Der Standard - 17.02.2020

(Nancy Kaufman) #1

DERSTANDARD Wirtschaft MONTAG,17. FEBRUAR 2020 | 11


E


rst Seenotrettung und EU-
Budget, nun die Schulden-
frage: ÖVP und Grüne sind
in der Europapolitik vielfach nicht
auf einer Linie. Jüngster Anlass ist
eine in Brüssel heißumstrittene
Frage. Sollen die Budgetregeln der
Union gelockert werden, um üp-
pigere Investitionen in den Klima-
schutz zu ermöglichen?
Derzeit setzt der Stabilitäts- und
Wachstumspakt der Spendier-
freudigkeit der Mitgliedsstaaten
Grenzen. Zum Sammelsurium der
Vorschriften und Mechanismen
zählen etwa die Regeln, dass die
Schuldenquote maximal 60 Pro-
zent und das strukturelle Defizit –
Konjunkturschwankungen her-
ausgerechnet–nicht mehr als 0,
Prozent der Wirtschaftsleistung
betragen sollen. Dieses enge Kor-
sett, sagen Kritiker, hindere die
Staaten, genug Geld in öffentli-
chen Verkehr oder moderne Tech-
nologien zu stecken.

Ruf nach grüner Regel
In der EU-Kommission stößt
diese Argumentation auf Ver-
ständnis. Einen konkreten Plan
gibt es noch nicht, aber immerhin
Überlegungen, das Regime zu lo-
ckern. Stabilität bleibe ein zentra-
les Ziel, sagt Kommissar Paolo
Gentiloni, „aber genauso dringend
ist, die immensen Investitionen
im Kampf gegen den Klimawandel
zu mobilisieren“. Eine Möglich-
keit böte eine sogenannte goldene
oder grüne Regel: Öko-Investitio-
nen wären per se von den Limits
ausgenommen. Dank niedriger
Zinsen könnten gerade Länder
wie Österreich auf Pump billiges
Geld flüssig machen.
Doch davon will der heimische
Finanzminister nichts wissen.
Wie das MagazinPoliticoberich-
tet, trafen sich in Wien bereits Mit-
te Jänner Vertreter von zwölf EU-
Staaten, um sich gegen den Plan
zu verabreden. Ende des Monats
preschte dann Ressortchef Gernot
Blümel in einem Interview mit der
Weltvor. Er sei für das komplette
Gegenteil, ließ der ÖVP-Politiker
wissen: Der Stabilitäts- und
Wachstumspakt gehöre ver-
schärft, weil sich die Eurostaaten
nicht daran gehalten hätten. Statt
neuer Ausnahmen brauche es
strengere Sanktionen.
Der Koalitionspartner findet
sich in dieser Festlegung kein
bisschen wieder. „Natürlich sind
die Grünen für den Vorschlag, die
Schulden- und Defizitregeln zu lo-
ckern“, sagt Europasprecher Mi-
chel Reimon: „Klimaschutz
braucht in den nächsten zehn Jah-

ren massive Investitionen, und die
dürfen nicht in ein etwaiges Null-
defizit reingerechnet werden. Die-
ses kann nur für den Rest des Bud-
gets gelten. So steht’s auch im Re-
gierungsprogramm, und so wer-
den wir das machen.“
„Eine goldene Investitionsregel
wäre sehr sinnvoll“, schließt sich
der Abgeordnete Markus Koza an,
der eine solche–wie auch die
Arbeiterkammer –amliebsten
nicht nur auf den Klimaschutz an-
wenden würde, sondern auch auf
andere Bereiche wie die Bildung.
Bei der Kritik am Schulden-
machen werde übersehen, dass da-
mit ja Werte für die künftigen Ge-
nerationen geschaffen würden, ar-
gumentiert er–eben eine intakte
Umwelt oder taugliche Schulen.
Umweltministerin Leonore Ge-
wessler (Grüne) wollte auf
STANDARD-Anfrage auf die kon-
krete Causa nicht eingehen, hält
aber allgemein fest: „Wir haben
uns in den Regierungsverhand-
lungen in Österreich dazu be-
kannt, dass die Finanzierung von
Klimaschutzmaßnahmen jeden-
falls sichergestellt ist.“ Tatsäch-
lich stellt der türkis-grüne Pakt das
Nulldefizit nicht nur unter Kon-
junkturvorbehalt. Festgeschrieben
ist auch, dass die „notwendigen“
Klima- und Zukunftsinvestitionen
„unabhängig“ vom Ziel des Schul-
denabbaus sichergestellt werden
müssen. Fragt sich halt nur, was
die Koalitionsparteien jeweils
unter „notwendig“ verstehen.
Hinter den Kulissen versuchen
die Grünen eine gemeinsame Li-
nie mit der ÖVP zu finden. Ob das
fruchtet, könnte sich bereits am
Montag zeigen, wenn Blümel Ös-
terreich beim Treffen der Euro-
gruppe vertritt. Dabei soll es auch
um die Budgetregeln gehen.

Atomkraft als Klimaschoner
Abgesehen davon, dass „keine
neuen Schulden“ zu den zentra-
len Slogans der ÖVP zählt, gibt es
im Finanzministerium auch sach-
liche Einwände. Was als Öko-
Investition gilt, werde sich nie
scharf eingrenzen lassen, sodass
die Schuldenlimits wohl völlig
aufgeweicht würden, so eine Be-
fürchtung aus dem Ressort: „Am
Ende kann jedes Land so viel aus-
geben, wie es will, wofür es will.“
Die Abgrenzung bereitet auch
auf EU-Ebene Kopfzerbrechen.
Schließlich kategorisieren man-
che Mitgliedsstaaten Ausgaben
als klimaschonend, weil Co 2 -arm,
die hierzulande verpönt sind: den
Bau und Betrieb von Atomkraft-
werken.

STANDARDRÄTSEL dst.at/Raetsel


WWa aaaggrreecchht t:: 11 Ist er kunstvoll verschlungen ist die Lösung erSchwert
4 4 Ach nordischer Gott zeig uns den Weg zur südlichen Tiertränke (1–
2Wörter) 77 In selbstzentrierter Haltung Sucht er den eigenen Vorteil
8 8 Im Licht der Reiselampe pinsle ich im Rückblick den alten Golf-
platz 99 Für sich betrachtet wird so letztlich ein Tipp abgesondert
1 122 So ist das gute alte Siezen in Perpignan verloren gegangen (1–
Wörter) 1144 Damals hoffte weder ein Junger noch ein Greis mit epo-
chendem Herzen auf die Neuzeit 1155 BerichteteFFitzgerald nämlich
über Robert Falcons forschers Vorgehen am Südpol? 1166 Überirdisch
umweltnah: Anmutig-Sittich erscheinen sie in faunatischer Beglei-
tung 1199 Dassmein Tedeinen solchen Widerruf hat will ich hiermit zu-
rückweisen2200DieVor-an-kündigungderhalbenWagner-Operklingt
deprimierend 2211 Staubige Angelegenheit: WerdendieSpeisen im
Lehm-Ofen brotuziert? 2222Was ich so Faser wenn ich rumschäker und
spinne
SSeennkkrreecchht t:: 22 Umsäglich: Willst du den Wald roden werd ich dich da-
mit zur Schnecke transformieren 33 Behält er reinige Liter Wasser als
Tunke für den Putzlappen? 44 Ihre Ordentliche Produktion Exklusi-
ven Charakters bietet Rohstoff für Diskussionen 55 Klischeebild über
den Kerl mit zwei Lautsprechern 66 Wie bitte? Was wird in gemischt-
sprachigen Gebieten gesprochen? 1100 Damit kannst du in der Affek-
tierhandlung Positur beziehen 1111 Als Carl am Welsbach ein Gaslicht
aufging wurde er glühend verehrt 1133 Im postfetischen Zeitalter fühlt
es sich wie neu geboren 1177 Gilt für Fahr-Gäste: Ob Milton oder Myatt
-dalegstdinieder!1188WasinderHöherenTechnischenMedien-Lehr-
anstalt im Hauptfach Surfen unterrichtet wird
RRäät tsseel laauuf fllöössuunngg NNr r.. 99440088 vvoomm 1155. .22..
WW: : 11 REAKTIVE 66 FIXUM 77 ZWIRBELN 99 FURT 1100 DEPENDANCE
1 122 VERFUEHRUNGEN 1177 NACHGIEBIG 1199 GARS 2200 GENERIKA
2 211 RODEL 2222 BERGHEIM SS: : 11 REZIDIVE 22 AKILPER 33 VILLACH
4 4 KIEFELN 55 BUERO 88 BANTU 1111 ANAGRAMM 1133 FENSTER 1144 URIGE
1 155 GEBEINE 1166 TALON 1188 HUENE

1

78

9101112

14

16

19 20

13

F

18

15 17

21 22

234

6

5

Nr. 9409©phoenixen; http://www.phoenixen.at

BremsefürdeutschesTesla-Werk


GerichtstopptRodungsarbeitenvorläufig


Grünheide–Das Oberverwaltungs-
gericht Berlin-Brandenburg hat
die laufenden Rodungsarbeiten
auf dem Gelände für die nahe Ber-
lin geplante Tesla-Fabrik vorläu-
fig gestoppt. Es entsprach damit
einem Antrag der Grünen Liga
Brandenburg. Zuvor war die Grü-
ne Liga vor dem Verwaltungs-
gericht Frankfurt (Oder) mit dem
Verein für Landschaftspflege und
Artenschutz Bayern damit ge-
scheitert, mit Eilanträgen die
Baumfällarbeiten zu verhindern.
Verhindern wolle man das
Tesla-Werk in Grünheide nicht, so
Heinz-Herwig Mascher, Vorsit-
zender der Grünen Liga Branden-
burg. Tesla solle aber nicht anders
als andere behandelt werden. So-
lange das Verfahren nicht abge-

schlossen sei, dürften keine Tat-
sachen geschaffen werden, die
dann nicht mehr rückgängig zu
machen seien. Am Donnerstag
hatte das Landesumweltamt die
Genehmigung für den vorzeitigen
Beginn der Rodung des knapp 92
Hektar großen Waldstücks erteilt.
Bis kommenden Dienstag ha-
ben die Umweltschützer laut Ma-
scher nun Gelegenheit, Einwen-
dungen vorzubringen. Die Bran-
denburger Landesregierung re-
agiert gelassen auf den vorläufi-
gen Stopp. Das Landesamt für Um-
welt habe nun Gelegenheit, bis
Dienstag Stellung zu nehmen.
„Wir setzen dann auf zeitnahe
Entscheidung des OVG“, schrieb
auch Wirtschaftsminister Jörg
Steinbach (SPD) via Twitter. (dpa)

Alle fordern den Bahnausbau, um den Autoverkehr einzudämmen. Doch wie sollen Staaten das bezahlen,
wenn sie keine neuen Schulden machen dürfen? Die Koalition hat darauf keine gemeinsame Antwort.

Foto: Imago

Klimaschutz auf Pump?Finanzminister Blümelstemmt sich in der EUgegendie Idee, Öko-InvestitionenvomGebot
des Nulldefizits auszunehmen. Die Grünen sehen das ganz anders –undfühlen sichvomKoalitionspaktbestätigt.

GeraldJohn

Schuldenfrageentzweit ÖVPund Grüne
Free download pdf