D
ass man Pupsgeruch in
Flaschen kaufen kann, war
ein Glücksfall – zumindest
für die Forscher. Wenn
ihre Probanden geahnt
hätten, was auf sie zu-
kommt, hätten viele wohl nicht am Experi-
ment teilgenommen. Angeblich sollte es
um finanzielle Entscheidungen gehen. Und
vordergründig stimmte das auch. Die Pro-
banden sollten entscheiden, wie viel Geld
sie einer fremden Person geben. In Wahr-
heit aber trieben die Psychologen Spike Lee
und Norbert Schwarz einen üblen Schaber-
nack mit ihnen. Sie sprühten den Gang ein,
auf dem die Experimente stattfanden: mal
mit Furzspray, mal mit Fischöl oder – wenn
man Glück hatte – nur mit Wasser.
We n n Wi s s e n s c h a f t l e r Fu r z s p r a y e i n-
setzen, muss es um das Innerste der mensch-
lichen Psyche gehen. Aber das wussten die
Probanden nicht. Ihnen drückte man fünf
Dollar in kleinen Münzen in die Hand und
ließ sie in einer – zumeist stinkenden – Ecke
sitzen. Neben ihnen saß ein Unbekannter.
Nun mussten die Probanden entscheiden, ob
sie diesem Fremden etwas von ihrem Geld
abgeben. Die Motivation: Jeder verschenkte
Betrag wurde vervierfacht. Der Fremde hatte
dann die Gelegenheit, sich zu revanchieren
und etwas zurückzugeben. Wer sich auf den
anderen verlässt, kann von ihm umso mehr
zurückbekommen. So erhalten beide eine
schöne Summe. Wehe aber, wenn der Erste
großzügig spendet und der Zweite alles für
sich behält. Es ist also eine Frage des Ver-
trauens: Halte ich mein Gegenüber für einen
netten Kerl oder für einen Egoisten?
Die Probanden saßen alle demselben
Fremden gegenüber: einem Komplizen der
Forscher. Unterschiedlich war nur der Ge-
ruch, der in der Luft lag. Manche rochen
eben Pups, andere ein Gemisch aus zer-
stäubtem Anchovis- und Sardinenöl. Und
wieder andere rochen nichts dergleichen, weil
nur Wasser versprüht worden war. Machte
das einen Unterschied für ihre Entscheidung?
Und ob! Nur bei einem einzigen Ge-
ruch waren die Probanden besonders knau-
serig und gaben dem Fremden im Schnitt
25 Prozent weniger Geld. Offenbar ver-
trauten sie ihm weniger. Welcher Geruch
vermag Menschen so zu beeinflussen? Der
Furzgestank war es nicht. Der diente nur als
Kontrollbedingung (und vermutlich zur Be-
lustigung der Forscher). Was die Probanden
misstrauisch machte, war der Fischgeruch.
Genau das hatten die Forscher aus To-
ronto und Michigan vermutet. Im Eng-
lischen sagt man »smells fishy«, wenn etwas
verdächtig erscheint. Lee und Schwarz
wollten testen, ob die Metapher eine Ent-
sprechung in der realen Welt hat – ob Men-
schen wirklich misstrauisch werden, wenn
es nach Fisch riecht. Das Experiment scheint
dies zu bestätigen. Auch auf Trickfragen fallen
Menschen nicht so leicht herein, wenn es
nach Fisch riecht. Die Forscher sehen dies
als Beleg dafür, dass Metaphern nicht bloß
sprachlicher Schmuck sind, sondern Aus-
druck dafür, wie eng gedankliche Konzepte
mit physischen Erfahrungen verbunden sind.
Dass strenger Geruch einer eventuell
verdorbenen Speise Menschen skeptisch
macht, ist evolutionär sinnvoll. In vielen
Sprachen wird Argwohn mit Gestank in Ver-
bindung gebracht, allerdings nicht immer
mit Fisch. Im Deutschen »ist etwas faul« oder
»stinkt zum Himmel«. Wer weiß, vielleicht
wäre das Experiment mit dem Pupsspray
hierzulande anders ausgegangen. —
DA S E X PE R I M E N T
Psychologen ergründen das menschliche Wesen mit ungewöhnlichen
Versuchsanordnungen. Diesmal: Verdächtige Gerüche
Text Claudia Wüstenhagen Illustration Jean-Michel Tixier
Was stinkt hier so?