Handelsblatt - 17.02.2020

(Ann) #1

sich Jonny Fresh und Waschmal fokus-
siert und dann gibt es noch das Mo-
dell mit dem Paketversand, auf den
sich Persil Service spezialisiert hat.
Der Deutsche Textilreinigungs-Ver-
band e. V. (DTV) sieht die beiden
Start-ups Waschmal und Jonny Fresh
nicht so kritisch, weil sie ja mit loka-
len Betrieben kooperieren. Persil Ser-
vice dagegen wird nicht nur von der
deutschen Umwelthilfe (DUH) kriti-
siert, weil die Klimaneutralität nur
durch Kompensation erreicht würde,
und die Pakete zu einer zentralen
Wäscherei gesendet werden müss-
ten, sondern auch vom Branchenver-
band DTV, der der Argumentation
der DUH folgt.


Für neue Kundengruppen
sichtbar


Konfrontiert mit der Kritik äußert sich
Henkel so, dass man aktuell mit über
35 lokalen Partnerbetrieben zusam-
menarbeite. Um die Nachhaltigkeit zu
verbessern, würden Wäschebeutel
und Kartons wiederverwendbar sein.
Die Kompensation bei DHL Go Green
sei aber richtig, und schaffe Klima-
neutralität.
Im Rahmen der Kooperation mit
Handelsunternehmen wie Rewe oder
dm werden die Start-ups sichtbarer
für eine größere Kundengruppe. Das
empfindet auch der Branchenver-
band DTV als positiv. Denn bislang
hatte der große Durchbruch im On-
linegeschäft der Textilreinigungen auf


sich warten lassen. Mit Rewe und dm
steigt die Visibilität. „Durch den
Markteintritt der beiden neuen Player
könnte sich die Dynamik nun än-
dern“, heißt es im Verband.
Inzwischen ist es in vielen Rewe-Su-
permärkten in der Region Köln,
Bonn, Düsseldorf möglich, via Wasch-
mal schmutzige Wäsche abzugeben
und frühmorgens oder spätabends
wieder abzuholen. Büssemaker gibt
sich optimistisch, was die Kooperatio-
nen mit den jeweiligen Handelsfir-
men betrifft.
Über den Waschmal-Firmenservice
sei man in Kontakt mit Rewe gekom-
men und so entstand die Idee, auch
Rewe-Märkte zur Annahmestelle für
Waschmal zu machen. Zunächst teste-
ten die Unternehmen in drei Märk-
ten, weiteten das aber rasch aus.
„Das Feedback der Kunden aus der
Kooperation mit Rewe ist überragend
gut. Wir sehen, es funktioniert“, so
Büssemaker. Die Kunden schätzten
insbesondere die langen Öffnungszei-
ten, die es ihnen erlauben, auch nach
Dienstschluss noch Wäsche wegzu-
bringen oder abzuholen.
Rewe zieht ebenfalls ein positives
Zwischenfazit: „Die Zusammenarbeit
mit Waschmal ist unkompliziert und
gut“, bemerkt ein Rewe-Sprecher.
„Im Zuge unserer ,One-Stop-Shop-
ping‘-Strategie wollen wir in den
nächsten Monaten testen, wie dieser
zusätzliche Service in unseren Märk-
ten angenommen wird“, erklärt er.

Die Partner haben gerade erst 20 wei-
tere Läden angeschlossen und damit
das Netz in der Region Bonn, Köln,
Düsseldorf auf 46 Märkte ausgebaut.
Zehn weitere Standorte sind in der
Planung. Jedem Geschäft ist eine feste
Wäscherei zugeordnet, die sich um
Logistik und Reinigung kümmert.
Gründer Büssemaker, der mittler-
weile 15 Mitarbeiter beschäftigt, denkt
aber längst über die Rewe-Kooperati-
on hinaus. „Wir sind voll auf Wachs-
tumskurs und sind deshalb offen für
weitere Investoren“, sagt der 33-Jähri-
ge. „Wir checken gerade den Kapital-
bedarf für unsere Wachstumsziele.“
Dass die Start-ups ganz gute Chan-
cen haben, liegt nicht nur an den neu-
en Kooperationspartnern aus dem
Handel, sondern auch an den finanz-
starken Familienunternehmen die
hinter den Start-ups stehen. Schließ-
lich ist das Potenzial des Marktes
nicht klein. Insgesamt auf 4,5 Milliar-
den Euro schätzt der DTV den Jahres-
umsatz der gesamten Textil-Dienst-
leistungsbranche.
So kam bei Stefan Büssemaker von
Waschmal der entscheidende Mo-
ment im Winter 2017, als der Investor
Miele Ventures ihn ansprach. Inzwi-
schen hält Miele Ventures 53 Prozent
an Waschmal und gibt sich sehr zu-
frieden. Das Ziel, so heißt es bei Mie-
le, sei, dass Waschmal in allen Städten
ab 20 000 Einwohner aktiv werden
würde.
Jonny Fresh kommt wie Waschmal
aus dem Privatkundengeschäft. Kern-
kompetenz ist besonders die flexible
Logistik und dynamische Routenopti-
mierung. Weil die Kunden vor allem
frühmorgens und nachmittags ange-
fahren werden wollten, entdeckte
Jonny Fresh Firmenkunden, Arztpra-
xen, Labore und Gaststätten als zu-
sätzliches Geschäft, dann kam der Bü-
roservice dazu. Der Grund: Die Aus-
lieferungsfahrer waren zwar früh
morgens und nachmittags gut ausge-
lastet, aber in der Zwischenzeit gab es
Leerlauf, erklärt Michaelis.
Bei Jonny fresh arbeiten 40 Mitar-
beiter, die rund 70 Fahrer sind bei
den meist etwas größeren Reinigun-
gen und Wäschereien angestellt. „In
vielen Städten arbeiten wir schon
profitabel, das gesamte Netz-
werk wird in den nächsten 24
Monaten folgen“ sagt Michae-

lis. Jonny Fresh konnte ebenfalls pro-
minente Investoren anlocken. Engel-
hardt Kaupp Kiefer war der erste In-
vestor, dann stieg Lightfield Equity
von Jan Philippiak ein, der als Gesell-
schafter im Beirat des Ventilatoren-
herstellers EBM Papst sitzt. Auch das
Familienunternehmen Haniel hat sich
über die Hygiene-Tochter CWS an Jon-
ny Fresh mit inzwischen 16 Prozent
beteiligt. Adriana Nuneva, Digitalche-
fin von CWS, sieht Jonny Fresh auf
„einem guten Weg, vor allem nach-
dem Jonny Fresh den Konkurrenten
ZipJet übernommen hat“.
Jonny fresh kooperiert darüber hi-
naus seit Ende 2019 deutschlandweit
mit dem Volkswagen Dienst „We Deli-
ver“. Bei CWS wolle man vor allem
von Jonny Fresh Einblicke in die Me-
chanismen der Plattformökonomie
gewinnen. CWS ist selbst im Markt für
die Aufbereitung von Arbeitskleidung
aktiv und so kooperieren Jonny Fresh
und CWS in dem Bereich.

Nachhaltigkeit gewinnt
an Bedeutung
Die Drogeriemarktkette dm testet der-
zeit das Angebot von Persil Service in
17 Filialen in Essen und München, wie
es da weitergeht, dazu schweigen die
Beteiligten bisher. Denn wie bei
Waschmal handelt es sich auch hier
um eine Pilotphase. Für Jonny-Fresh-
Mitgründer Michaelis ist die Koopera-
tion mit dem Handel daher nur ein
Spielfeld der Start-ups. „Noch ist
nicht klar, ob das langfristig der richti-
ge Weg ist.“
Klar ist aber, dass das Geschäftsmo-
dell mit einer Verzahnung von statio-
närem lokalem Geschäft und den
Plattformanbietern weitergehen wird
und die Reinigungen um die Ecke ir-
gendwann mehrheitlich wohl mit ei-
ner Plattform zusammenarbeiten
werden, zumal vor allem die jüngeren
Kunden, zahlungswillig, experimen-
tierfreudig und umweltbewusst sind.
Daher ist das nächste große Thema
für die Plattformbetreiber die Nach-
haltigkeit. „Die Frage der Wasserauf-
bereitung wird für Reinigungen im-
mer wichtiger“, beobachtet Büssema-
ker von Waschmal. „Da Wasser
immer knapper wird, brau-
chen wir Lösungen, wie wir
das Wasser effizient in den
Kreislauf zurückführen.“

Weniger Textilreiniger


Zahl der Wäschereien und Reinigungen
in Deutschland


Gesamtumsatz
der Branche

Beschäftigte

99 500


HANDELSBLATT Quellen: Deutscher Textilreinigungsverband, Destatis


2002

7 829

2010

6 010

2017

3 000

1 918

4 918

4,5
Mrd. €

Reinigungen

Wäschereien

Waschmal-Lieferant:
Die Abholung und
Reinigung der
Wäsche erledigen
selbstständige lokale
Wäschereien.

Rewe

Waschmal-Chef
Stefan Büssemaker:
„Das Feedback der
Kunden aus der
Kooperation mit Rewe
ist überragend gut.“

Xing

4


TAUSEND
Wäschereibetriebe
gibt es etwa noch
in Deutschland. Ein
schrumpfender Markt


  • im Jahr 2002 waren
    es noch knapp
    doppelt so viele.


Der deutsche Mittelstand
MONTAG, 17. FEBRUAR 2020, NR. 33
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