Süddeutsche Zeitung - 13.03.2020

(Elle) #1

Fernseher statt Stadion heißt es nun für
viele Fans, die Fußballpartien nun nicht
mehr am Fußballplatz verfolgen können,
wenn Stadionbesuche als Vorsichtsmaß-
nahme wegen der Corona-Krise verboten
werden. Am Mittwoch hat Borussia Mön-
chengladbach gegen den 1. FC Köln ge-
spielt, es war das erste Geisterspiel der
Bundesligageschichte – und weitere fol-
gen. Jetzt reagiert der Bezahlsender Sky:
An den kommenden zwei Spieltagen soll
ein kleiner Teil der Partien für alle Fans
frei empfangbar zu sehen sein, teilte das
Unternehmen aus Unterföhring bei Mün-
chen am Donnerstag mit.
Übertragen wird auf dem Free-TV-Sen-
der Sky Sport News HD aber lediglich die
„Konferenz“, der Live-Zusammenschnitt
der Samstagspartien in der ersten Bundes-
liga und der Sonntagsbegegnungen in der
zweiten Liga. Der Sky-Chef Devesh Raj sag-
te, es sei „für uns selbstverständlich, unse-
ren Teil dazu beizutragen, indem wir diese
Spiele mit allen teilen, sodass möglichst
viele Fußballfans die Bundesliga live erle-
ben können“. Und dann war da noch sein
(medizinisch fragwürdiger) Satz: „In her-
ausfordernden Zeiten müssen wir alle zu-
sammenstehen.“


Am Samstag spielt unter anderem Bo-
russia Dortmund gegen den FC Schal-
ke 04. Die Einzelspiele live und in voller
Länge sind aber weiterhin nur für zahlen-
de Sky-Kunden zu sehen, darunter auch
die Begegnung zwischen Union Berlin und
dem FC Bayern München am Samstag.
Den Großteil der Bundesliga-Spiele zeigt
Sky live, einige wenige Partien am Freitag
oder Montag sind beim Streamingdienst
Dazn zu sehen. Sowohl Sky als auch Dazn
haben von der Deutschen Fußball Liga
(DFL) lediglich Bezahlrechte an der Bun-
desliga erworben – für sehr viel Geld.
Sky zahlt fast eine Milliarde Euro in die-
ser Saison, die Kosten müssen vor allem
über Abogebühren refinanziert werden.
Sind Bezahlspiele nun, wenn auch nur teil-
weise, frei zu sehen, käme dadurch das Er-
lösmodell ins Wanken. Das wäre auch für
die DFL schwierig, die gerade eine Auktion
startet für die Bundesligarechte von
2021/22 an, und wieder mit hohen Einnah-
men rechnet. Die Rechte sind in verschiede-
ne Pakete aufgeteilt, für die Interessenten
bieten können. Eine Entscheidung soll
wohl bis Mai fallen.
Dazn macht dem Publikum den Zugang
ohnehin recht leicht: Es gibt ein kostenlo-
ses Probeabo für einen Monat, danach
kann man monatlich kündigen. Sky hat
vor allem längerfristige Abos im Angebot,
daneben Sky Ticket, wo man einzelne Spie-
le gegen Bezahlung buchen kann. Nicht
ausgeschlossen also, dass sich Sky mit der
Aktion für die bevorstehenden Rechteauk-
tion in gutem Licht präsentieren will. Denn
der Sender braucht die Bundesligarechte
dringend, nachdem er bei der Versteige-
rung der Übertragungsrechte für die Cham-
pions League leer ausgegangen ist.
Die DFL muss in jedem Fall erst einmal
zustimmen, wenn sich Sky oder Dazn dazu
entscheiden, weitere Spiele für alle frei
empfangbar zu zeigen. caspar busse


Neben allen anderen unsicheren Verhält-
nissen gab es diesen Donnerstag auch Ver-
wirrung zum Rundfunkbeitrag von ARD,
ZDF und Deutschlandradio. Der soll auf
Empfehlung der unabhängigen Kommissi-
on KEF 2021 auf 18,36 Euro steigen. Die
Länder müssen dazu einen Rundfunk-
staatsvertrag abschließen. Nach dem Tref-
fen der Ministerpräsidenten am Donners-
tag in Berlin veröffentlichte die in Rund-
funkfragen federführende Staatskanzlei
Mainz eine entsprechende Erklärung. „Mi-
nisterpräsidenten der Länder stimmen
neuem Rundfunkbeitrag zu“, stand da, und
die Mainzer Regierungschefin Malu Drey-
er, SPD, erklärte, dass die Länder den Sen-
dern „große Sparmaßnahmen“ abfordern.
Allerdings hatte Hamburgs Bürgermeis-
ter Peter Tschentscher, SPD, bei der Presse-
konferenz in Berlin zum Rundfunkthema
abgewunken: „Das hat uns heute jetzt aus-
drücklich nicht beschäftigt“, sagte er, bevor
es wieder um Corona ging. Auf Nachfrage
teilte die Staatskanzlei Rheinland-Pfalz
mit: Doch, die Meldung sei korrekt, die Mi-
nisterpräsidenten hätten zugestimmt, al-
lerdings ohne Aussprache. Sachsen-Anhalt
hat sich, was die dpa zuerst meldete und
Mainz bestätigt, enthalten. Das bedeutet,
dass man das Gesetzgebungsverfahren
nun in Gang setzt und die Landesparlamen-
te vorab unterrichtet. Interessant wird es
im Juni, wenn es ans Unterzeichnen des
Staatsvertrags geht, und im Herbst, wenn
die Landesparlamente zustimmen müs-
sen. Einen Rundfunkstaatsvertrag müssen
alle Länder unterzeichnen. Nach der
Rechtssprechung des Bundesverfassungs-
gerichts gibt es kaum Spielraum, von der
KEF-Empfehlung abzuweichen. Falls
doch, dürften die Sender klagen. sz

Wenn Bezahlspiele


frei zu sehen sind, wankt


das Geschäftsmodell


von benedikt peters

J


uan Guaidó ist 36 Jahre alt, und er
weiß um die Wirkung des Internets.
Unzählige Videobotschaften hat der
venezolanische Oppositionsführer schon
ins Netz gestellt; sie zeigen ihn auf Kundge-
bungen, auf denen er die Fäuste schüttelt
und energische Reden hält. Guaidó sagt
dann, dass bald der Moment gekommen
sei, in dem er und seine Leute endlich die
Macht in Venezuela übernähmen.

Bisher sind seine Versuche aber immer
gescheitert. Guaidós Protestbewegung
konnte nie den nötigen Schwung entwi-
ckeln, um den despotisch regierenden
Machthaber Maduro aus dem Amt zu ja-
gen – und das, obwohl die Zustände in Ve-
nezuela seit Jahren verheerend sind. Es
fehlt an Medikamenten und Nahrungsmit-
teln, viele Menschen leiden Hunger, 4,5
Millionen Venezolaner haben nach Anga-
ben der Vereinten Nationen inzwischen
das Land verlassen.
Als Schlüssel für die Erfolglosigkeit Gu-
aidós gilt, dass er es nicht vermochte, die
Armee auf seine Seite zu ziehen; sie hält
Maduro bis heute die Treue. Eine Studie
fügt dieser Erklärung nun ein weiteres Puz-
zleteil hinzu. Sie zeigt, dass die Regierung
Maduros systematisch versucht, den Pro-
test über Internetbeschränkungen kleinzu-

halten – und damit durchaus Erfolg hat.
Die Nichtregierungsorganisation Net-
blocks überwacht Cybersicherheit und
Netzblockaden im Internet und hat ge-
meinsam mit Protonmail, einem Anbieter
für verschlüsselte Mails, ermittelt, dass
die venezolanische Regierung 2019 immer
wieder Internetseiten blockieren ließ – so
häufig wie keine andere Regierung der
Welt. Betroffen waren davon vor allem
Streamingdienste und soziale Netzwerke
wie Twitter, Periscope, Instagram, Face-
book und Youtube.
Die Studie, über die die spanische Zei-
tungEl Paísvorab berichtete, zeigt, dass
die Dienste immer dann abgestellt wur-
den, wenn die venezolanische Opposition
versuchte, Aufrufe zu Protesten ins Netz zu
stellen. Später dann wurden die Seiten wie-
der freigegeben, möglicherweise auch, da-
mit das Maduro-Lager eigene Propaganda
verbreiten konnte. Die Praxis begann dem-
nach im Januar 2019, exakt zu der Zeit, als
der Machtkampf zwischen Maduro und
Guaidó ausbrach. Letzterer hatte sich am


  1. Januar zum rechtmäßigen Präsidenten
    ausgerufen; Maduro warf er vor, nur durch
    Wahlbetrug und Unterdrückung der Bevöl-
    kerung der Macht zu bleiben. In dieser Zeit
    ließ Maduro der Studie zufolge auch die Wi-
    kipedia-Seite über den Eintrag „Venezola-
    nischer Präsident“ blockieren – als dort zu
    lesen war, dass das Land zwei Staatschefs
    habe, die um die Macht stritten.
    Die Blockaden blieben nicht auf die
    Statements der venezolanischen Oppositi-
    on beschränkt. Kurz nach Guaidós Selbst-
    ausrufung zum Präsidenten hatten viele


Staaten erklärt, den Oppositionschef zu un-
terstützen. Am lautstärksten die USA, die
sogar mehrfach mit einer Invasion in Vene-
zuela drohten. Daraufhin ließ die Maduro-
Regierung die Streamingdienste auch wäh-
rend Reden von US-Politikern sperren, et-
wa von Vizepräsident Mike Pence und Au-
ßenminister Mike Pompeo. Die Blockaden
erreichten einen Höhepunkt im Mai 2019 –
als der Erfolg für Guaidó zum Greifen nahe
schien. Er hatte trotz aller Widrigkeiten
Millionen Venezolaner auf die Straße ge-
bracht. Außerdem hatte er die Armee auf-

gerufen, zu ihm überzulaufen – per Inter-
netvideo. Einige Soldaten wechselten dar-
aufhin die Seite, aber nicht genug, der Pro-
test verebbte. Die Frage, die die Netblocks-
Untersuchung nun aufwirft, ist, wie viele
Armeeangehörige Guaidós Video über-
haupt gesehen haben. Venezuela ist nicht
die einzige Regierung, die immer wieder In-
ternetseiten und soziale Netzwerke blo-
ckieren lässt. Ähnliches gab es Netblocks
zufolge bei den Protesten 2019 im Sudan,
in Algerien und in Kasachstan. In Staaten
wie China ist die Zensur demnach noch um-
fassender, etwa in China, funktioniere
aber nicht über zeitweise Blockaden, son-
dern über eine Firewall, die nahezu alle aus-
ländischen Dienste und kritischen Seiten
dauerhaft lahmlegt. China hat seine eigene
soziale Netzwerke und Apps geschaffen,
die es lückenlos kontrollieren kann. Weni-
ger mächtige Staaten haben für so etwas
oft nicht die technischen Möglichkeiten.
Die Netblocks-Studie ist ein neuer Beleg
dafür, wie schlecht es um die Meinungsfrei-
heit in Venezuela bestellt ist. Kritische Jour-
nalisten werden dort verfolgt und einge-
sperrt, die Webseiten einiger kritischer
Newsportale sind dauerhaft blockiert. Auf
dem Pressefreiheits-Index von Reporter
ohne Grenzen liegt Venezuela auf Platz 148
von 180 Ländern. Die Proteste gegen die Re-
gierung werden zudem immer wieder rück-
sichtslos niedergeknüppelt.
Guaidó will trotzdem weitermachen,
auch in dieser Woche veröffentlichte er wie-
der Videos von Demons und politischen Re-
den auf Twitter. Die meisten Venezolaner
aber bleiben längst frustriert zu Hause.

Statt Stadion


Warum Sky einen Ausschnitt
der Bundesliga gratis zeigt

Ohne Aussprache


Länderchefs stimmen für neuen
Rundfunkbeitrag – eine Enthaltung

Vier junge Erwachsene quetschen sich in ei-
ne graffitibeschmierte Klokabine, kristalle-
nes Pulver zerknackt unter einer Kredit-
karte, für jeden eine Line, im Hintergrund
dröhnt der Bass durch den dreckigen
Raum. Dann zurück auf die Tanzfläche,
T-Shirts fallen, ekstatischer Tanz zu häm-
mernder Elektromusik. So beginnt der
Film9 Tage wach, und so viel vorweg: Die
große Party endet nicht gut.
Der Morgen danach. Eric Stehfest (Jan-
nik Schümann) muss erst mal runterkom-
men von den Drogen, sein bester Freund
(Matti Schmidt-Schaller) verliert die Kon-
trolle über seinen Darm, alle lachen. Spä-
ter wird es Eric sein, der in seinem eigenen
Kot liegend in einer Entzugsklinik abge-
duscht wird. Nur lacht dann keiner mehr.
9 Tage wacherzählt die wahre Geschich-
te des Schauspielers Eric Stehfest, bekannt
geworden durch seine Rolle als Chris Leh-
mann in der Fernsehsoap Gute Zeiten,
schlechte Zeiten. 2015 bekannte er sich zu
seiner jahrelangen Crystal-Meth-Sucht,
2017 veröffentlicht er seine Biografie –
jetzt wurde sie verfilmt. Und man kann
sagen: Sie beschönigt nicht.
Erzählt wird unter der Regie von Dami-
an John Harper nur ein kleiner Teil Steh-
fests zehnjähriger Suchtgeschichte, von
seinen ausgiebigen Partynächten in der
Heimatstadt Dresden, von seinem Schau-
spielstudium, das alles verändern soll, sei-
nen Versuchen, clean zu werden, seinen
Rückfällen, unter denen seine ganze Fami-
lie und seine Beziehung leidet. Jannik Schü-
mann versucht, mit rasiertem Kopf und
etwas abgemagerter als sonst, in den knap-
pen zwei Stunden den Zerfall von Stehfests
Körper und Persönlichkeit darzustellen –
das gelingt nicht immer. Besonders am An-
fang kauft man ihm den Junkie nicht ab –

zu weit die Augen nach jedem Konsum auf-
gerissen, zu klischeehaft sein Spiel der Dro-
genabhängigkeit. Dann aber, nach den ers-
ten persönlichen Rückschritten der Figur,
finden Schümann und Stehfest zueinan-
der: Die Momente, in denen er realisiert,
wie sehr er andere mit seiner Sucht belas-
tet, die kläglichen Versuche, sich zu ent-
schuldigen und die Erkenntnis über die
Macht, die die Drogen über sein Leben ha-
ben – das alles klingt lange nach. „Wenn
ich’s nehme, dann fühl ich mich wie Jesus
und der Terminator gleichzeitig“, sagt er
ganz leise in der Entzugsklinik. Wissend,
dass ihm schwere Zeiten bevorstehen.

Dass Damian John Harper eine unge-
wöhnliche Wahl für die Regie dieser Eigen-
produktion von ProSieben ist, zeigt die
Bildsprache von9 Tage Wach. Dynami-
sche, verwackelte Aufnahmen begleiten
die Figur, wie in einem Rausch. Oft wirkt
es, als liege ein grau-blauer Filter über den
Bildern, die ganz und gar nicht nach roman-
tisiertem Fernsehfilm aussehen. Ähnlich
wie in seinem vorherigen KinofilmIn the
Middle of the Rivergelingt es Harper, be-
sonders düstere, gewaltige Szenen aus der
Entzugsklinik oder in Stehfests Familie
einzufangen – wenn Eric nach einem tage-
langen Rausch mit Verfolgungswahn auf
die Türe seiner Mutter (Heike Makatsch)
einhämmert, und sie sie mit aller Kraft ver-
schlossen halten muss. nina mohs

9 Tage wach,Pro Sieben, Sonntag um 20.15 Uhr,
und bei Joyn

Und jetzt für alle? Die Übertragung der
Fußball-Bundesliga. FOTO: IMAGO


DEFGH Nr. 61, Freitag, 13. März 2020 (^) MEDIEN HF2 35
Mit einer Rolle in „GZSZ“ wurde
der Schauspieler Stehfest bekannt.
2015 sprach er über seine Sucht
Weiß um die Wirkmacht von Video-
botschaften im Internet: Juan Guaidó, 36
Jahre alt. FOTO: AFP
Nicht verfügbar
Nirgendwo auf der Welt hat eine Regierung 2019 so viele Internetseiten blockiert wie in
Venezuela, heißt es in einer Untersuchung. Über die Auswirkungen eines politischen Machtkampfs
Vor dem Absturz: Für Jannik Schümann (rechts) als Eric Stehfest ist die Party bald vorbei. FOTO: STEPHANIE KULBACH
Wie Jesus und Terminator
EinFilm über Rausch und Entzug des Eric Stehfest
Betroffen waren vor allem
Streamingdienste und
soziale Netzwerke
9
9
37
9
6
82
5
6
4
1
3
Lösungen vom Donnerstag
SZ-RÄTSEL
23 798
3542 897
243 98 76
43 87965
12 98 54
8976 21
67 4312
798 5346
87 54 23
1
63
5
9
64359 8271
5213 7 6489
9784 1 2563
2351648 97
41 98576 32
8 6 72391 45
75264 3918
1947 8 5326
38692 1754
Die Ziffern 1 bis 9 dürfen pro Spalte und Zeile
nureinmal vorkommen. Zusammenhängende
weiße Felder sind so auszufüllen, dass sie nur
aufeinanderfolgende Zahlen enthalten (Stra-
ße), deren Reihenfolge ist aber beliebig. Weiße
Ziffern in schwarzen Feldern gehören zu kei-
ner Straße, sie blockieren diese Zahlen aber in
der Spalte und Zeile (www.sz-shop.de/str8ts).
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Schwedenrätsel Sudokumittelschwer
3 2
1
7 9 4 3 5
2 5
6 7 5 4
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4 9
8 5
8 6 4 1 2
Str8ts: So geht’s
Str8tsschwer

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