der »Black History Trail«, Haus für Haus abarbeitend, er-
zählt von den Sklaven, die den Aufstieg der Einwanderer
möglich machten.
Und dann, im Sommer 2019, rücken die Kandidaten an.
Beto O’Rourke, ungestümer Wahlkämpfer, der im streng
rechten Texas beinahe demokratischer Senator geworden
wäre und mit dem Satz »I was born to be in this« in das
Rennen um die Präsidentschaft gestartet ist, kommt ins
Café Pop overs am Market Square, stellt sich auf eine Kiste
und fuchtelt mit den Armen. Ein Präsident? Er ist jung,
Mitte 40, fängt erst an, mal sehen.
Kirsten Gillibrand ist die Nächste, Juristin und Senato-
rin aus New York, wir treffen sie im Garten der Familie
Norelli, 198 Thaxter Road. Im creme weißen Kleid und
im Schatten der Bäume steht die Senatorin da, berichtet,
dass sie immer schon Außenseiterin unter ruppigen Kerlen
gewesen sei und alle geschlagen habe, und sie betrachtet
meinen Sohn, fragt: »And who is this guy?«, und er gluckst,
giggelt und würde sie wählen. Ich nun auch.
Es sind wundervoll politische Wochen. Joe Biden, 77 Jahre
alt und einst Barack Obamas Vizepräsident, erscheint und
ist doch der Einzige, der nicht wirklich da ist. Biden tritt
auf Bühnen und schnell wieder ab, schüttelt hinterher eilig
Hände, eilt fort, denn er scheint Angst vor Fehlern zu ha-
ben. Und macht sie dann.
An einem Samstagmorgen tritt er auf die Veranda der
Familie Delfino in Atkinson, das blaue Hemd offen, die
Ärmel hochgekrempelt, und sagt, dass er als Vizepräsident
unter Barack Obama mit drei Nationen verhandelt habe,
doch nur Guatemala und El Salvador fallen ihm ein, was
war noch mal das dritte Land? »Never mind«, sagt er und
dann, dass er uns nicht so lange in der Sonne stehen las-
sen wolle, »thank you, goodbye«, aber wir stehen eigentlich
deshalb seit Stunden in der Sonne, weil wir mehr von Joe
Biden erfahren wollten.
Ein Präsident? No way, denke ich, aber Biden hält sich in
den Umfragen an der Spitze, und vielleicht genügt es ja, im
kleinen Portsmouth vergnügt mit unseren Nachbarn Eis zu
essen und nach Londonderry weiterzufahren und dort in
der Scheune einer Apfelplantage fünf Minuten lang wuch-
tig auf Donald Trump zu schimpfen. Oder: Vielleicht wird
es genügen, erkannt und für nett gehalten zu werden. Viele
Amerikaner sind erschöpft von den lauten Zeiten, wollen
Erholung, Stabilität und nicht viel mehr als das; vielleicht
führt Joe Biden deshalb in allen Umfragen.
Im Landesinnern dann, zwei Stunden von Portsmouth
entfernt, wohnen die DiMartinos. Groß sind die Grund-
stücke hier, wenige Menschen und viel Fläche, alles ganz
schön grün, weit und ruhig. An diesem Sommersonntag
jedoch gibt es eine Wahlparty, viele Hundert Meter lang
sind die Schlangen, die Leute kreischen und drängeln, und
der Garten der Familie DiMartino wird zur Arena.
Kamala Harris erscheint, ehemalige Generalstaatsanwältin
Kaliforniens und nun Senatorin. In blauem Blazer, weißer
Hose, weißen Leinenturnschuhen macht sie zuerst Witze
über sich selbst und lacht dreckig darüber. Dann scherzt
sie über Trump, über Biden und lacht noch dreckiger, und
so kann man sich täuschen: Ich erlebe, wie Rednerin und
Publikum eins werden in einem politischen Rausch, und
danach tippe ich, dass Kamala Harris die nächste Präsiden-
tin sein wird – aber noch ehe das Jahr endet, wird sie ihre
Kampagne be endet haben, weil diese miserabel geführt
und organisiert war. (Und auch O’Rourke und Gillibrand
werden kleinlaut aufgegeben haben.)
Wir folgen nun Bernie Sanders durch New Hamp shire, wie
Biden bald achtzig Jahre alt, und sind überrascht von sei-
nem Witz, seiner Präsenz – die Nähe, die in diesem inten-
siven Wahlkampf auf engstem Raum entsteht, besiegt alle
Vorurteile. Bislang war Sanders, der Senator aus Vermont,
für mich ein sauertöpfisch mit dem Zeigefinger fuchtelnder
Opa; er erinnerte mich an den Hexenmeister Catweazle,
Zauberer meiner Kindheit. Doch nein, Bernie Sanders ist
ernsthaft, kämpferisch, ein gebildeter Mann zweifellos auch.
Wir lauschen Elizabeth Warren in der University of New
Hamp shire. Warren macht weniger Veranstaltungen pro
Tag als ihre Gegner, da sie länger bleibt: Am Ende nimmt
sie sich Zeit für kurze Gespräche und vor allem für Fotos
mit allen, die eines haben wollen, und das kann StundenLinks: Verwittertes Haus in Moultonborough. Rechts: Besteck in einem Diner in New Hampton32