Handelsblatt - 17.02.2020

(Ann) #1

Industriekonzern


Thyssen-Krupp streicht mehr Stellen


Zum bislang geplanten


Jobabbau in der Stahlsparte


kommen 800 Stellen hinzu.


Die IG Metall spricht von


Managementfehlern.


Kevin Knitterscheidt Düsseldorf


F


ür die Mitarbeiter der Stahl -
sparte von Thyssen-Krupp
kehrt nach der plötzlichen
Abberufung von Spartenchef Premal
Desai vor wenigen Tagen keine Ruhe
ein. Wie Desais Nachfolger Bernd
Osburg den Mitarbeitern am Freitag
in einem Brief an die Mitarbeiter
mitteilte, kommen zum bislang ge-
planten Abbau von 2 000 Stellen
noch einmal 800 dazu.
„Wenn wir die Strategie wie ge-
plant umsetzen, wird es zur Schlie-
ßung einzelner Aggregate und damit
zur Verlagerung und dem Entfall
von Arbeitsplätzen kommen“, heißt
es in dem Schreiben, das dem Han-
delsblatt vorliegt. „Dies wäre dann
allerdings erst ab 2025 der Fall und
hat nichts mit den jetzt anstehenden
Maßnahmen zu tun“, so Osburg.
Damit gemeint ist der Abbau von
rund 1 000 Stellen in der Verwal-
tung, weiteren 200 in der Logistik
sowie der Wegfall von weiteren 800
Stellen in der Grobblechproduktion.
Der Bereich gilt seit Längerem als
Sorgenkind und soll verkauft wer-
den. Gelingt das bis zum Sommer
nicht, steht das Werk in Duisburg-
Hüttenheim vor der Schließung.


Die IG Metall wehrt sich gegen das
Ende des Standorts. So erklärte
NRW-Bezirksleiter Knut Giesler dem
Handelsblatt auf Anfrage: „Die Ma-
nagementfehler der letzten Jahre
dürfen nicht den Menschen auf den
Deckel geschrieben werden.“ Sie sei-
en nicht verantwortlich dafür, dass
im Stahlbereich die nötigen Investi-
tionen unterlassen, Innovationen
vernachlässigt und Strategien stän-
dig gewechselt worden seien.
Die Gewerkschaft fordert, betriebs-
bedingte Kündigungen bis 2030 aus-
zuschließen. Derzeit verhandelt die
IG Metall mit dem Management über
einen neuen Tarifvertrag, nachdem
die Stahlfusion mit dem Europa-Ge-
schäft des indischen Konkurrenten
Tata gescheitert war.
Gemeinsam mit seinem Vorgänger
Desai und Technologiechef Arndt
Köfler arbeitete Osburg eine neue
Strategie aus, die darauf abzielt, den
produzierten Stahl in höherem Ma-
ße weiterzuverarbeiten, um vor al-
lem der Automobilindustrie margen-
stärkere Produkte anbieten zu kön-
nen. Teil dessen sind Investitionen


in Höhe von 800 Millionen Euro
über die nächsten fünf bis sechs Jah-
re, zuzüglich zu jährlichen Instand-
haltungskosten von rund 500 Millio-
nen Euro.

Schlechte Aussichten
Bereits bei der Hauptversammlung
Ende Januar hatte Konzernchefin
Martina Merz betont, dass die Spar-
ten des Ruhrkonzerns ihre Kapital-
kosten künftig selbst verdienen
müssten. Der Stahlbereich hat es da-
bei derzeit besonders schwer, da die
zyklische Industrie inmitten einer
Abwärtsbewegung steckt.
Der Strukturwandel in der Autoin-
dustrie, die globalen Handelskonflik-
te und nun auch das Coronavirus
lasten derzeit schwer auf den Aus-
sichten der Stahlbranche. Diese Ent-

wicklung macht auch vor der Pro-
duktion in Duisburg nicht halt, die
mit einem Umsatzanteil von mehr
als 90 Prozent besonders stark von
der Autoindustrie abhängig ist.
Im ersten Quartal, das im Dezem-
ber endete, fuhr die Stahlsparte so
einen operativen Verlust von 166
Millionen Euro (Ebit) ein. Es ist der-
zeit das schwächste Geschäft von
Thyssen-Krupp – soll aber nach dem
geplanten Verkauf der Aufzugsparte,
des Anlagenbaus und von Teilen der
Autozuliefersparte das neue Kernge-
schäft des Ruhrkonzerns werden.
Eine erste Entscheidung über die
Aufzugsparte wird in den kommen-
den Tagen erwartet. So sind derzeit
noch vier Bieter im Rennen, darun-
ter mehrere Konsortien von Finanz-
investoren sowie der finnische Auf-

zughersteller Kone. Bis zu 17 Milliar-
den Euro bieten die Interessenten.
Möglich ist auch, dass Thyssen-
Krupp sich nur teilweise von dem
Geschäft trennt – oder einen Min-
derheitsanteil davon an die Börse
bringt.
Mit dem Erlös will Vorstandsche-
fin Merz die Bilanz des Industriekon-
zerns entschulden und die milliar-
denschweren Pensionsverpflichtun-
gen teilweise decken. Was übrig
bleibt, soll in Form von Investitionen
in die verbleibenden Geschäfte flie-
ßen, die künftig stärker um die Gel-
der konkurrieren sollen. Eine Aus-
schüttung an die Aktionäre sowie ei-
nen Aktienrückkauf hatte der
Vorstand in der Vergangenheit
mehrfach ausgeschlossen, ebenso
wie die IG Metall.

166


MILLIONEN
Euro Verlust (Ebit) fuhr
die Stahlsparte im ersten
Quartal ein.

Quelle: Unternehmen






        
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MONTAG, 17. FEBRUAR 2020, NR. 33
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