Handelsblatt - 17.02.2020

(Ann) #1
Katharina Schneider, Carsten
Volkery Frankfurt, London

D


er richtige Pass kann
Türen öffnen. Das gilt
für Urlauber, die im
Ausland ein Visum be-
antragen, das gilt für
Arbeitnehmer, die im Ausland einen
neuen Job antreten, und es gilt auch
für Finanz-Start-ups, die ihr Geschäft
auf andere Länder ausdehnen. An
der Grenze zwischen der Europäi-
schen Union und Großbritannien
wird die Passkontrolle im Zuge des
Brexits bald verschärft – das betrifft
auch „Pässe“ der Finanzaufsicht.
Doch während sich die deutsche
Smartphone-Bank N26 deshalb gera-
de von der Insel zurückzieht, neh-
men es die britischen Konkurrenten
gelassen. Sie haben der Problematik
bereits vorgebeugt oder verfolgen an-
dere Expansionsziele – aus betriebs-
wirtschaftlicher Sicht womöglich ei-
ne kluge Entscheidung. N26, das von
Investoren mit 3,5 Milliarden Dollar
am höchsten bewertete deutsche Fin-
tech, ist rasant gewachsen: Fünf Jah-
re nach dem Marktstart hat die junge
Bank heute Kunden aus 26 Ländern.
In Europa hat dabei die erleichterte
„Passkontrolle“ geholfen. Für den ge-
samten Europäischen Wirtschafts-
raum (EWR) – also die nun 27 EU-
Länder plus Island, Liechtenstein
und Norwegen – gilt: Wer in einem
dieser Länder eine Lizenz als Bank,
als E-Geldinstitut oder als Zahlungs-
institut hat, darf seine Dienstleistung
auch in den anderen Ländern anbie-
ten. Juristen sprechen von Dienstleis-
tungs- und Niederlassungsfreiheit
und bezeichnen das Verfahren als
„passporting“ – der „Pass“ – also die
Erlaubnis der nationalen Behörde –
wird in ein anderes Land übertragen.

Hohes Marktpotenzial
Zwischen der EU und Großbritan-
nien ist damit nun Schluss. Nach ak-
tuellem Stand gibt es noch eine Über-
gangsphase bis zum 31. Dezember
dieses Jahres, „danach benötigen bri-
tische Institute eine Erlaubnis in ei-
nem der EU-Mitgliedstaaten und um-
gekehrt“, sagt Frank Müller, Fachan-
walt für Bank- und Kapitalmarktrecht
in der auf die Finanzbranche speziali-
sierten Kanzlei Annerton. N26 hat
das jüngst zum Anlass genommen,
seinen Rückzug aus Großbritannien
zu verkünden. Der hohe Aufwand für
eine britische Lizenz stand offenbar
in keinem guten Verhältnis zum be-
grenzten Marktpotenzial.

Für die britischen Konkurrenten ist
eine EU-Lizenz dagegen ungleich in-
teressanter, sagt Peter Barkow, Grün-
der des Analysehauses Barkow Con-
sulting. „Schließlich erhalten sie da-
mit Zugang zu mehr als 450
Millionen Kunden, im Vergleich zu
nur 66 Millionen Briten.“ Insbesonde-

re das Marktpotenzial in Deutschland
wird nach Ansicht von Jürgen Moor-
mann, Professor für Bankmanage-
ment an der Frankfurt School of Fi-
nance & Management, von Anbietern
aus dem Ausland aber häufig überbe-
wertet: „Wir haben zwar eine starke
Wirtschaft, mehr als 80 Millionen

Einwohner und ein hohes Durch-
schnittseinkommen, aber es gibt hier
auch schon sehr viele Banken“, sagt
Moormann. „Und verglichen mit den
Angeboten von Direktbanken und
manchen Banking-Apps von Filial-
banken kann ich das Alleinstellungs-
merkmal von Smartphone-Banken
noch immer nicht erkennen.“
Der Anbieter Revolut fährt bisher
die aggressivste Wachstumsstrategie
unter den britischen Herausforde-
rern. Mit der Ankündigung: „Wir wol-
len die Party der traditionellen Ban-
ken beenden“ trat er im Herbst 2017
in den deutschen Markt ein. Dane-
ben ist das Angebot laut Revolut für
Kunden aus 35 weiteren Märkten, da-
von fünf außerhalb Europas, verfüg-
bar. Wie bei den Konkurrenten be-
deutet das jedoch nicht, dass das Un-
ternehmen in allen Ländern eine
Niederlassung hat. Auf Filialen mit
Ansprechpartnern für die Kunden
verzichten sie sowieso, haben aber in
den meisten Ländern auch keine Bü-
ros. Die Kunden scheinen dennoch
interessiert. Revolut hat nach eige-
nen Angaben mehr als acht Millionen
Kunden. Gegründet wurde die Firma
2015 von den ehemaligen Bankern
Nikolay Storonsky und Vlad Yatsen-
ko, die zunächst auf Kunden zielten,
die über Länder- und Währungsgren-
zen hinweg Geld transferieren wol-
len. Inzwischen wollen sie Revolut zu
einer globalen Bank machen. Aktuell
agiert Revolut nicht mit einer Bankli-
zenz, sondern nur mit E-Geldlizen-
zen aus Großbritannien und Litauen.
Zwar hat die Firma seit Ende 2018
auch eine Banklizenz in Litauen, aber
die wird entgegen zwischenzeitlichen
Ankündigungen noch nicht genutzt.
In diesem Jahr werde sie zunächst in
Litauen zum Einsatz kommen, teilte
Revolut auf Anfrage des Handels-
blatts mit. Aktuell gebe es noch keine
unmittelbaren Pläne, sie auch in an-
dere Länder zu übertragen. So oder
so scheint das Unternehmen für den
Brexit erst einmal gerüstet. Auch der
britische Wettbewerber Monese ist
mit einer E-Geldlizenz in Deutsch-
land aktiv, die Lizenz stammt aus Bel-
gien. Mit dieser beschränkten Erlaub-
nis dürfen die Unternehmen keine
Einlagen ihrer Kunden verwalten
und keine Kredite vergeben. Revolut
lässt die Kundeneinlagen im Hinter-
grund von den britischen Banken
Barclays und Lloyds verwahren. Mo-
nese gibt die kooperierenden Geld-
häuser nicht bekannt. Der Vorteil der
E-Geldlizenz ist, dass die Unterneh-
men weniger strenge Vorgaben der

Smartphone-Banken


N26-Konkurrenz


trotzt dem Brexit


Britische Smartphone-Banken wappnen sich mit


EU-Lizenzen – oder haben andere Expansionsziele.


Bankgeschäfte per
Smart phone: Die briti-
schen Anbieter Revolut,
Monzo und Starling sind
gut vorbereitet.
EyeEm/Getty Images [M]

Andreas Pein/laif

Valentin Stalf:
Der N26-Grün-
der zieht sich
mit seinem Un-
ternehmen aus
Großbritannien
zurück.

Deutsche Smartphonebank mit vielen Kunden
Britische Smartphonebanken im Vergleich zum deutschen Anbieter N26

Name
Revolut
Monzo
Monese
Starling
Tandem
N26

Bewertung
5,5
2,6

> 0,6

3,5

Mrd. US$*
Mrd. US$
k. A.
Mrd. US$
k. A.
Mrd. US$

Zahl der Kunden in Millionen
8,0
3,9
2,0
1,3
1,0
5,0

Letzte Finanzierungsrunde
2020
2019
2018
2020
2018
2019

HANDELSBLATT *Noch nicht bestätigt • Quellen: Unternehmen, eigene Recherche

500
150
60
78
80
470

Mio. US*
Mio. US
Mio. US
Mio. US
Mio. US
Mio. US

Finanzen & Börsen
MONTAG, 17. FEBRUAR 2020, NR. 33
32
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