von nina bovensiepen
D
as Leben der Münchnerinnen und
Münchner hat sich fundamental
verändert, auch wenn diese Er-
kenntnis bei einigen schleichend sickert.
Etwa bei jenen, die zwar erfahren haben,
dass ihr nächster Opernbesuch entfällt,
weil das Kulturleben der Stadt von heute
auf morgen weitgehend zum Stillstand
kam, die aber sonst noch fast normal le-
ben. Andere können das längst nicht
mehr. Sie müssen daheim bleiben, weil
die Schule des Kindes zu ist oder weil sie
einen Verdachts- oder Krankheitsfall im
Umfeld haben. Nahezu stündlich wird im-
mer deutlicher, dass niemand von den
Folgen der Corona-Krise verschont blei-
ben wird. Warum? Weil unser Alltag nicht
mehr unser Alltag ist, wenn Taufen und
Firmungen ausfallen; wenn Lokale we-
gen Gästemangels zumachen; wenn der
Besuch beim kranken Vater im Pflege-
heim manchem zu riskant wird; wenn an-
deren eine S-Bahn-Fahrt als zu gefähr-
lich erscheint; wenn Freiwillige Feuer-
wehren ihre Übungen absetzen; wenn
der Kollege im Büro die Kantine scheut
und der Partner daheim einen Partybe-
such verweigert. Dagegen, dass solche
Folgen der Pandemie bei jedem ankom-
men, kann sich niemand wehren.
Wehren kann sich aber jeder Einzelne
und auch die Stadtgesellschaft dagegen,
dass dies nur in Panik, Isolation und Hilf-
losigkeit führt. Gefragt ist die Politik, die
Unterstützung für Not leidende Betriebe
oder das Gesundheitswesen beschließen
muss – und kommunikatives Krisenma-
nagement betreiben muss. Letzteres hat
bisher gut funktioniert. Sowohl was den
Freistaat betrifft, der als erstes Bundes-
land klare Vorgaben ausgab zum Verbot
von Veranstaltungen. Als auch, was die
Stadt angeht. Oberbürgermeister Dieter
Reiter (SPD) machte schnell klar, dass er
diese Linie mitträgt. Er war zügig zu ver-
nehmen zu dem Thema, das alle am meis-
ten umtreibt, ohne dass er es sich in den
letzten Tagen des Wahlkampfs allzu of-
fensiv angeeignet hätte.
Neben der Politik sind Firmen gefor-
dert. Sie müssen sich den Arbeitnehmern
gegenüber kreativer und solidarisch zei-
gen, sei es, dass sie Freiheiten wie Ho-
meoffice stärker gewähren, oder neue Ar-
beitsformen proben. Und alle Münchne-
rinnen und Münchner sind aufgerufen,
den neuen Alltag neu zu gestalten. Jen-
seits von (wegfallenden) Theater- und Sta-
dionbesuchen. Trotz einem (aufgrund ge-
schlossener Kindergärten oder Schulen)
deutlich komplexeren Familienleben –
das noch viel komplizierter werden wird,
falls es zu flächendeckenden Schul- und
Kitaschließungen kommt. Dann sind alle
gefordert. Dies zum Beispiel, indem man
für ältere Nachbarn einkaufen geht. Oder
Kinder betreut. Oder jemandem einen
Fahrdienst anbietet. Nachbarschaftshilfe
im besten Sinne. Das löst die Corona-Kri-
se nicht. Aber es hilft, im neuen Alltag.
München– Die Corona-Pandemie beein-
trächtigt auch das kirchlich-religiöse Le-
ben in München stark. Katholiken, Protes-
tanten, Muslime und Juden müssen sich
auf Absage oder Verschiebung zahlreicher
Veranstaltungen einstellen, dies betrifft
Firmungen ebenso wie die Karfreitagspro-
zession oder Konzerte. Reguläre christli-
che Gottesdienste sollen weiterhin stattfin-
den, allerdings unter Berücksichtigung be-
stimmter Regeln. Katholische wie evangeli-
sche Kirche halten sich mit Anweisungen
von oben zurück. Sie versuchen, über Emp-
fehlungen an die Gemeinden ein einheitli-
ches Vorgehen zu erreichen.
Nicht mehr als 100 Menschen sollen ei-
nen Gottesdienst besuchen, rät der Krisen-
stab des Erzbistums München und Frei-
sing. Die Gläubigen sollen Abstand zuein-
ander halten. Für den Umgang mit Weih-
wasser verweist das Ordinariat auf die
Empfehlung der Deutschen Bischofskonfe-
renz, die allerdings vage bleibt: „Ratsam
ist vorübergehend auch eine Zurückhal-
tung bei der Nutzung des Weihwasserbe-
ckens in den Kirchen.“ Empfohlen wird zu-
dem, dass Pfarrer bei der Kommunion die
Hostien den Gläubigen nicht in den Mund
legen, sondern in die Hand. Vorsichtig solle
man auch mit Körperkontakt beim Frie-
denszeichen sein, einen Klingelbeutel sol-
le man nicht mehr herumreichen.
Zum Kernauftrag der Kirche gehöre die
Sorge um Kranke und Sterbende. Das be-
deute, dass neben der Eucharistie auch
Krankensalbungen und die Abnahme der
Beichte nicht eingestellt würden. „Beerdi-
gungen müssen natürlich stattfinden“,
heißt es in einem Schreiben an die Pfarrei-
en. Andere besondere Gottesdienste, also
Taufen oder Trauungen, sollen „nicht in je-
dem Fall“ verschoben werden. Sie könnten
„unter Beachtung der Hygienevorgaben in
kleinem Kreis gefeiert werden“. Werde ei-
ne größere Zahl von Gästen erwartet, solle
entweder der rahmen „angepasst“ oder
das Fest verschoben werden. Dies sei im-
mer eine Frage der Abwägung.
Diverse religiöse Veranstaltungen hat
die Diözese dagegen abgesagt oder ver-
schoben. Alle Firmungen, die bis Ostern ge-
plant sind und „eine größere Teilnehmer-
zahl haben“, werden zu einem späteren
Zeitpunkt stattfinden. Abgesagt hat das Or-
dinariat neben der Messe zum Papstsonn-
tag an diesem Sonntag auch den „Kreuz-
weg der Völker“ am Karfreitag mit mehre-
ren Tausend erwarteten Teilnehmern.
Über die zentralen Kar- und Ostergottes-
dienste sei noch nicht entschieden. Gottes-
dienste mit vielen Gläubigen und verstärkt
körperlichen Kontakten, etwa Kindergot-
tesdienste, sollen verschoben werden.
Das evangelische Dekanat München
gibt diese Empfehlungen an die Gemein-
den: Alle regulären Gottesdienste sowie al-
le Kasualien, also Taufen, Beerdigungen
oder Trauungen, sollen stattfinden. Beim
Abendmahl solle man auf den üblichen gro-
ßen Kelch, der herumgereicht wird, ver-
zichten, bittet Stadtdekanin Barbara Kittel-
berger. Stattdessen solle jeder Besucher je-
weils aus einem kleinen Kelch trinken.
Zwar könne sie als Stadtdekanin den Ge-
meinden keine Vorgaben machen, sie aber
würde derzeit auf Feiern des Abendmahls
ganz verzichten. Pfarrerinnen und Pfarrer
bittet sie, zu erkrankten und einsamen Ge-
meindemitgliedern telefonisch Kontakt zu
halten.
Jenseits der Gottesdienste empfiehlt Kit-
telberger, alle Aktivitäten abzusagen. Das
betreffe etwa Freizeiten, auch für Konfir-
manden, sowie Gemeindeversammlun-
gen, Gruppentreffen oder Konzerte. Nicht
stattfinden wird auch der Jahresempfang
des Dekanats. Die Landeskirche hat alle
„besonderen Gottesdienste“ abgesagt, die
in der Verantwortung etwa der Regionalbi-
schöfe liegen. Das seien etwa Ordinationen
oder die Installationen von Dekanen. Zu
solchen Feiern käme Gäste von weither, so
dass sich das Virus verbreiten könne.
Die muslimischen Gemeinden haben
sich nach Auskunft von Imam Benjamin
Idriz, Vorsitzender des Münchner Forums
für Islam, auf ein einheitliches Vorgehen
verständigt: Das Freitagsgebet werde vor-
erst weiter stattfinden, allerdings solle es
„ganz, ganz kurz“ ausfallen. Anschließend
sollen die Muslime rasch die Moscheen ver-
lassen, auch sollen sie ihre rituelle Wa-
schung bereits daheim vornehmen. Sollte
sich die Corona-Lage weiter zuspitzen, sei
denkbar, in den kommenden Wochen das
Freitagsgebet auszusetzen, sagte Idriz.
Auch die Israelitische Kultusgemeinde
schränkt ihre Aktivitäten stark ein. Die
Schabbat-Gottesdienste finden zwar wei-
ter statt, das anschließende Kiddusch, das
gemeinsame Essen, entfällt bis auf Weite-
res. Veranstaltungen im Kulturzentrum fal-
len ebenso aus. bernd kastner
von anika blatz
München/Würzburg–Das Coronavirus
ist in den bayerischen Alten- und Pflegehei-
men angekommen. Zwei Bewohner des
vom Bürgerspital Würzburg betriebenen
Seniorenheims St. Nikolaus sind infiziert.
Nach SZ-Informationen ist in der Nacht
zum Donnerstag einer der beiden Infizier-
ten gestorben. Die erste Infektion war am
Sonntag bekanntgeworden, die zweite am
Montag. „Wir haben seitdem alles ver-
schärft, was es zu verschärfen gibt“, sagt
die leitende Stiftungsdirektorin des Bür-
gerspitals, Annette Noffz. Alle 160 Bewoh-
ner wurden isoliert. Das bedeutet: Sie dür-
fen ihre Zimmer nicht mehr verlassen, die
Einrichtung hat ein Besuchsverbot erlas-
sen, zum Versorgen werden die Zimmer
von den Pflegekräften mit Schutzkleidung
betreten.
Die Sorge um die alten Menschen im
Land wird größer, und sie ist berechtigt.
Denn dem Robert-Koch-Institut zufolge
steigt das Risiko einer schweren Corona-
Erkrankung stetig mit dem Alter an. Über
80-Jährige sind besonders gefährdet, sie
zählen neben chronisch Kranken zur „vul-
nerablen“ Bevölkerungsgruppe. 1885 Pfle-
geheime mit 126 259 Bewohnern gibt es in
Bayern, für sie sind Virusepidemien nichts
Neues. „Wir haben in den Einrichtungen
immer wieder Infektionswellen, etwa die
Grippe oder das Norovirus, und dafür die
notwendige Ausrüstung und Konzepte, an
die wir uns auch jetzt halten“, sagt Monika
Strobel, stellvertretende zweite Werklei-
tung des Nürnbergstift der kommunalen
Altenhilfe Bayern.
Doch auch wenn man theoretisch auf
derartige Ausbrüche vorbereitet ist und
sich an die vorgegebenen Epidemie- und
Pandemiepläne hält, ist diese Situation an-
ders: „Es gibt die bekannten Ablaufpläne,
aber man kann das Coronavirus nicht mit
dem Norovirus vergleichen. Wir müssen
die Mitarbeiter mit spezieller Schutzaus-
rüstung ausstatten – im Zweifel nicht nur
mit den normalen Masken, sondern mit
den der höheren Schutzklassen, und da
geht alles zur Neige“, sagt Joachim Görtz,
Landesgeschäftsstellenleiter des Bundes-
verbands privater Anbieter sozialer Diens-
te (bpa), der im Freistaat mehr als 1300 Ein-
richtungen mit 60 000 Pflegebedürftigen
betreibt. Denn anders als bei den bisheri-
gen Infektionswellen sind diese auf einzel-
ne Regionen beschränkt gewesen. Jetzt ist
theoretisch jeder betroffen. Atemmasken,
Schutzkittel, Desinfektionsmittel sind not-
wendiger Schutz für die Senioren, aber
auch für die Pflegekräfte, denn wenn das
Personal ausfällt, kann die Versorgung zu-
sammenbrechen. Das Problem: Schutzmit-
tel werden knapp. Nicht nur Senioren- und
Pflegeheime brauchen die Ausrüstung, sie
konkurrieren am Markt auch mit Kranken-
häusern und Rettungsdiensten.
„Es ist problematisch, an Masken zu
kommen“, sagt Noffz. Bereits vor drei Wo-
chen, als es noch keine Corona-Fälle gab,
habe man versucht, Atemschutzmasken
der Schutzklassen FFP-3 und -2 zu bestel-
len, doch es gab keine. Die schwierige Lage
konnte man in Würzburg vorerst lösen:
Man hat sich untereinander ausgeholfen.
Die Stadt habe eine Art Krisenstab gebil-
det, an dem neben dem Gesundheitsamt
auch Heim- und Pflegeeinrichtungen so-
wie Krankenhäuser beteiligt sind. „Es ist
schön zu sehen, dass wir im Moment alle
solidarisch zusammenhalten“, sagt sie.
Doch was ist, wenn die Vorräte ausge-
hen? Nicht nur Atemmasken sind von Eng-
pässen betroffen, auch Schutzkittel und
Desinfektionsmittel sind schwer zu bekom-
men. „Momentan haben wir noch Bestand,
aber es wird eng“, sagt Görtz. „Wenn wir an-
gemessen versorgen wollen, müssen wir
ausgestattet sein.“ Auch Tobias Utters,
Sprecher der Caritas Bayern, die 280 Senio-
reneinrichtungen und 250 Sozialstationen
betreibt, spricht von einer angespannten
Lage. Der Sprecher des Diakonischen
Werks Bayerns, das mehr als 200 Pflegeein-
richtungen und 240 ambulante Dienste be-
treibt, Daniel Wagner, bestätigt: „Zu ange-
messenen Konditionen Nachschub zu be-
kommen, ist schwer. Es ist absehbar, dass
es zu Knappheiten kommt“. Woher die Ma-
terialien kommen sollen, ist ungewiss. Ste-
fan Frank, Geschäftsführer von Praxis Di-
rekt, einem Hersteller und Lieferanten für
Praxis- und Laborartikel in Augsburg,
sagt, dass bisher 80 Prozent der Mund-
schutze aus China kamen. Seit Chinas Ex-
portstopp wisse keiner mehr, wo er die
nächste Großlieferung herbekomme und
wohin der Preis geht. Derzeit teste man in
Malaysia ein in Europa hergestelltes Filter-
medium darauf, ob es geeignet sei für
Atemmasken gegen das Coronavirus.
Momentan verkauft Praxis Direkt pro
Kunde nur noch maximal fünf Atemschutz-
boxen und beliefert nur noch Bestandskun-
den. „Unser Vorrat hält maximal bis Ende
nächster Woche“, sagt Frank. Und danach?
Weiß niemand. Vom bayerischen Gesund-
heitsministerium wurde den Senioren-
und Pflegeheimen zwar Unterstützung zu-
gesagt, „auf Fragen zur Schutzausrüstung
hatte man aber keine Antwort“, erzählt
Görtz. Doch nicht nur darum sorgen sich
die Heime, sie machen sich auch Gedanken
über das Personal.
In St. Nikolaus sind von 70 Pflegekräf-
ten derzeit elf in Quarantäne, weil sie Kon-
takt zu Erkrankten hatten. Eine Mitarbeite-
rin wurde ebenfalls positiv getestet, bei al-
len anderen ist es noch eine Vorsichtsmaß-
nahme. „Das ist gerade eine extrem ungu-
te Situation, weil wir nicht wissen, wie es
weitergeht“, sagt Noffz. Auch Strobel
denkt an ihren Mitarbeiterstab: „Homeoffi-
ce, Abstand halten – all das funktioniert in
der Pflege nicht. Und wenn dann noch die
Schulen und Kindergärten geschlossen
werden und die Eltern zuhause bleiben,
fehlt es an allen Ecken und Enden.“
Zum Schutz ihrer Bewohner und Mitar-
beiter verhängen einige Einrichtungen be-
reits Besuchsverbote. Auch St. Nikolaus
empfängt keine Besucher mehr: „Die über-
wiegende Mehrheit der Angehörigen hat
dafür Verständnis“, sagt Noffz. Doch gibt
Leonard Stärk, Landesgeschäftsführer des
Bayerischen Roten Kreuzes, zu bedenken,
dass Besuche fürs Wohlbefinden der Men-
schen wichtig sind. „Besuchsverbote sind
sicher eine Option, die wir prüfen, aber wir
sind vorsichtig damit.“ Stattdessen werden
Besucher durch Aushänge über Schutz-
und Hygienemaßnahmen informiert.
Was muss geschehen, um die Situation
in den Heimen zu entschärfen? „Wir müs-
sen bei solch wichtigen Gütern eine heimi-
sche Produktion anstreben, dafür muss
die Politik die Rahmenbedingungen schaf-
fen. Wir dürfen uns nicht auf Atemmasken
aus China verlassen“, sagt der Landesvor-
sitzende der Arbeiterwohlfahrt, Thomas
Beyer. „Wir müssen die Quarantänemaß-
nahmen für Pflegekräfte, die nicht positiv
getestet wurden und keine Symptome ha-
ben, lockern und diese Leute arbeiten las-
sen“, sagt Noffz. Frank meint: „Die Men-
schen sollten aufhören, Desinfektionsmit-
tel und dergleichen zu horten und es denen
lassen, die es wirklich brauchen: Arztpra-
xen, Krankenhäusern, Seniorenheimen.“
München–Ministerpräsident Markus Sö-
der (CSU) weist seine Ministerien an, sich
auf baldige flächendeckende Schulschlie-
ßungen vorzubereiten. Bis zu diesem Frei-
tagvormittag will die Staatsregierung ent-
scheiden, ob Bayerns Schulen wegen des
Coronavirus dicht machen. „Ich schließe
nicht aus, dass wir Schulschließungen ha-
ben werden“, sagte Söder auf der Minister-
präsidentenkonferenz in Berlin, deren Vor-
sitz Bayern hat. Söder wollte noch die Ge-
spräche mit dem Bund am Donnerstag-
abend abwarten, ein Alleingang Bayerns
ist aber nicht auszuschließen.
Die Situation in Südbayern sei eine ganz
andere als in Bremen, sagte Söder: „Am En-
de ist es so, dass wir stärker betroffen sind.
Wir spüren das.“ Als Ministerpräsident ste-
he der Schutz der Bevölkerung für ihn „an
oberster Stelle“. Neben den Schulen müsse
es auch eine Lösung für Kitas geben, sagte
Söder. Schulschließungen seien zudem
nur in Verbindung mit einer Notfallbetreu-
ung für relevante Zielgruppen wie Ärzte
oder Krankenpfleger möglich. Damit soll
verhindert werden, dass in Krankenhäu-
sern und Alten- oder Pflegeheimen Perso-
nal fehlt, weil Eltern bei ihren Kindern zu-
hause bleiben. Wie eine solche Betreuung
genau aussehen könnte, ist noch unklar.
Sowohl aus dem Sozialministerium, als
auch aus Gesundheits- und Kultusministe-
rium heißt es, dass an entsprechenden Plä-
nen gearbeitet werde. Auch ein weiteres
Problem muss gelöst werden: Bis jetzt wur-
de in der Staatskanzlei auch deshalb von
generellen Schulschließungen abgesehen,
weil verhindert werden sollte, dass Eltern
ihre Kinder zu den Großeltern geben und
damit eventuell eine Risikogruppe gefähr-
den. Söder betonte, er könne noch nicht
auf alle Fragen Antworten geben. Man
müsse alles abwägen: „Das kann man jetzt
nicht aus der hohlen Hand schütteln.“ Ten-
denzen zu Schulschließungen aber seien
da und offenbar auch der Wille zu handeln.
„Ich befürchte, dass wir schneller und kla-
rer entscheiden müssen, als es in der Ver-
gangenheit der Fall war“, sagte Söder. Er
ging zudem auf die anstehenden Abiprü-
fungen ein. Es sei wichtig, dass das Abitur
stattfinde und dies im Einklang mit allen
Ländern passiere, sagte er. Daraufhin for-
derten Schüler-, Eltern-, Lehrer- und Di-
rektorenvertreter am Gymnasium einen
runden Tisch im Ministerium, um die Fol-
gen für das Abitur zu klären. Die ersten Prü-
fungen beginnen bald nach den Osterferi-
en. Kritischer als die Abiturprüfung selbst
sehen einige Lehrer die Klausuren in den
kommenden Wochen, die in die Abiturnote
einfließen.
Söder will zudem prüfen lassen, „wel-
che Möglichkeiten bestehen, Homeschoo-
ling zu machen.“ Am Donnerstagnachmit-
tag ging eine Anweisung des Kultusminis-
teriums an alle Schulen raus, wonach sie
sich auf digitales Arbeiten vorbereiten und
sicherstellen müssen, dass Schüler- und
Lehrerzugänge zum Schulnetzwerk Mebis
funktionieren. Dass Mebis einen Zugriff
Tausender Schüler gleichzeitig aushalten
würde, bezweifelt der Präsident des Deut-
schen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Mei-
dinger. Bei einem Test seiner Schule – Mei-
dinger ist auch Direktor eines Gymnasi-
ums in Deggendorf – sei das Netzwerk
sehr langsam gewesen. In Richtung Staats-
kanzlei gab Meidinger zu bedenken, dass
es keinen Sinn habe, die Kinder von den
Schulen in die Jugendtreffs zu schicken. Be-
treuung müsse stattdessen in kleinen
Gruppen stattfinden, dafür sei gesell-
schaftliche Solidarität gefragt. „Es nutzt ja
wenig, wenn die Jugendlichen dann wie-
der in großen Gruppen in Kinos oder Knei-
pen sitzen“, sagte Meidinger. Unabhängig
von bayernweiten Schließungen könnten
bald in München alle Schulen dicht ma-
chen. Sie halte das für den richtigen
Schritt, sagte die Gesundheitsreferentin
der Stadt München, Stephanie Jacobs. Der-
zeit sind mehr als 100 der 6000 Schulen in
Bayern geschlossen.
Auch in anderen Bereichen könnte es
bald gravierende Änderungen geben. Auch
für Krankenhäuser und Altenheime müsse
man sich dringend etwas überlegen, sagte
Söder. „Die Lage verschlechtert sich täg-
lich“, sagte er. nell, angu, kel
Vorsicht mit dem Weihwasser
Das Erzbistum verschiebt wegen der Corona-Krise größere Firm- und Tauffeiern. Die muslimischen Gemeinden erwägen, das Freitagsgebet auszusetzen
München– Die Corona-Krise stellt auch
die Flüchtlingsunterkünfte in Bayern vor
Herausforderungen. In einem Münchner
Ankunftszentrum waren am Wochenende
zwei Fälle von infizierten Bewohnern pu-
blik geworden, inzwischen sind es drei. Elf
Kontaktpersonen sind nun in Quarantäne,
wie die Regierung von Oberbayern am Don-
nerstag auf SZ-Anfrage mitteilte. In der Un-
terkunft in Waldkraiburg im Kreis Mühl-
dorf gebe es zudem fünf „Verdachtsfälle“,
die Bewohner mit Erkältungssymptomen
würden gerade untersucht. Aus weiteren
Einrichtungen im ganzen Freistaat gibt es
unbestätigte Berichte über einzelne Fälle.
Auskünfte zur Gesamtzahl der Infizierten
und Verdachtsfälle erteilte das Innenminis-
terium am Donnerstag auf Anfrage nicht.
Bayern testet alle ankommenden Asylbe-
werber seit Ende Januar auf das Virus. Bei
positiver Testung erfolge rasch Quarantä-
ne, um eine Ausbreitung zu verhindern,
meldete das Ministerium vorige Woche.
Unter Flüchtlingshelfern macht sich der-
weil Sorge breit angesichts der Bedingun-
gen in den Unterkünften. Generell schaffe
die Enge „Risiken – da kann man sich gar
nicht von anderen fernhalten mit Sicher-
heitsabstand“, wie es Experten zur Präven-
tion raten, sagt Stephan Dünnwald vom
Bayerischen Flüchtlingsrat. In Asyl-Zen-
tren habe man derzeit eine Belegung von
gut 50 Prozent; seiner Kenntnis nach wer-
de Raum vielerorts nicht genutzt, sondern
es gebe weiter die Unterbringung in klei-
nen Mehrbettzimmern. „Gesundheit geht
nicht nach Aufenthaltsrecht“, mahnt Dünn-
wald. Bei Stephan Reichel, dem Vorsitzen-
den des Vereins Matteo, hat sich jüngst ein
Bewohner einer betroffenen Einrichtung
in Sorge gemeldet. Er beklagt etwa fehlen-
de Informationen über Virus und Maßnah-
men, bei Quarantäne würden Sicherheits-
kräfte die Betreuung übernehmen. Dabei
soll das Wort „arrested“ gefallen sein – ver-
haftet. Die Absonderung in Gruppenzim-
mern sei prekär. Die Regierung von Ober-
bayern hatte nach den ersten Münchner
Fällen dagegen mitgeteilt, dass die Quaran-
täne ordnungsgemäß anlaufe; die Bewoh-
ner würden über „Notwendigkeit und Dau-
er der Maßnahmen aufgeklärt“ und „mit al-
lem Notwendigen versorgt“. Insbesondere
bei Personen mit Symptomen werde ein er-
neuter Test auf Covid-19 veranlasst. Zugän-
ge und Verlegung seien gestoppt. ojo
CORONA-KRISE
Jetzt sind alle
gefordert
Hostien nur noch in die Hand, nicht in den Mund: Der Schutz vor dem Coronavirus
zwingt die Kirche zu Änderungen bei der Eucharistie. FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA
Bayern bereitet sich auf Schulschließungen vor
Regierungschef Markus Söder weist Ministerien an, Konzepte für die Betreuung von Kindern vorzulegen
Verdachtsfälle in
Flüchtlingsunterkünften
In den Heimen wächst die Sorge
Besuchsverbote, Zimmerquarantäne: Einrichtungen für alte Menschen versuchen ihre Bewohner vor
dem Virus zu schützen. Doch bereits jetzt mangelt es an Personal und grundlegenden Schutzausrüstungen
Im Altenheim des städtischen Münchenstifts an der Effnerstraße werden Besucher seit einigen Tagen von Hiweisschildern empfangen. FOTO: FLORIAN PELJAK
Homeoffice, Abstand
halten – all das funktioniert
in der Pflege nicht
Ihr Lokalteil auf Tablet und Smart-
phone:sz.de/zeitungsapp
(^34) MÜNCHEN · BAYERN Freitag, 13. März 2020, Nr. 61 DEFGH
Zahl der gemeldeten Coronavirus-Infektionen in Bayern
Nach Tagen
SZ-Grafik; Quelle: Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
0
50
100
150
200
250
300
350
400
450
500
15 18 22
35 36
56
87
116
147
214
256
313
36 6
15 18 22
35 36
56
87
116
147
214
256
313
366
27 28.2. 29.2..2. 1.3. 2.3. 3.3. 4.3. 5.3. 6.3. 7.3. 8.3. 9.3. 10.3. 11.3. 12.3.
500
erster
Todesfall