Berliner Zeitung - 19.03.2020

(vip2019) #1

Berlin


12 * Berliner Zeitung·Nummer 67·Donnerstag, 19. März 2020 ·························································································································································································································································································


Fast


Schrotträder


entsorgt


InMarzahn-Hellersdorfist
dasProblemamgeringsten

I


nBerlinsindimvergangenenJahr
knapp 4000 Schrotträder einge-
sammeltworden.Diemeistendavon
–nämlich 1200 –fielen imBezirk
Friedrichshain-Kreuzbergan, in
Marzahn-Hellersdorfwaren es mit
41am wenigsten.Dasteilteder Senat
aufeineAnfragedesCDU-Abgeord-
neten MarioCzaja mit.Insgesamt
nannte derSenat für alle zwölfBe-
zirke dieZahl von3946 Rädern, die
einfach irgendwo stehen- oder lie-
gengelassenwurdenundaufKosten
der Allgemeinheit entsorgtwerden
mussten.DieZahlen entsprechen
ungefährdenendesVorjahres.
Für die Beseitigung der Schrott-
rädersinddieBezirkezuständig.Sie
werden vomOrdnungsamt farbig
markier tundmüssenvondenBesit-
zernentferntwerden.Verstreichtdie
Frist, werden die Räder inZusam-
menarbeit mit der Stadtreinigung
(BSR) und derPolizei weggeräumt.
DieBezirkekümmernsichallerdings
innerhalb völlig unterschiedlicher
Fristen um dasProblem: In Mar-
zahn-Hellersdorfwirdman manch-
mal schon nach zweiWochen tätig,
Tempelhof-Schönebergkümmert
sichbinnensechsbisachtWochen.
Voreinem Jahr hatten die CDU
und der AllgemeineDeutsche Fahr-
rad-Clubeinezentrale Stellezur Be-
seitigungvonSchrottfahrrädernge-
fordert. DieBezirke lehnten das
weitgehendab.WelcheKostendurch
die Entsorgung entstehen, konnten
sienichtimmersagen.(dpa)

Die meisten „Fahrradleichen“ gibt es in
Friedrichshain-Kreuzberg. IMAGO/SEELIGER

Füreinanderda


DiePandemieistdieZeitderNachbarschaftshilfe–eineWelle,diesichzugroßenTeilenimInternetformiert


VonFlorianThalmann

E


gal,wieschlimmeineKrise
ist–beiden Berlinernkann
man sich auf eineSache
verlassen:Siestehen jede
nochsoschlimmeSituationgemein-
sam durch.Undhalten zusammen!
Seit bekannt ist, dass dieCorona-
Welle auch dieHauptstadt überrol-
lenwird,entstehtzugleicheineWelle
der Solidarität.Im In ternet organi-
sierensichersteHilfs-Trupps.

Große Netzwerke aufFacebook
Eines der größtenNetzwerke ist die
Facebook-Gruppe „Corona Help
TeamBerlin“,diederBerlinerMario
Demski(57)voreinpaar Tagengrün-
dete.„DieIdeekammirspontan.Ich
lagim Bettunddachte:Wenndas In-
ternet für etwas gut ist, dann dafür,
in dieser Krisen-ZeitMenschen zu
helfen“,sagterderBerlinerZeitung.
„AlsostandichinderNachtaufund
riefdie GruppeinsLeben.“DieIdee:
HierkönnenHilfsangeboteund-ge-
suche gebündeltwerden.Werzue i-
ner derCorona-Risikogruppen ge-
hört, betroffene Menschen kennt
oder gar selbst inQuarantäne sitzt,
sollinderGemeinschaftunbürokra-

tisch Hilfe finden.Mankönne Ein-
käufebeispielsweisevordieTürstel-
len, sagtDemski, der auchvorder
Corona-Pandemie gernFreunden
beim Einkaufen half. „Man muss ja
keine Angst haben, dass dasVirus
durchs Schlüsselloch springt.Berlin
istgroß –undhelfenwollenviele.Ich
binschonjetztüberrascht,wiegroß
dasInteresseanderGruppeist.“
Mehr als 2000 Menschen sind
mittlerweilebeigetreten,bietenHilfe
in verschiedenenBezirken an.Auch
erste Gesuche tauchten bereits auf.
„Gibtesjemanden,derin10369mei-
nen Eltern, 80Jahre, bei Einkäufen
behilflich sein kann?“, fragte eine
Nutzerin.„Beidekönnenundsollten
nichtmehrvordieTür .Binselbstin
NRW, weit ab vomSchuss.“ Sofort
antworteten mehreMenschen aus
demKiez,botenHilfean.
Auch anderswo läuft dieNach-
barschaftshilfe an, etwa auf der
Plattform„nebenan.de“. Im Netz
formieren sich immer mehrGrup-
pen. In Karlshorst gründeten eifrige
Anwohner über diePlattformbei-
spielsweise eine eigeneGruppe auf
Whatsapp–undvernetztensich,um
Betroffene mitEinkäufen zu unter-
stützen. „Auf derNachbarschafts-

plattformnebenan.de ist derUm-
gang mit demCoronavirus seit den
letztenTagenThema“,heißtesinei-
nerMitteilung.„VieleNachbarntau-
schen sich zum aktuellenStand aus
undbietenbereitsihreHilfean.“

Partnerbörse fürHelfer
Auch Netzwerk-Profis schalten sich
ein–eingutes Beispielhierfüristdie
Plattform„Wirgegen Corona“. Ein
Name,der suggeriert:Zusammen-
halt, gegenseitige Unterstützung
und Achtsamkeit sind momentan
wichtiger denn je.Die Idee: Aufder
WebsitekönnensichMenschen,die
Hilfesuchen,weilsiebeispielsweise
zu Risikogruppen gehören und das
Haus nichtverlassen können,regis-
trieren. AberauchLeute,dieger nan-
deren helfen würden, tragen sich
ein. Alle müssen dabei ihreAdresse
angeben.„WirhabeneinenAlgorith-
mus entwickelt, der dannHilfesu-
chende undHelfer aufgrund ihrer
räumlichen Nähe miteinander in
Kontakt bringt“, sagt ThorstenKud,
einerderBerliner,die„WirgegenCo-
rona“entwickelten.DasGanzefunk-
tioniertwie eine Partnerbörse–nur
eben zuCorona-Zeiten. „Wenn je-
mandHilfebeimEinkaufenbraucht

undinderNähejemandHilfeange-
boten hat, kann dasSystem beide
verbinden, so wirdschnell und un-
börokratischgeholfen.“
AufdieIdeekam Kud,weiler we-
gen einesCorona-Verdachtfalls im
UmfeldselbstQuarantäneverordnet
bekam.„Ich saß zuHause,fand die
vielen Hilfs-Gruppen aufFacebook,
aber es lief alles sehr ungeordnet.
Leute bieten Hilfe,Leute suchen
Hilfe,aber sie finden bei derMasse
vonInseratenkaumzusammen.Ich
dachte:Dasmusseffizientergehen.“
Er holte sichUnterstützungvon
Freunden undKollegen –zumTeam
gehören Programmierer Dominic
Breuker sowieMarina und Ben, ein
Influencer-Pärchen, die bei Design
und Entwicklung halfen. AmSonn-
tagabend ging dieWebsite an den
Start, am Montag waren9000 Men-
schenausDeutschlandregistriert. Er-
gänztwerdensolldasAngebotmitei-
nerTelefonhotlineundFlyern.
Überrascht vonder Hilfsbereit-
schaftistderBerlinernicht.„Ichhabe
grundsätzlich ein positives Men-
schenbild.Wenn es allen gut geht,
achtetmanwenigeraufgegenseitige
Hilfe.Aberdie Bereitschaftistda.Und
daszusehen.isteinfachtoll!“

Soziale Netzwerke –mal ganz anders. Über Online-Plattformen finden Hilfsbedürftige und Helfer zusammen. MAGO IMAGES

Favelas,VideosundPhilosophie


Bücher,FilmeundNachrichtensendungenhelfendurchdieIsolationszeitinNeukölln


VonEleonoraRoldán Mendívil

H


eute bin ich sehr früh aufge-
standen,es ist mein achterTag
in Quarantäne.Die Frühlingssonne
dringt selbst durch die dickenVor-
hänge unserer Neuköllner Woh-
nung. Krass,dass es jetzt schon so
warmist –die globaleErderwär-
mungistauchhierspürbar.
Ähnlich wie die Klimakatastro-
phe kennt die aktuelleCorona-Pan-
demiekeinenationalenGrenzen. Ich
bekomme mit, wie inBrasilien zum
Beispiel Hausangestellte bei positiv
getesteten,reichen Familien weiter
arbeitenmüssen.VieledieserArbei-
terinnenundArbeiterhabenjedoch
kaumoderkeinenZugangzumbra-
silianischem Gesundheitssystem
und tragen dasVirusdirekt in die
dichtbewohntenFavelas.
DieInformationen erhalte ich
voneiner brasilianischenFreundin,
denn in den gängigenMedien finde
ich hierzu nichts.Ein Großteil mei-
nerFamilielebtinPeru.Dortschie-
ßen nun diePreise vonLebensmit-
teln und Alltagsgüternind ie Höhe.
Eine Freundin aus Lima erzählt mir
vonden Sorgen, für sich und ihre
Mutter bis zumEnde des Monats
nicht täglich genügend Essen auf
den Tisch bringen zu können.Ge-
schweige denn durch dieGehalts-

einbußen ab kommendem Monat
überhauptnochdieMietezahlenzu
können.Diealltäglicheunddieme-
dizinischeVersorgungvonMillionen
vonMenschen besondersvonLän-
derninL ateinamerika, Afrika und
Asien ist viel unsicherer als in
Deutschland.Dann kommt die
Nachricht, dass der Internationale
Währungsfonds (IWF) anscheinend
geradediesenLändernneueKredite
anbietet.Der„Katastrophenkapita-
lismus“, wie ihn die US-amerikani-
sche Autorin Naomi Klein nennt,
kommtinGang,umauchinNotzei-
tenweiterGeldzumachen.
In unserer WG ist währenddes-
sen eigentlich guteStimmung.Wir

habenunsalleandenAlltagmitein-
ander gewöhnt,verfolgen in unter-
schiedlichemMaße nationale und
internationaleMedien. Wirstreiten
unsnicht,auchwennwirunsimmer
mal wieder kurzauf die Nerven ge-
hen.EheristLachenunsertäglicher
Begleiter.Mein Mitbewohner und
ich liegen öfters auf derCouch und
gucken uns die letztenCorona-Hits
und Satire-Videos an –angeregt
durchmeineMutterundseinInsta-
gram-Konto.
Aber wir sindweiterhin produk-
tiv,lesen viel und philosophieren
über Sinn und Unsinn dieserSitua-
tion sowie darüber,wie es nach der
Quarantäneweitergeht.

8


In


Quarantäne


Tag


ADOBE STOCK

NACHRICHTEN


Rund vier Prozent der


Corona-Tests sind positiv


BerlinerLaborehabeninderver-
gangenenWoche9253Testsauf
dasneueCoronavirusdurchge-
führt.Davonseien 394 positivaus-
gefallen,teiltedieSenatsverwal-
tungfürGesundheitmitundbestä-
tigtedamiteinenBerichtdesTa-
gesspiegels.Esh andlesichaber
nichtnurumErgebnissevonBerli-
nern,hießes.DieZahlderbestätig-
tenFälleinBerlinliegt(Stand
Dienstag)bei383.LautVerwaltung
habendiesiebenLaboreinB erlin
derzeiteine Kapazitätvon
Testspr oWerktag.AneinerAuswei-
tungwerdegearbeitet.(dpa)


Polizei geht gegen


geöffnete Geschäfte vor


130GeschäftesindvonMittwoch-
morgenbiszumfrühenNachmittag
wegennichterlaubterÖffnungin
derCoronavirus-KrisevonderPoli-
zeigeschlossenworden.Dassagte
PolizeisprecherinAnjaDierschke.
„Größtenteilsliefdasfreiwilligab.“
VieleGeschäftsleuteseiennichtin-
formier tgewesen.(dpa)


Kinderschutzbund berät


ElternimPandemie-Stress


FürFamilien,diewegender Coro-
navirus-KriseunterDruckstehen,
bietetderBerlinerKinderschutz-
bundkostenloseTelefon-Beratung.
„DieaktuelleSituationkannFami-
lienzu HausevorKrisenstellen“,
sagteeinSprecheramMittwoch.
ElternkönnensichzudenÖff-
nungszeitenderBeratungsstelle
unterderTelefonnummer 030
450812600 meldensowieperE-
Mailaninfo@kinderschutzbund-
berlin.de(dpa)


BerlinerVolksbank schließt


vorübergehend 24Filialen


UmdieAusbreitungdesCoronavi-
ruseinzudämmen,schließtdie
Volksbankvorübergehendmehrals
dieHälfteihrerPrivatkundenstand-
orte.DennochsolleskeineEng-
pässebeiderVersorgungmitBar-
geldgeben.21weitereStandorte
bleibenfürPrivatkunden.(dpa)


Lesen Sie am 21.03.2020 in Ihrer Zeitung:

Sonderthema –Wohnei^ gentum in Berlin und Brandenburg
Kurz und gut –Neues rund um den Immobiliensektor
Rechtsexperten antworten –Ihre Leserfragen zu Miete und Eigentum

LesenSie am 28.03.2020:

Lasst es blühen! –Balkon und Garten

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Michael Groppel
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