisenlage im Profifußball ändert
sich derzeit beinahe stündlich. Was am
Mittwochabend noch folkloristisch wirkte,
das Ausharren der Mönchengladbacher
Hardcore-Fans hinter ihrer Kurve, das soll
sich am Wochenende keineswegs wieder-
holen. Borussia Dortmund forderte seine
Anhänger vor dem Revierderby am Sams-
tag gegen Schalke 04 auf, auch die Umge-
bung des Stadions auf jeden Fall zu mei-
den. „Seht bitte davon ab, das Spiel in un-
mittelbarer Nähe des Signal-Iduna-Parks
zu verfolgen“, teilte der BVB in einer „drin-
genden Bitte“ mit. Die Gesundheit stehe
eindeutig im Vordergrund. Andere Verei-
ne, etwa die TSG Hoffenheim, richteten
ähnliche Appelle an ihre Anhänger.
Die Botschaft ist in der Branche ange-
kommen, so scheint es. Der Fußball müsse
sich „solidarisch“ verhalten, hatte Borus-
sia-Trainer Rose am Mittwoch gesagt: „Im
Sinne der Gesundheit jener Personen, für
die es schwierig werden könnte“, wenn
sich das Virus immer weiter und immer
schneller ausbreite. philipp selldorf
Bellinzona–Der Sommermärchen-Pro-
zes um ungeklärte Millionen-Zahlungen
vor der Fußball-WM 2006 steht faktisch
vor dem Aus. Am dritten Verhandlungstag
des Schweizer Bundesstrafgerichtes in
Bellinzona teilte die Vorsitzende Richterin
Sylvia Frei am Donnerstag mit, dass der
Prozess auf unbestimmte Zeit vertagt wer-
de. Bis dahin müsse die Spruchkammer
über zahlreiche Anträge der Beschuldigten
beraten, erklärte sie weiter. Allerdings
muss das Verfahren bis zum 27. April been-
det sein, weil der Vorgang ansonsten
verjährt. Es ist nicht vorstellbar, wie das
Gericht dies noch hinbekommen will.
Die Verschiebung des Verfahrens liegt
insbesondere an den Folgen des Coronavi-
rus. Kurz vor der Verhandlung am Donners-
tag teilte der Verteidiger des früheren DFB-
Präsidenten Wolfgang Niersbach dem Ge-
richt mit, dass sich sein Mandant in Selbst-
Quarantäne begeben habe. Die Münchner
Schule, auf die der Sohn von Niersbachs
Lebensgefährtin geht, war wegen eines Co-
rona-Verdachtsfalles geschlossen worden.
Niersbach habe noch bis Dienstagabend
engsten Kontakt zu ihm gehabt und sich
deswegen für die Quarantäne entschieden,
teilte sein Anwalt mit. Kurioserweise war
Niersbach zum Prozessauftakt zum Wo-
chenbeginn gar nicht in Bellinzona erschie-
nen, weil es aufgrund der Nähe zum italie-
nischen Zentrum der Epidemie eine erhöh-
te Ansteckungsgefahr gebe. Erst am Tag
zuvor war er angereist, weil die Richterin
diese Erklärung nicht gelten lassen wollte.
Niersbachs Abwesenheit ist allerdings
nicht der einzige Einfluss des Coronavirus
auf den Prozess. Am Mittwochabend war
der Kanton Tessin mit seiner Hauptstadt
Bellinzona zum Notstandsgebiet erklärt
worden. Das bedeutet unter anderem, dass
sich in einem Gebäude maximal 50 Perso-
nen aufhalten dürfen. Diese Marke wird
bei diesem Prozess mit vier Beschuldigten
und großem öffentlichen Interesse leicht
erreicht. Außerdem war Teil des Erlasses,
dass Personen, die älter sind als 65 Jahre,
im Tessin nicht an öffentlichen Veranstal-
tungen teilnehmen sollen, weil sie Teil
einer besonderen Risikogruppe sind. Alle
vier Beschuldigten des Prozesses – neben
Niersbach, 69, noch die beiden früheren
DFB-Funktionäre Theo Zwanziger, 74, und
Horst R. Schmidt, 78, sowie Urs Linsi, 70,
als früherer Generalsekretär des Fußball-
Weltverbandes Fifa – sind älter.
Zwanziger und Schmidt waren auf-
grund gesundheitlicher Probleme, aber
auch mit Verweis auf das Coronavirus erst
gar nicht angereist. Das Gericht hatte aller-
dings noch nicht entschieden, ob es diese
Abwesenheit als entschuldigt wertet oder
nicht, und am Mittwoch sogar einen medi-
zinischen Fachgutachter bestellt. Dessen
endgültiges Urteil wurde noch nicht ver-
kündet.
Schon seit Prozessbeginn am Montag
waren verschiedene Anträge gestellt wor-
den, die Veranstaltung wegen des Corona-
virus zu vertagen. Diese hatte das Gericht
allesamt abgelehnt. Nach der Entschei-
dung der Tessiner Regierung, den Kanton
zu einem Notstandsgebiet zu erklären, gin-
gen nach SZ-Informationen allerdings
diverse neue Anträge ein. So beantragte
Schmidts Anwalt, das Verfahren gegen sei-
nen Mandanten abzutrennen; Zwanzigers
Anwalt möchte eine Verschiebung des Pro-
zesses bis mindestens 29. März erreichen
- so lange gilt das Notstandsdekret des
Kantons Tessin zunächst einmal.
Neben diesen Unklarheiten aufgrund
des Coronavirus gibt es zudem weitere The-
men, die das Gericht eigentlich noch klä-
ren müsste, bevor es in das Verfahren in-
haltlich einsteigen kann. Das betrifft insbe-
sondere das irritierend enge Verhältnis zwi-
schen der Bundesanwaltschaft (BA) und
der Fifa, die in diesem Fall Privatklägerin
ist. Dazu zählen etwa die Frage, ob der Welt-
verband diesen Status zu Recht erhielt,
und die ungeklärten Umstände eines
Geheimtreffens zwischen BA- und Fifa-
Vertretern im Juni 2017.
Die Bundesanwaltschaft wirft den vier
Beschuldigten vor, durch eine Zahlung in
Höhe von 6,7 Millionen Euro im April 2005
den DFB geschädigt zu haben. Diese habe
nicht wie offiziell angegeben als Beitrag
für eine damals noch geplante und später
abgesagte WM-Gala gedient, sondern der
Rückzahlung eines Privatkredites. Drei
Jahre zuvor hatte der Ex-Adidas-Chef
Robert Louis-Dreyfus dem deutschen WM-
Chef Franz Beckenbauer zehn Millionen
Franken geliehen, die er an den Fifa-Skan-
dalfunktionär Mohammed bin Hammam
in Katar weiterreichte.
Der konkrete Zweck dieses Kredites ist
bis heute ungeklärt, nach Aktenlage ging
es um ein profitables Geschäft mit Fernseh-
rechten. Das Schweizer Bundesstrafge-
richt in Bellinzona wird sich mit diesen Fra-
gen wohl nicht mehr beschäftigen. Die vier
früheren Funktionäre sind allerdings zu-
gleich noch vor dem Landgericht Frank-
furt wegen des Verdachts auf Steuerhinter-
ziehung beziehungsweise Beihilfe dazu an-
geklagt. johannes aumüller
von freddie röckenhaus
Paris/Dortmund–Fußballern wird nicht
umsonst oft ein kindliches Gemüt attes-
tiert. Und so saßen denn Spieler wie Ney-
mar und Kylian Mbappé nach dem Sieg fei-
xend zusammen, alle im Schneidersitz,
wie eine Yoga-Gruppe, und posteten die
Bilder in die Welt hinaus. Eine Retourkut-
sche der Pariser für den Dortmunder Er-
ling Haaland, der eines seiner beiden Tore
im Hinspiel wie ein meditierender Yogi auf
dem Rasen gefeiert hatte. Die Pariser lach-
ten zuletzt. Und dass ihr 2:0-Sieg in einem
gespenstisch leeren Stadion stattfand und
die ganze fröhliche Welt des Fußballs gera-
de mit der Wirklichkeit einer Virus-Pande-
mie zusammenstößt, was kümmert das
schon die halb erwachsenen Jungs auf
dem Rasen, die nur spielen wollen?
Das Dortmunder Aus im Achtelfinale
der Champions League kam ansonsten so
schleichend daher wie eine Infektions-
krankheit. Bald merkte man ein paar Sym-
ptome, dann, dass an diesem Abend ein-
fach nichts mehr gehen wollte und Kopf
und Beine schwer wurden. Michael Zorc,
Dortmund Sportdirektor, war noch am
Tag danach ratlos: „Normalerweise kön-
nen wir uns wenigstens auf eins fast im-
mer verlassen: Auf unser Spiel nach vorne.
Aber dieses Mal ging nichts, wir waren vor-
ne wie stumpf, und es kamen im Angriff
auch kaum einmal Bälle an.“ Erklären
konnte Zorc das auch nicht. Auch nicht die
merkwürdige Passivität und Mutlosigkeit,
mit der Dortmunds Spieler, trotz des 2:1
aus dem Hinspiel, in diese Partie vor den
gähnend leeren Sitzschalen gingen.
„Das war natürlich nicht so als Marsch-
route ausgegeben. Niemand hat angeord-
net, dass wir abwartend oder tief hängend
spielen“, meinte Dortmunds Sportchef,
der mit seiner Borussia manches erlebt
hat, aber noch nie ein Spiel in einem leeren
Stadion. „Es war für uns heute viel mehr
drin, Paris hat nicht so überragend ge-
spielt, sie haben sich kaum anstrengen
müssen für ihre Tore. Wir hätten das Vier-
telfinale erreichen können, aber wir haben
unsere PS nicht auf die Straße gebracht.“
Überraschend war da schon eher die
Analyse von BVB-Trainer Lucien Favre,
der das Spiel seiner Mannschaft „gar nicht
schlecht“ fand, zu bedauern seien vor al-
lem die zwei Gegentore, durch Neymar
und den früheren Münchner Juan Bernat,
die „beide total unnötig“ gewesen seien.
Damit hatte Favre zwar nicht unrecht.
Aber die Fehlerhaftigkeit seiner Mann-
schaft war so hoch, dass man sich über die
Einschätzung des Schweizers eher wun-
dern musste, seine Mannschaft habe es
gar nicht so schlecht gemacht.
Vielleicht mochte Favre auch gar nicht
daran erinnert werden, dass der BVB
jüngst in besonders wichtigen Spielen im-
mer wieder versagt hatte. Zuletzt beim Aus-
scheiden im DFB-Pokal beim Bundesliga-
Abstiegskandidaten Werder Bremen, aber
auch in den beiden letzten Aufeinandertref-
fen mit dem FC Bayern in, die Dortmund
mit 0:5 und 0:4 verlor. Einmal kostete das
Debakel die Meisterschaft. Eigentlich
steht am 4. April in Dortmund der nächste
Gipfel an, bei dem man so oft gar nicht den
Eindruck von zwei gleichwertigen Kontra-
henten haben kann. Zudem steht Borussia
das Ruhrpott-Derby am Samstag gegen
Schalke bevor. Daheim, aber erneut ohne
Zuschauer auf den Rängen.
Regelmäßig in Spielen mit besonderer
Brisanz scheint man beim BVB die selben
Symptome zu erkennen, wie in Paris: Bei
größeren Aufgaben wirkt die Mannschaft
von Favre mutlos, zu passiv, gerade so, als
würde sie nicht auf ihre größte Stärke, ihre
bisweilen brachiale Offensivwucht setzen,
sondern stattdessen abwarten. Gegen die
Startruppe aus Paris, trainiert vom frühe-
ren Dortmunder Trainer Thomas Tuchel,
wirkte der BVB so, wie man ihn schon öfter
in Schlüsselspielen erlebt hat. Auch Lizenz-
spieler-Chef Sebastian Kehl räumte ein:
„Die Chance war groß, hier weiterzukom-
men. Man hatte nur bei Paris das Gefühl,
dass die wirklich weiterkommen wollten.
Wir waren nicht mutig genug.“
Die fehlende Stimulans des Publikums
mochte Michael Zorc nicht als Entschuldi-
gung gelten lassen: „Es gibt ja bei uns nicht
nur 19-Jährige. Mats Hummels, Lukasz Pi-
szczek, Axel Witsel, die sind ja keine Jung-
spunde, aber man hat von ihnen heute
auch nicht genug gesehen.“ Einzig Erling
Haaland, der gar nicht ins Spiel kam, und
an seine beiden Hinspiel-Treffer nie an-
knüpfen konnte, klagte zerknirscht: „Ich
habe meine Dortmund-Fans vermisst. Sor-
ry, aber es ist einfach scheiße ohne Fans.“
Gegen Schalke 04 droht ein ähnliches
Stimmungstief. Sportdirektor Michael
Zorc, der bekannte, „genauso ratlos wie al-
le anderen in dieser völlig neuen Situation“
zu sein, würde eine Aussetzung des Spielbe-
triebs schon ab diesem Wochenende im
Moment für die beste Lösung halten. „Es
gibt ja keine Blaupause, wie man mit so ei-
ner Lage umgeht. Das ist für alle und jeden
neu, und die Situation hat eine unglaubli-
che Dynamik. Aber wenn ich sehe, dass die
spanische und die italienische Liga ab so-
fort pausieren, obwohl die mit ihren 20
Erstliga-Vereinen ja noch mehr Spieltage
und deshalb größere Terminprobleme ha-
ben, frage ich: Warum sollten wir es nicht
genauso machen können?“
Die Kurzfristigkeit spiele jetzt keine gro-
ße Rolle mehr, nachdem die meisten loka-
len Behörden ohnehin keine Zuschauer
mehr an kommenden Wochenende zulie-
ßen. „Wir haben natürlich einige heilige
Kühe im internationalen Rahmenkalen-
der,“ so Zorc weiter, „dass also das Champi-
ons-League-Finale oder in diesem Jahr
auch die Europameisterschaft zu fest be-
stimmten Terminen durchgezogen wer-
den sollen. Aber diese Situation ist so ex-
trem und so außergewöhnlich, dass wir
auch solche Termine nun natürlich in Fra-
ge stellen müssen. Eine Verschiebung wür-
de uns Luft schaffen, um geordnet und an-
gemessen den Spielbetrieb jetzt zu unter-
brechen, und erst wieder zu spielen, wenn
die Sicherheit und Gesundheit von allen Be-
teiligten wieder zu gewährleisten ist.“ Eine
Verschiebung der internationalen Termi-
ne würde eine Verlängerung der Bundesli-
ga und anderer nationaler Ligen notfalls
bis in den Sommer hinein ermöglichen.
An der Trauer über das vermeidbare
Ausscheiden in Paris änderte das alles
nichts. Aber die Gedanken, das war am Tag
nach dem Spiel ohne Zuschauer überall zu
spüren, scheinen derzeit nicht mehr fokus-
sierbar auf den Sportbetrieb. Fußball ohne
Zuschauer ist kein Spaß. Außer für ein
paar Jungs im Schneidersitz, die sich am
Mittwochabend in Paris noch freuen konn-
ten, und die Massen von Fans, die sich er-
satzweise vor dem Stadion versammelt hat-
ten. Als ob es vor dem Stadion keine Anste-
ckung gäbe. Der Irrwitz in den Zeiten von
Corona hat alles überschattet.
Am Mittwoch noch
aufdem Weg ins
Gericht, am Donners-
tag in Quarantäne:
der ehemalige DFB-
Präsident Wolfgang
Niersbach, 69.
FOTO: SAMUEL GOLAY / DPA
Im Stimmungstief
Ohne Publikum macht’s keinen Spaß: Nachdem der BVB in Paris in der Champions League den Dienst quittierte,
regt Dortmunds Sportchef Michael Zorc an, schon auf den kommenden Liga-Spieltag zu verzichten
DFB-Generalsekretär Curtius
wirft die Frage auf, ob die Saison
vorzeitig beendet werden muss
Die Klubs bitten ihre Fans,
am Spieltag auch nicht in die
Nähe der Stadien zu kommen
Zweiter Corona-Fall in Hannover
Nach Gladbachs 2:1 gegen Köln wird in der Bundesliga die Frage diskutiert, ob die sogenannten Geisterspiele wirklich die Lösung sein können
Der Kanton Tessin wurde
zum Notstandsgebiet erklärt
Paris habe sich für seine Tore fast
„gar nicht anstrengen müssen“,
beklagt BVB- Sportchef Zorc
DEFGH Nr. 61, Freitag, 13. März 2020 (^) SPORT 33
Niersbach in
Quarantäne
WM-Prozess wegen Coronavirus
auf unbestimmte Zeit verschoben
Fahrlässig allein gelassen: Der bislang nicht als Kopfball-Ungeheuer bekannte Neymar genießt sämtliche Freiheiten vor dem Pariser 1:0. FOTO: HANDOUT / UEFA / REUTERS
Großereignis vor den Toren: Am Pariser Stadion versammelten sich trotz Corona-
Krise Tausende PSG-Fans und feierten wild. Angel dí María (links) und Kylian
Mbappé jubelten überschwänglich mit. FOTO: UEFA / REUTERS, A. POUJOULAT / AFP
„Tausche Eintrittskarte gegen Klopapier“ – ein Borussen-Geist vor dem ersten Bundesliga-Geisterspiel, das Gladbach am Mittwoch 2:1 gegen Köln gewann. FOTO: STRAUCH / DPA