Süddeutsche Zeitung - 19.03.2020

(Nancy Kaufman) #1
Köln– „Betriebsschließungsversicherung
wegen Infektionsgefahr“ heißt es vertrau-
enerweckend in einer Versicherungspoli-
ce, die viele Restaurantbesitzer, Bäcker-
meister, Ärzte, Masseure oder Heilprakti-
ker in ihren Unterlagen haben und für die
sie hohe Beiträge zahlen.
Nicht wenige dieser Kunden werden bit-
ter enttäuscht werden – weil ihre Gesell-
schaft bei einer Schließung wegen des Co-
ronavirus nicht zahlen will. So erklärt die
Württembergische Versicherung auf die
Frage, ob Schließungen wegen des Corona-
virus abgedeckt sind: „Nein, da das Virus
nicht in den Bedingungen namentlich ge-
nannt ist.“ Genauso gehen Allianz und Axa
vor, heißt es bei Versicherungsmaklern.
Axa äußerte sich nicht, die Allianz prüft
nach eigenen Angaben jeden Einzelfall.
Nur wenn eine der Krankheiten und
Krankheitserreger, die in der Police ge-
nannt werden, für die Schließung verant-
wortlich ist, zahlt der Versicherer. Sonst
nicht. Bei mancher Gesellschaft führt das
zu heftigem Unmut nicht nur bei Kunden,
sondern auch bei Vertretern und Versiche-
rungsmaklern, die solche Verträge gerne
und häufig verkauft haben.
Die meisten Versicherer beziehen sich
bei der Auflistung auf den Paragraphen 6
des Infektionsschutzgesetzes. Dort wer-
den viele Krankheiten genannt – nicht
aber die Corona-Pandemie. Allerdings ist
auch von „einer bedrohlichen übertragba-
ren Krankheit, die nicht bereits ... melde-
pflichtig ist“, die Rede. Gerichtliche Ausein-
andersetzungen dürften also folgen.
Bei einigen Gesellschaften ist das an-
ders. So deckt die Signal Iduna, die einen
Schwerpunkt im Handwerk hat, Betriebs-
schließungen wegen des Coronavirus ab.
Dasselbe gilt für die Talanx-Tochter HDI.
Diese Gesellschaft hat die Versicherungs-
bedingungen früh erweitert und Betriebs-
schließungen wegen neuer Viren wie Coro-
na ausdrücklich eingeschlossen.
Die Hannoveraner Gesellschaft gehört
auch zu den wenigen, die immer noch Be-
triebsschließungspolicen anbieten – zwar
nicht mehr für die Lebensmittelbetriebe,
wohl aber noch im Gesundheitswesen für
Praxen oder Firmen bis drei Millionen
Euro Umsatz. Allerdings verkauft sie die
Deckung nicht separat, sondern verlangt,
den Betrieb insgesamt mit allen Risiken
zu versichern. Eine entsprechende Wan-
derbewegung ist die Folge. Das kommt bei
den Versicherern, die solche Kunden ver-
lieren, überhaupt nicht gut an, die Stim-
mung in der Branche ist schlecht.

Unzufrieden sind auch Gewerbe- und In-
dustriekunden: Die meisten gehen leer
aus, wenn es um Zahlungen der Versiche-
rer geht. Die Branche verliert so zwar nicht
sehr viel Geld, aber umso mehr Vertrauen.
Die meisten Unternehmen haben so ge-
nannte Betriebsunterbrechungsversiche-
rungen. Aber bei ihnen sind Krankheiten
von Mitarbeitern oder ausbleibende Liefe-
rungen von Teileherstellern fast nie versi-
chert. Denn die Voraussetzung für eine Zah-
lung des Versicherers ist ein Sachschaden


  • ein Feuer, ein Sturm, eine Flut – im eige-
    nen Betrieb oder beim Lieferanten. „Wir ha-
    ben versucht, Pandemie-Versicherungen
    an Industriekonzerne zu verkaufen“, sagt
    Torsten Jeworrek, Vorstand der Munich
    Re. „Da ist nicht viel Nachfrage gewesen.“
    Manche Betriebe haben „All Risk“-Poli-
    cen, die eigentlich alle Risiken abdecken
    sollen. „Sie verdienen in aller Regel diesen
    Namen nicht“, sagt Henning Schaloske,
    Fachanwalt bei der Kanzlei Clyde & Co. Es
    handele sich in der Regel um Sachversiche-
    rungen. Hier seien zwar alle Sachschäden
    versichert, gleich welche Ursache sie ha-
    ben. Doch müsse ein Sachschaden vorlie-
    gen, bevor die Betriebsunterbrechungsver-
    sicherung leistet. herbert fromme


von h. freiberger, c. gammelin,
h. rossbach und m. schreiber

Berlin/Frankfurt/München – Es gibt
Wirtschaftskrisen, da bilden sich Schlan-
gen vor den Arbeitsämtern, so wie 1929.
Ein andermal bilden sie sich vor den
Geldautomaten, so wie 2008. Die aktuelle
Corona-Krise zeichnet sich dadurch aus,
dass es Schlangen dort gibt, wo man sie
bisher nicht kannte: vor den Büros der Fir-
menkundenberater in den Banken.
Das öffentliche Leben steht still. Das
bedeutet für Tausende kleine und große
Unternehmen, dass sie keine Einnahmen
mehr haben, während die Kosten weiter-
laufen. Das Geld wird knapp. Und wo
gehen Unternehmen hin, wenn sie Kredit
brauchen? Zum Berater ihrer Bank – übri-
gens auch dann, wenn sie die staatliche
Hilfe beanspruchen wollen, die Bundes-
finanzminister Olaf Scholz „unbegrenzt“
zugesagt hat. Denn in Deutschland gilt das
„Hausbankprinzip“: Die Bank des Unter-
nehmens prüft die Bonität und leitet dann
die öffentliche Förderung durch. Das
heißt: Der Firmenkundenberater der Bank
ist die Stelle, wo derzeit alles zusammen-
läuft – und wo es sehr eng wird.
Die Deutsche Bank berichtet, dass sich
die Anfragen der Unternehmen seit Frei-
tag verdoppelt haben. Sie baut jetzt eigene
Teams auf, um Unternehmen zu bewerten
und zu beraten, wie das geht mit einem Kre-
dit der bundeseigenen Förderbank KfW.
Deren Chef Günther Bräunig spricht von
einer „gewaltigen Herausforderung“, es
gelte jetzt der Antragsflut Herr zu werden,
die täglich anschwillt. Und all das unter er-
schwerten Bedingungen, das heißt immer
mehr Mitarbeitern im Home-Office.
Zugleich häufen sich die Berichte, dass
die Hilfe vor Ort noch nicht funktioniert.
„Wir tun hier, was wir können, um die
vielen kleinen Unternehmen zu unterstüt-
zen“, sagt beispielsweise der Heilbronner
IHK-Geschäftsführer Stefan Gölz, „aber


das ist kaum zu schaffen.“ Schon die Be-
antragung des Kurzarbeitergeldes sei pro-
blematisch. Die Agenturen für Arbeit seien
kaum zu erreichen, viele Banken nicht auf
die Situation eingestellt. „Trotz staatlicher
Unterstützungen, die bei Weitem nicht aus-
reichen, werden viele kleine und mittlere
Unternehmen auf der Strecke bleiben.“

Was mache ich, wenn meine Filiale ge-
schlossen hat?
In den sozialen Netzwerken klagen schon
einige Unternehmer, dass sie keinen Ter-
min bekommen, weil die Filiale geschlos-
sen oder überlastet ist. So hat die Hypo-Ver-
einsbank jede dritte Niederlassung dicht-
gemacht. Im Zweifelsfall sollten Betroffe-
ne in der Zentrale nachfragen, wie sie ihren
Berater erreichen können. Viele Kreditin-
stitute stocken ihre Firmenkunden-Teams
auf, weil die Zahl der Anfragen täglich ex-
ponentiell steigt. An der Hausbank aber
kommt niemand vorbei, wenn es um einen
Förderkredit des Bundes über die KfW
oder einer der landeseigenen Förderban-
ken geht. Die Bank prüft die Bonität des
Kreditnehmers, beurteilt seine Pläne und
entscheidet, ob sie das Vorhaben begleitet.

Wie lange dauert es vom Antrag bis zur
Auszahlung des Kredits?
Die von der Bundesregierung angekündig-
ten KfW-Notkredite richten sich an deut-
lich mehr Unternehmen als bislang üblich
und können ab kommendem Montag be-
antragt werden. „Realistisch ist, dass die
ersten Gelder in zwei bis drei Wochen flie-
ßen“, sagte ein KfW-Sprecher. Die Haus-
banken müssten die Anträge schnell wei-
terleiten, damit die KfW sie abschließend
prüfen könne. Man könne „die Kredite
nicht einfach so rausblasen“. Ähnlich ist es
bei den landeseigenen Förderbanken. Dar-
über hinaus gibt es direkte Hilfen durch
die Landesregierungen. In Bayern sollen
ab diesem Mittwoch unter anderem Freibe-
rufler, Selbständige, kleine und mittlere

Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern
bei ihrer Bezirksregierung Anträge auf So-
forthilfen stellen können. Zwischen 5000
und 30000 Euro sollen dann fließen, offen-
bar aus Landesmitteln. Größere Unterneh-
men sollen sich an die LfA Förderbank Bay-
ern wenden, für die die Landesregierung
den Bürgschaftsrahmen erweitert hat.

Vergeben die Banken jetzt wirklich im gro-
ßen Stil Kredite?
Die Banken stecken in einem Dilemma: Es
gab auch vor der Ausbreitung des Coronavi-
rus schon angeschlagene Unternehmen
mit schlechter Bonität, die kaum oder nur
zu sehr hohen Zinsen Kredit bekamen. In
der Gastronomie etwa verfügten 16 Pro-
zent der kleinen Unternehmen über eine
schlechte Bonität, zeigen Zahlen des Wirt-
schaftsforschungsinstituts ZEW. Ihre Si-
tuation wird sich in den nächsten Wochen
und Monaten verschlimmern. Normaler-
weise müssten Banken dann die Konditio-
nen für den Kredit verschärfen, jedenfalls
keinesfalls Zahlungen stunden. Gleichzei-
tig sollen sie aber nun großzügiger Kredit
vergeben, um die ökonomischen Folgen
des Coronavirus einzudämmen. Eine ent-
scheidende Frage ist deshalb, wer dafür
haftet, wenn Kredite künftig ausfallen.

Was garantiert der Bund?
Der Bund geht für die Hausbanken bei der
Kreditvergabe über die KfW verstärkt ins
Risiko. Er übernimmt bis zu 80 Prozent
des Haftungsrisikos für Betriebsmittelkre-
dite bis zu einer Höhe von 200 Millionen
Euro. Ein Teil des Risikos, 20 Prozent, liegt
damit immer noch bei den Banken. Der
Bundesverband deutscher Banken beklagt
bereits, der Bund solle zuweilen auch 100
Prozent übernehmen. „Der Bund muss
mehr Risiken schultern“, fordert er. Ban-
ken müssen in die Lage versetzt werden,
bestehende Kredite zu stunden, zu restruk-
turieren oder zu erweitern und brauchten
dafür entsprechende Unterstützung.

Welche Zinsen muss man bezahlen?
Jede Bank legt den Zinssatz für jeden
Firmenkunden individuell fest. Solange
die Kreditinstitute nicht von der Haftung
freigestellt sind, dürften sie die Zinsen
nicht entscheidend senken. Hinzu kommt:
Die Durchleitung der Förderkredite ist ei-
ne freiwillige Leistung, bei der es bisher
schon gelegentlich hakte: Banken boten
solventen Kunden lieber einen eigenen
Kredit an, solchen mit schlechter Bonität
auch keinen Förderkredit. Es gibt deshalb
ein Restrisiko, dass es doch zu einer Kredit-
klemme kommt. „Wir wissen, dass sie über
reichlich Kapital verfügen, um alle Kredite
zu vergeben, und zwar mehr, als erforder-
lich ist“, sagt Mark Holman, Portfoliomana-
ger bei Twenty Four Asset Management.
„Was wir nicht wissen, ist, wie ihre Risiko-
bereitschaft aussieht.“ Wenn also ein zuvor
gesundes Unternehmen plötzlich einen
massiven Ertragsschock hat und vorüber-
gehend zahlungsunfähig wird und dann
seine Bank um einen Kredit bittet, wird die
Bank den Kredit gewähren, und zwar zu
einem Zinssatz, den die Behörden gerne
hätten? Die Behörden versprechen jetzt
schnell riesige Hilfspakete, aber wie
finden diese ihren Weg zu den Menschen,
die Hilfe brauchen? Kritiker sagen auch,
durch das Hausbankprinzip könnten Ban-
ken einen Teil des Risikos auf den Bund ab-
wälzen, etwa wenn sie ohnehin schon Kre-
dit vergeben haben. Im Effekt wäre das ein
weitereres Bankenrettungsprogramm.

Welche Risiken trägt der Bund?
Für den Bundeshaushalt ergeben sich zu-
nächst keine zusätzlichen Belastungen.
Diese entstehen erst, wenn tatsächlich Kre-
dite in großem Stil ausfallen oder der Bund
das Kreditvolumen der KfW erhöhen
muss. Beides ist derzeit (noch) nicht der
Fall. Für die Haftungsgarantien ist keine
extra Vorsorge im Bundeshaushalt getrof-
fen, aber im Haushalt steht der KfW ein
Garantierahmen von rund 460 Milliarden

Euro zur Verfügung. Dieser Rahmen kann
jetzt um bis zu 93 Milliarden Euro erhöht
werden. Bund, Bundesbank und
Finanzaufsicht haben sich am Mittwoch
vorsorglich auf Maßnahmen verständigt,
um die Auswirkungen des absehbaren
Einbruchs der Wirtschaft auf den Finanz-
sektor abzufedern. Weil Angebot und
Nachfrage zugleich wegbrechen, werden
Banken deutliche Kreditausfälle zu ver-
kraften haben. Die Banken dürfen vom


  1. April an den sogenannten antizykli-
    schen Kapitalpuffer auf null setzen. Sie
    müssen also weniger Eigenkapital vorhal-
    ten. Das erlaubt es den Banken, zusätzliche
    Kredite im niedrigen einstelligen Billionen-
    Euro-Bereich zu vergeben.


Welche Maßnahmen gibt es noch, um Un-
ternehmen zu entlasten?
Die Firmen können Kurzarbeit beantra-
gen; die Bundesagentur für Arbeit über-
nimmt dann die Sozialversicherungs-
beiträge für die entfallene Arbeitszeit und
zahlt den Beschäftigten 60 Prozent des
weggefallenen Nettogehalts, bei Eltern mit
Kindern 67 Prozent. In einigen Branchen
gelten zudem tarifliche Regelungen, die Be-
triebe zur Aufstockung des Kurzarbeiter-
geldes verpflichten. Arbeitgeber und
Gewerkschaften haben am Mittwoch bei
Gesprächen im Arbeitsministerium verein-
bart, Lösungen zur Schließung der Lücke
für mehr Beschäftigte als bisher zu finden.
Noch gibt es aber keine Einigung. Für klei-
ne Unternehmen, denen die Kredite der
Förderbank KfW eher nichts bringen, soll
es zudem einen bundesweiten Notfall-
fonds geben, an dem das Bundesfinanzmi-
nisterium arbeitet. Mit diesen Mitteln sol-
len die Firmen Durststrecken überwinden
und ihre Fixkosten, zum Beispiel die Miete
für einen Laden, weiter zahlen können.
Soloselbständige, denen Aufträge wegbre-
chen, sollen unter anderem unbürokra-
tisch Grundsicherung beantragen können,
auch als aufstockende Sozialleistung.

Auf der Suche nach Kredit


Bei Tausenden kleinen und großen Unternehmen wird das Geld knapp. Sie brauchen jetzt schnelle Hilfe. Doch die Banken sind überlastet –
oft ist unklar, wie die Staatshilfe zu den Firmen kommen soll. Und über allem steht die Frage: Wer zahlt am Ende die Rechnung?

Noel Quinn, 58, Banker, musste seit Au-
gust darauf warten, befördert zu werden.
Nach Monaten in der Warteschleife wurde
Quinn nun vom Interimschef zum Vor-
standschef der britischen Großbank
HSBC ernannt. Damit endet eine Zeit der
Spekulationen, in der immer wieder neue
Namen für die Führungsspitze des Geld-
hauses genannt worden waren. Mit Quinn
übernimmt jetzt ein Veteran der HSBC
den Chefposten. Seit 1987 steht er in den
Diensten der größten europäischen Bank.
Nach Stationen in Großbritannien und
Hongkong amtierte er seit vergangenem
Sommer als kommissarischer Konzern-
chef, nachdem sein Vorgänger John Flint
nach nur 18 Monaten an der Bankspitze
gehen musste. Verwaltungsratschef Mark
Tucker lobte den neuen Chef fast schon
überschwänglich: „Noel Quinn hat sich als
der herausragende Kandidat erwiesen,
die Rolle dauerhaft zu übernehmen, die er
seit August 2019 auf
Interimsbasis beein-
druckend ausgefüllt
hat.“ Bleibt nur die
Frage, warum das so
lange gedauert hat.
Offenbar musste
Quinn(FOTO: AFP)erst
harte Überzeugungsar-
beit leisten. am


Adam Neumann, 40, Gründer und ge-
schasster Chef des Büro-Anbieters We-
work, hat offenbar mal wieder ein Pro-
blem. Der japanische Investor Softbank,
der Wework nach einem verpatzten Bör-
sengang vergangenes Jahr übernehmen
wollte, meldet Berichten zufolge massive
Zweifel an dem Deal an. Grund sind laut
Wall Street Journalund der Nachrichten-
agenturBloombergErmittlungen des
US-Justizministeriums und der Börsen-
aufaufsicht SEC gegen Wework. Diese
könnten ein rund drei Milliarden Dollar

schweres Angebot an die bisherigen An-
teilseigner gefährden – allen voran Neu-
mann(FOTO: AP). Für seinen Abschied, so die
ursprüngliche Vereinbarung, sollte er
rund 1,7 Milliarden Dollar bekommen,
davon knapp eine Milliarde für seine An-
teile. Das Geld könnte nun in Gefahr sein.
Für Neumann ist es noch eine schlech-
te Nachricht nach vielen in den vergange-
nen Monaten. Der gebürtige Israeli hatte
Wework, das voll ausgestattete Büros
betreibt, in die sich Freiberufler und klei-
nere Firmen kurzfristig einmieten kön-
nen, 2010 gegründet. Schon nach wenigen
Jahren war die Firma mit fast 50 Milliar-
den Dollar eines der teuersten Start-ups
der Welt. Damals stieg Softbank mit
20Milliarden Dollar ein. Neumann war
aber auch berüchtigt für seine Exzesse,
Investoren warfen ihm mangelnde Eig-
nung als Chef und Interessenkonflikte
vor. Der Börsengang platzte daraufhin im
September, die Firma verlor in nur sechs
Wochen 39 Milliarden Dollar an Wert und
Neumann musste gehen.
Bei Softbank dürfte man also nicht gut
auf ihn zu sprechen sein. Es sei zwar un-
wahrscheinlich, dass die Japaner Wework
komplett fallen lassen, hieß es – dafür
stecke bereits zu viel Geld in der Firma. Es
scheint aber, dass sie den Gründer nicht
auch noch belohnen wollen. sry

Marco Fuchs,57, Vorstandschef des Bre-
mer Raumfahrtkonzerns OHB, würde das
mexikanische „Corona-Bier“ kaufen. Bei
der Bilanzvorlage reagierte er mit diesem
Eingeständnis auf die Frage, ob Sonnen-
Missionen wie der gerade gestarteteSolar-
Orbiter, an dem OHB beteiligt ist, nicht
durch das Coronavirus diskreditiert seien.
Die Sonnenkorona gehört zum äußeren
Bereich der Sonne, in demSolar-Orbiter
Sonnenwinde untersuchen soll. Der Be-
griff Corona sei für ihn nicht negativ belas-
tet, sagte Fuchs(FOTO: DPA). Auch sonst sieht
er keine größeren negativen Folgen der
Krise für OHB. „Wir haben langfristige
Aufträge und fürchten nicht, dass etwas
wegbricht.“ Es könnten aber Verzögerun-
gen in der Lieferkette eintreten. Zudem
sei der Start eines Satelliten wegen Coro-
na-bedingter Verzögerungen am Start-
platz in Kourou verschoben worden. 2020
erwartet OHB Aufträge für etwa zwei Milli-
arden Euro. 2019 ist
das Ergebnis vor Steu-
ern und Zinsen (Ebit)
leicht auf 49 Millio-
nen Euro gestiegen.
Der Umsatz belief sich
auf gut eine Milliarde
Euro. Die Prognose
sieht ein etwas sinken-
des Ebit vor. ds

Leslie Mandoki, 67, Musiker, Produzent
und vor ewigen Zeiten mal Mitglied der
PopgruppeDschinghis Khan, hat sich mit
einem offenen Brief an die Bundeskanzle-
rin in die Debatte um Leerverkäufe einge-
mischt(FOTO: CLAUS SCHUNK). „Liebe Frau Dr.
Merkel“, heißt es dort, „folgen Sie bitte
unseren europäischen Nachbarn und
verbieten Sie noch heute die Wettgeschäf-
te auf fallende Kurse in der Finanzindus-
trie.“ Nach den heftigen Kursverlusten an
den internationalen Börsen haben Länder
wie Frankreich und Italien die Wetten auf

Kursverluste bereits ganz oder zum Teil
verboten. „Helden“, schreibt Mandoki,
seien „all die, die jetzt die öffentliche Ord-
nung aufrechterhalten und im Gesund-
heitswesen Leben retten und Zuversicht
spenden. All die Menschen, die mit ihrem
Arbeitseinsatz die eigene und sogar die
Gesundheit ihrer Familien riskieren, um
unsere Versorgung zu sichern, sei es im
Supermarkt oder bei der Müllabfuhr.“
Diejenigen, die auf fallende Kurse wetten


  • „Spekulanten, die sich zu gerne Invest-
    mentbanker nennen“ – so Mandoki, ge-
    hörten nicht zu den herausragenden Men-
    schen dieser Tage. „Sie sitzen jetzt sicher
    in ihren Home-Offices und verdienen
    Milliarden damit, in diesen schweren
    Zeiten auf den Verfall der Kurse zu setzen,
    oder wie sie verniedlichend sagen: ’going
    short’.“ Das Geschäftsmodell funktioniert
    so: Die Investoren wetten auf den Kursver-
    fall einer Aktie und verkaufen dafür Wert-
    papiere, die sie sich zuvor gegen eine Ge-
    bühr geliehen haben. Sinkt der Preis der
    Aktie, profitieren sie von der Differenz.
    Steigende Kurse also mögen diese Händ-
    ler nicht. „Wenn wir es weiterhin zulas-
    sen, dass Geld computergesteuert schnel-
    ler Geld macht, als menschliche Arbeit es
    jemals leisten kann“, so der Musiker, wer-
    de „die Spaltung und die Ungerechtigkeit
    größer“. thf


18 HF2 (^) WIRTSCHAFT Donnerstag, 19. März 2020, Nr. 66 DEFGH
Ein MAN-Mitarbeiter beim Fräsen von Kleinteilen. Unternehmen brauchen zunehmend Hilfe, wenn sie ihre Produktion oder ihr Geschäft einstellen müssen. FOTO: THOMAS TRUTSCHEL/IMAGO
Versichert?
Denkste
Lebensmittelbetriebe und
Ärzte sind empört
Warten vs. arbeiten Softbank vs. Neumann Corona vs. Korona Musiker vs. Spekulanten
PERSONALIEN
Vor Corona war das Interesse
an Pandemie-Versicherungen
nicht sonderlich groß

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