Frankfurter Allgemeine Zeitung - 06.04.2020

(WallPaper) #1

SEITE 2·MONTAG, 6.APRIL 2020·NR.82 FPM Politik FRANKFURTER ALLGEMEINEZEITUNG


Zum75. Geburtstagvon Wolfgang
Schäuble erzählteJean-Claude Juncker
der französischenZeitung „Le Monde“
eine kleine Anekdote.Ein überzeugter
Europäer sprachalso über den anderen.
Schäuble, dessenZeit als Bundesfinanz-
ministersichdamalsrasant dem Ende zu-
neigte, habe ihm, Junckerdas Folgende
gesagt: GleichgültigwerfranzösischerFi-
nanzministersei, dieser sei immer sein
Freund. Schäuble, der schon durch seine
südwestdeutsche Herkunftund Heimat
seit jehervonFrankreichgeprägt ist, der
in der Lageist,ander Sorbonne inParis
einenVortragauf Französischzuhalten,
istnicht nur Europäer,sondernzutiefst
davonüberzeugt, dassder Kern der Euro-
päischenUnion eine engeZusammenar-
beit zwischen Deutschland undFrank-
reich ist.
Das istder Hintergrund,vordem man
seinenVorstoßsehen muss, den er jetzt
mit dem französischenParlamentspräsi-
dentenRichardFerrandunternommen
hat. Die beiden mischen sichmit ihremge-
meinsamen Gastbeitrag für dieseZeitung
und die französischeFinanzzeitung „Les
Echos“ nicht allzu tief in die operativeDe-
battedarüber ein, wie die Europäische
Union mit denfinanziellenFolgen der Co-
rona-Pandemie umgehen sollte. AlsParla-
mentspräsidenten sind ihreMöglichkei-
tenohnehin begrenzt. Schäuble darfman
jedochgetros tunter stellen, dasserals
langjähriger Bundesfinanzministernoch
sehrgenaueVorstellungen auchvon den
Details der jetzigen Herausforderung zu
bietenhätte.Ferrand gehörte vonAnfang
an in den engen Kreis der Gefolgsleute
vonPräsident Emmanuel Macron.Für
ein deutsch-französisches Signal in schwe-
rerZeit sind die beiden alsokein schlech-
tesGespann.
Der Form nachweicht Schäuble nicht
vonder Haltung der Bundesregierung ab,
die vorallem dievonden durch die Coro-
na-Krise besondersschwergetroffenen
Ländernwie Italien und Spanien, aber
auchFrankreichgefordertenEurobonds
konsequent ablehnt.Erstkürzlichhatte
sichSchäuble in einem Interviewmit
„Zeit-Online“ entsprechendgeäußert.Co-
rona-Bonds würden beikeinem einzigen
Problem helfen, das nicht auchmit beste-
henden Instrumentengelöstwerdenkön-
ne. „DieVergemeinschaftungvonSchul-
den istjetzt wirklichnicht das Thema.“
Die Diskussion über Corona-Bonds sei so-
garschädlich, „weil wir uns mit diesem

Prinzipienstreit nurgegenseitig blockie-
ren“. Vielmehr schließen sichSchäuble
und Ferrand denjenigen an, die imKampf
gegendie Pandemie den mehrjährigenFi-
nanzrahmen der EU ausweiten und den
Europäischen Stabilitätsmechanismus
(ESM) sowie die Europäische Investitions-
bank einsetzenwollen.Über „neueSchrit-
te hin zu mehr Solidarität undfinanzpoli-
tischer Integration“ müsse nachgedacht
werden.
Es dürftedem Bundestagspräsidenten
nicht darumgehen, den besserenFinanz-
ministerzuspielen, obwohl ervermutlich
nichts dagegen hätte, für einen gutenge-
halten zuwerden. Schäuble setzt in der
deutschen Debatteein Signal:Nurwenn
Berlin undParisaneinemStrang ziehen,
geht es in der EUvoran. Dieses Gesetz

galt jahrzehntelang, ungeachtet vonein-
zelnen Meinungsverschiedenheiten.Ade-
nauer und de Gaullegelang es, die ab-
grundtiefen Gräben der frühenNach-
kriegszeit zwischen beiden Ländernso
weit zuzuschütten, dassman vorsichtig
wieder hinübergehen konnte. Schmidt
und Giscardd’Estaing warensogar be-
freundet; Kohl und Mitterrand entwickel-
tendie EuropäischeUnion trotzaller Mei-
nungsunterschiede so vielweiter ,wie es
seither nicht mehrgelungen ist.
Unterden Außenpolitikernder CDU
gibt es längstgrundsätzliche Zweifel an
der Qualität der Zusammenarbeit zwi-
schen Berlin undParis. „Es gibtkeine ge-
meinsameFührung Europas durch Frank-
reich und Deutschland“, sagteder Vorsit-
zende desAuswärtigenAusschusses im

Bundestag, NorbertRöttgen, dieserZei-
tung. Das sei nicht erst seit der Corona-
Kris eso, werdeinihr aber besondersdeut-
lich. Esgehe nicht um dieFrage, werdar-
an schuld sei,findetRöttgen, der einst
MinisteranMerkels Kabinettstischwar.
OhneNamenvonPolitkerndiesseits oder
jenseitsdes Rheins zu nennen beschreibt
er dengrundsätzlichenKonflikt:„Wases
auf französischer Seitevielleicht zu viel
gibt anVorschlägen, gibt es bei unsgar
nicht.“ Das müsse sichändern. Jedenfalls
wirdesnachEinschätzung des erfahre-
nenAußenpolitikers, der in der Bonner
Region, also ebenfalls nicht weit von
Frankreich entfernt lebt, „spannend“, ob
die Corona-Krise für eine „Generalinven-
tur“ der EUgenutztwerde. „Und ob an-
schließend dasVertrauen oder das Miss-
trauen zwischen den EU-Partnernüber-
wiegt.“
Die Debatteüber Corona-Bonds lässt
den altenStreit zwischen den Ländern,
die solche Verschuldungsmechanismen
befürworten, und denjenigen, die sie ab-
lehnen, aufflammen. Geführtwirderseit
langem unter demStichwortEurobonds.
Die Bundesregierungsteht geschlossen
da.Auchder sozialdemokratische Finanz-
ministerund Schäuble-Nachfolger Olaf
Scholz istgegen die Bonds. HelgeBraun,
der Chef des Bundeskanzleramts, sagte
der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszei-
tung, bei aller Herausforderung durch Co-
rona gelteweiterhin, dassHaftung und
Kontrolle zusammenfallen müssten. Da-
für gebe es Instrumente wie den ESM.
Man sei bereit, darüberzusprechen, wie
die Grundsätze des ESM auf eine Epide-
mie angewandtwerden könnten.„Aber
wirsindskeptisch beiallem,wasdie Stabi-
lität des Wirtschafts- und Währungs-
raumsgefährdet.“
Manchen Außen- und Europapoliti-
kern reicht das nicht.„Daskategorische
Nein zu Euro-Bonds istökonomischgut
begründet, aber emotional fatal“, sagt
Röttgen. Deutschland habe diese Lösung
zwar ablehnenkönnen, hätteaber doch
mehr tun müssen, als nur auf den ESM zu
verweisen, istseineAuffassung. Elmar
Brok,CDU-Politiker,der langeZeit im
EuropäischenParlament saß, begründete
sein Eintreten für „klar definierte und be-
grenzteeuropäische Corona-Anleihen“
in derF.A.S. damit, dassman sichnicht
vorstellen könne,wasinden italieni-
schen, spanischen und französischen See-
len angesichts der vielenOpfer los sei.

rüb. ROM. Der Streit um dasP-Wort ist
nicht beigelegt:Hat Italien den „Picco“,
den höchstenPunkt derPandemiekur-
ve,schon überschritten, oder befindet
sichdas Land nochauf dem „Plateau“,
mit eineretwa gleichbleibendenZahl
täglicherNeuinfektionen mitdem Coro-
navirus? ManchePolitiker undWirt-
schaftsvertreter neigen zur Theorie
vomGipfelabstieg.Die meistenWissen-
schaftler und auchder nationale Zivil-
schutz sagen, man sei nochauf der
Hochebene. DieZahlen dervergange-
nen Woche, die Zivilschutzchef Angelo
Borrelli jedenAbend um 18 Uhr derNa-
tion verkündet, lassen beide Interpreta-
tionen zu. Am Samstagsank dieZahl
der auf den Intensivstationen der italie-
nischen Krankenhäuser behandelten
Covid-19-Patienten erstmals seit gut ei-
nem Monat(um 74 auf insgesamt
3994). DieZahl dertägl ichenTodesfäl-
le blieb aber mitrund 700weiter er-
schreckend hoch; bis Sonntagstarben
in Italien mehr als 16 000 Menschen an
der Lungenkrankheit,rund die Hälfte
vonihnen allein in der Lombardei. An-
dererseitsgabdie Zahl der bestätigten
Neuinfektionen mit dem Coronavirus
wiederumAnlass zurHoffnung: Die
Wachstumskurve hat sichabgeflacht,
zeigtwomöglichsogar nachunten.
Zivilschutzchef Borrelli spracham
Samstagvon „sehr wichtigenNeuigkei-
ten“, weil gerade in der besondersvon
der Pandemie betroffenen Region Lom-
bardei der Druckauf die Intensivstatio-
nen der Kliniken nachlasse. Der für die
Koordinierung desKampfesgegen die
Pandemie zuständigeRegierungskom-
missar DomenicoArcuriwandteaber
sogleichein: „Wir sollten nichtglau-
ben, dasswir gewinnen, nurweil wir
den Gegner in die Engegetrieben ha-
ben.“ Er und die meistenFachleute in
den nationalen Gesundheitsbehörden
befürchteneine „zweiteWelle“, sollten
die radikalen Einschränkungen der Be-
wegungsfreiheit und derWirtschaftstä-
tigkeit zu frühgelockert werden. Die
„kritische Phase“ sei nochlangenicht
überstanden, bekräftigteder Präsident
des nationalen GesundheitsratsFranco
Locatelli. Die jüngste Entwicklung sei
lediglichein Anzeichen dafür,dassdie
Maßnahmen imKampfgegen diePan-
demieWirku ng zeigten: „Ohne dieAus-
gangssperre hätten wir 30 000 Tote
mehrgehabt.“
Die politische Debatteüber einemög-
liche „Exit-Strategie“ nimmt derweil
Fahrtauf. Gemäß dem jüngstemRegie-
rungsdekret aus dervergangenenWo-
chesteht fest,dassdie strengeAus-
gangssperre und dieStilllegungfast der
gesamtenWirtschaftauf jedenFall bis
einschließlichOstermontag beibehal-
tenbleiben.Aber waskommt danach?
Darüber,soberichteten italienische Me-
dien am Sonntag übereinstimmend,

werdeMinisterpräsident Giuseppe Con-
te im Einvernehmen mit den Präsiden-
tender zwanzigRegionen bisetwa Kar-
freitag entscheiden. Beim Herunterfah-
render Beschränkungen soll derFehler
vermiedenwerden,der deren Wirksam-
keit beim schrittweisen Hochfahrenge-
schmälerthatte:Esgab für unterschied-
liche Regionen zu unterschiedlichen
Zeiten unterschiedlicheVerbote.Dies
führte etwaam ersten Tagder Aus-
gangssperre für die Lombardei zur
Fluchtvonbis zu 20 000Personen in
den Süden des Landes.MitBlickauf die
Osterfeiertage, mitvoraussichtlichfrüh-
sommerlichemWetter, verschärftedie
Regierung dieWarnung, einAusflug
zum Meer oderdieFahrtzum Feriendo-
mizilwerdemit hohen Geldstrafenge-
ahndet.
In derWoche nachOsternsoll es
zwar nochkeine Lockerung derAus-
gangssperre geben; die soll nachdem
Willen vonZivilschutzchef Borrelli bis
mindestens Anfang oder sogar Mitte
Mai bestehen bleiben. Es dürfteaber
zur Wiederaufnahme der Arbeit in eini-
genWirtschaftsbereichen kommen.
Die Rede is tvon der Bauwirtschaft,von
der pharmazeutischen und derchemi-
schen Industrie,vonLandschaftsbau,
Forst- und Gartenwirtschaft. Auchdie
Schwerindustrie und der Handelfor-
dernlautstark eine Lockerung des
„Shutdowns“.
Ob die ersten SchritteinRichtung
„Exit“tatsächlich einvernehmlichbe-
schlossen und dann pannenfreiverlau-
fenwerden,kann man bezweifeln. In
der Lombardei erließ Regionalpräsi-
dentAttilioFontana am Samstageine
allgemeine Maskenpflicht für jede Be-
wegung in der Öffentlichkeit.Zivil-
schutzchef Borrelli ließ in Romso-
gleichwissen, erwerdeauchkünftig
keine Atemschutzmasketragen, weil
das Einhalten des Mindestabstands von
einem Meterausreichend Schutz biete.
Einen eigenen Vorschlag zur Locke-
rung des „Lockdowns“ machteder frü-
hereInnenministerMatteo Salvinivon
der rechtsnationalistischen Lega. Er
schlosssichder vorallemvontraditio-
nalistischenKatholikengeäußertenFor-
derung nacheiner Öffnung der Kirchen
zu Ostern an.
Dabei sollten die einschlägigen,etwa
für den Einkauf in Supermärkten gülti-
genSicherheits- undAbstandsbestim-
mungengewährleistetbleiben. Erver-
stehe nicht, dassKioskefür Zigaretten
und Tabak geöffnetseien, Kirchen aber
nicht.„Das heiligeOsterfest,die Aufer-
stehung unseres Herrn Jesus Christus
kann für Millionen Italiener ein Mo-
ment der Hoffnung zum Leben sein“,
sagteSalvini. Den Gottesdienstzu
Palmsonntagfeierte PapstFranziskus
in einemfastmenschenleerenPeters-
dom. Auchder Petersplatz blieb am
Sonntagweiträumig abgesperrt.

P


edroSánchez steckt nicht zu-
rück. Nach Ansicht des spani-
schen Ministerpräsidenten droht
die EU zu scheitern,wenn sie
sichangesichts der Corona-Krise nicht
schnell dazu durchringt, beherzt neue
Wege zu gehen.WieItalienfordertSán-
chez vorallemvonden EU-Partnernim
Norden „rigorose Solidarität“. In einem
Gastbeitrag für dieF.A.Z. schrieb der spa-
nische Ministerpräsident am Sonntag:
„Europa musseine Kriegswirtschaftauf
die Beinestellen.“ Dafürverlangt Sán-
chez einen „neuen Marshall-Plan“ für
den Wiederaufbau nachder Corona-Pan-
demie.
Vordem entscheidendenTreffender
Eurogruppe am Dienstagstellteerklar,
wie er sichdie Finanzierungvorstellt.Eu-
ropa braucht nachseiner Meinung einen
„neuen Mechanismus zur Vergemein-
schaftungvonSchulden“.Nachdem der
jüngste EuropäischeRatimStreit über
die vonihm forcierten„Corona-Bonds“
ergebnislos auseinandergegangen war,
verzicht eteerzumindestinseinem Gast-
beitrag, der sichandie Deutschenwand-
te,das Reizwortzuerwähnen.Zugleich
deutet er einenWegan, um die neueKon-
frontation zu entschärfen. In einem ers-
tenSchrittkönnteder Europäische Stabili-
tätsmechanismus (ESM) helfen, jedoch
ohneAuflagen.
Die Bundesregierung will den ESM für
die große Krise ertüchtigen und mehr als
400 Milliarden Eurofür Kreditebereitstel-
len. DochzuHause in Spanien hat Sán-
chez deutlichgemacht, dassdas für Spa-
nien nichtgenug sei und nur die erstePha-
se auf der Suche nacheiner Lösung sein
könne.„Wir werden standhaftund kon-
struktiv sein. Spanien wirdnicht auf die
Euro-Bondsverzichten“, sagteSánchez
am SamstaginMadrid; „wenn dasVirus
vorGrenzenkeinenHalt macht, dann dür-
fendies genausowenigdie Finanzierungs-
mechanismen tun“, hatteerinseinem
F.A.Z.-Beitraggeford ert. Als die „Lande-
bahn für eine Einigung“ hatten nachder

EskalationimEuropäischen RatDiploma-
tengegenüber derZeitung „ElPaís“ den
„Raum zwischen Angela Merkelund Pe-
droSánchez“ bezeichnet.
Dabei wardie Auseinandersetzung
über diegemeinsameAbschlusserklärung
mit Merkelund dem EU-Ratspräsidenten
Charles Michel nachInformationender
Zeitung sehr heftig. Das istungewohnt
für den spanischen Regierungschef, der
sichund seine Landsleuteinder EU zu
den „proeuropäischsten“ Staatenrechnet.
AufseineForderung, der Eurogruppe ein
klares Mandatzugeben, entgegneteAnge-
la Merkeldemnachmit wachsendemUn-
mut erst mit „Pedro, Du irrstdich“.Nach-
dem Sánchez ihr dannvorhielt, dieNot-
lageSpaniens nicht zu sehen, soll die
Kanzlerin scharfentgegnethaben: „Pe-
dro, wiekannstDusagen, ichverstehe
das nicht.Wir sind selbstander Grenze.
Wirhaben schon vieleKompromissege-
macht.“ Ähnlichwie die portugiesischen
Nachbarnsetzen die meistenSpanier bis-
her großesVertrauen in die EU.
Euroskeptiker haben in beidenLän-
dernpolitischkeine Chance, wie die
jüngstenWahlen zeigten. Selbstdie in
Spanien erfolgreicherechtspopulistische
Vox-Parteihat sichnicht auf Brüssel ein-
geschossen. Dorthat man nichtverges-

sen, wiestarkdie jungeDemokratie nach
dem Ende derFranco-DiktaturvomBei-
tritt zur Europäischen Gemeinschaftund
vonder EU-Mitgliedschaftprofitierte.
Hierkönnteaucheine Ursache für die
neuen Differenzen liegen.
„In Spanien sind die Erwartungen an
die EU,die man zuvor vielleicht zustark
idealisierthat, sehr hoch“, meint Miguel
Otero-IglesiasvomMadrider Elcano-For-
schungsinstitut. Ob es Madridvorallem
darum ging, politischen Druckaufzubau-
en, müsse man abwarten. Wichtig sei am
Ende ein Signal an Märkte und Bevölke-
rung, dassman dasVirusgemeinsam be-
kämpfe unddabei auchanden Wiederauf-
bau denke, sagt Miguel Otero-Iglesias.Zu-
gleichbeobachtet aucher, wie in Spanien
wieder Erinnerungen an die letztegroße
Wirtschafts- undFinanzkrisewach wer-
den.Nach2008 hattedie EUgeholfen,
die maroden spanischen Banken zuret-
ten. DiekonservativeRegierungverordne-
tedem Land daraufhin eine schmerzhafte
Rosskur. Sie hatteauchKürzungen im Ge-
sundheitssystemzur Folge, die sichjetzt
schmerzhaftbemerkbar machen.
In derRegionvonMadrid hält man die-
se Kürzungen bishervorallem der dort
seitvielen Jahrenregierendenkonservati-
venVolksparteiPPvor.Aber inKommen-

tarenund Karikaturen mehren sichdie
Stimmen,die der EU und auchDeutsch-
landVorwürfe machen. EineKarikatur in
der konservativenZeitung „El Mundo“
zeigtevor einigenTagenAngela Merkel
mit einem großen Geldsackauf dem
Schoß daheim auf dem Sessel. Sietät-
schelt ihn und sagt:„Geld, du bleibst
schön zu Hause“,während auf dem Bild-
schirmimHintergrund eineVideokonfe-
renz mit ihren zerknirscht blickenden
EU-Kollegen läuft. Auch PedroSánchez
erinnerte an dieFinanzkrisevon 2008:
Europa dürfe dieses Mal nicht wieder mit
einer Sparpolitikreagieren.
Damals sei es ein „asymmetrischer
Schock“gewesen, der nur einzelneStaa-
tengetroffenhabe, Corona betreffe alle,
schrieb er in seinemF.A.Z.-Beitrag. Im
Frühjahr 2020 fühlt man sichinMadrid in
Europaweniger einsam alsvorzwölf Jah-
ren. Nicht nurFrankreich, sondernauch
der größereTeil der EU-Partnersteht auf
der SeiteSpaniens und Italiens,während
im Norden die Sorge um die europäische
Integration zunimmt.„Wirerleben sehr
harte Zeiten ,die uns mutigeEntscheidun-
genabverlangen. MillionenEuropäer
glauben an das Projekt der Europäischen
Union. Lassen wir sie nicht imStich“,
schriebPedroSánchez.

GottgefälligesWerk: Ordensfrauen desAugustinerinnen-KlostersinSevillastellen Schutzmasken her. FotoGetty

Keine „zweite Welle“


Italien debattiertüber behutsame Lockerungen


Emotional fatal


Wiepasst das Nein zu Euro-Bonds zu einem europäischen Miteinander? / VonEckartLohse, Berlin


Die Corona-Pandemiefordertdie
Menschheit in einer so bislang nicht
gekanntenWeise. Gerade angesichts
dieser Herausforderung musssichdie
deutsch-französische Freundschaft
und musssichEuropa bewähren.
Jetzt müssen schnell ersteMaßnah-
men ergriffenwerden. Dabei sollten
wir die uns zurVerfügungstehenden
Instrumente soweit wie irgend mög-
lichnutzen, um auf die dringliche
Lagezureagieren und einZeichen
der Solidaritätzusetzen.Wirkönnen
und müssen daherfolgende Instru-
mentemit allergebotenen Flexibili-
tätmobilisieren und ausweiten:
–europäischer Haushalt und MFR
(mehrjährigerFinanzrahmen)mit al-
len Struktur-,Regional- und Sozial-
fonds,
–Europäische Investitionsbank,
–ESM (EuropäischerStabilitäts-
mechanismus).
Zudemwerden in dieser Krise natio-
nale wie europäische Schuldenregeln
vorübergehend außer Kraftgesetzt.
Angesichtsdieser Krise ungekann-
tenAusmaßes müssen wirjedoch
auchüber neue Schrittehin zu mehr
Solidarität undfinanzpolitischer In-
tegration nachdenken.Wirsindüber-

zeugt, dassdieseDebatte geführt
werden sollte unddassunsereParla-
menteihren Beitragleisten können,
um Missverständnisse auszuräumen
und gemeinsamvoranzukommen.
UnserebeidenParlamente sind
sicheinig, unsereRegierungen bei al-
len Bemühungen zur Bekämpfung
der gesundheitlichen, wirtschaftli-
chen undsozialenFolgen undbei
größtmögliche rSolidarität in Euro-
pa zu unterstützen.Als Parlamente
werden wir unserenBeitrag dazuleis-
ten, dassdie freiheitlicheDemokra-
tie mit ihrenRegeln undPrinzipien
der Tragweitedieser Krisegewach-
sen ist. Unsere gemeinsame deutsch-
französischeVersammlung erarbei-
tetkonkreteVorschlägefür die Zu-
sammenarbeit zwischen unseren
Ländern und in Europa.
Wirappellierenanalle Menschen
in unserenLändern, die notwendi-
genMaßnahmen zur Bekämpfung
der Kriseeinschließlichder Ein-
schränkungen in unser allerAlltags-
lebenund diegebotene Solidaritätin
Europamit Vertrauen undGeduld
zu unterstützen.
VonWolfgang Schäuble und
RichardFerrand

Enttäuscht vonEuropa


StefanLöfven istnicht der Mann für dra-
matische Appelle. Rhetorischist der sozi-
aldemokratische Ministerpräsi dent
Schwedenseherbei der deutschen Bun-
deskanzlerin, nüchternund bedacht.
Umso mehrfallen Sätze auf wie jene, die
er amWochenende in einem Interview
zur Corona-Krisegesagt hat.Man müsse
mit TausendenTotenrechnen,sagteLöf-
ven. „Eswäre besser,wenn wir uns dar-
auf vorbereiten.“Die Krisewerdenicht
Wochen, sondernMonatedauern.
Mit seinem Gesprächmit der schwe-
dischen Tageszeitung „Dagens Nyhe-
ter“ reiht Löfven sichineine Reihe von
Aussagen undZahlen dervergangenen
Tage ein, die klarmachen, dassdie Situa-
tion auchinSchweden immer ernster
wird.NochamSonntagabendwollte Kö-
nig CarlXVI. Gustafsichmit einer
Fernsehansprache an dieNationwen-
den. 373Personensind i nSchweden bis-
langamCoronavirusgestorben,mehr
als 6400 sind als Infizierte gemeldet.
Vorallem in der Hauptstadt is tdie Si-
tuationangespannt, sie istdas Zentrum
des Ausbruchs imKönigreich.
Bislanggalt Schweden alsgroße Aus-
nahme: ImKampfgegen dieAusbrei-
tung desViruswählteman einenWeg,
der zwar mit derAbflachung der Infekti-
onskurve dasselbeZiel hatte wie in den
meistenanderen Ländernauch–der
aber dochzuanderen Entscheidungen
führte,umdas Ziel zu erreichen. So setzt
die Regierungvorallem auf Appelleund
Information,weniger aufVerbote.Die
Schulen bis zur neunten Klasseund Kin-
dergärten sind nochoffen, Restaurants
mit Einschränkungen auch.Stattdessen
wurdenvorallem alteMenschen aufge-
fordert, auf sozialeKontaktezuverzich-
ten, um sichzuschützen;wer älter als 70
Jahreist,sollte zu Hause bleiben. Alle
anderen solltenmöglichstimHome-
office arbeiten, Reisenvermeidenoder
schon bei denleichtesten Symptomen
die Wohnungnicht mehrverlassen.
Die staatliche Gesundheitsbehörde
berief sichbei ihrerStrategie unter ande-
remauf unterschiedlicheKulturen und
Voraussetzungen in den Ländern–

Schwedenistdünn besiedelt.Dochdie
Kurveder Infektionensteigt weiter an.
VergangeneWochesagteder schwedi-
sche ChefepidemiologeAndersTegnell,
sie werdesteiler.Esgibt Berichte, dass
das Virussich in Stockholm auch in Al-
tersheimen ausbreitet und bereits Dut-
zendeTodesfälleverursacht habe. In ei-
ner Messehalle wurde amWochenende
ein Lazarett für Covid-19-Erkrankteer-
öffnet.
Schon in denvergangenenTagenjus-
tierte die Regierung also nach.Veran-
staltungen mit mehr als 50 Menschen
wurdenverboten,genausowie di eBesu-
cheinAltersheimen. Es gibtAufrufe,
öffentliche Verkehrsmittel zumindest
im dichten Berufsverkehr zu meiden,
Geschäfte müssen die Anzahl derKun-
den begrenzen, die sie hineinlassen.
Politischspitzt sichdie Lageebenfalls
zu für Löfven und seinerot-grüneMin-
derheitsregierung.Konnte er sich bis-
lang einer breitenUnterstützung imPar-
lament für seine Krisenpolitik und die
Rettungspaketesicher sein, scheiterte
nun derVersuch, sich mitgrößerenVoll-
machten ausstatten zu lassen. SeineRe-
gierung hatteein Gesetzvorbereitet,um
in der Krise schnellergegendas Corona-
virusvorgehen zukönnen–und auch
ohneZust immung desReichtagesVer-
sammlungenverbietenoder Cafés und
Supermärkteschließen zukönnen. Nach
heftiger Kritik zog dieRegierung das Ge-
setz amWochenende wieder zurück.
Unterden Schweden immerhiner-
fährtLöfven so vielZustimmung wie
langenicht .IneinerUmfrag esagten
vergangeneWoche44Prozent der Be-
fragten, sie hättengroßesVertrauen in
ihn. ImFebruarwarenesnoch 26 Pro-
zent.Indem Interviewwurde Löfven
auchgefragt,oberjemalsdarangezwei-
felt habe,dassSchweden dierichtige
Strategie verfolge. Die Hauptpfeiler der
Strategie, sagteer, also dieAusbreitung
des Viruszubegrenzen ebenso wie die
Folgen für dieWirtschaftund das sozia-
le Leben, seienrichtig. Man müsse aber
auch immer bereitsein, sichzuüberprü-
fenund innerhalb diesesRahmens an-
zupassen.

Mehr Solidarität und Integration


In Spanienwardas


Vertrauenindie EU bis


zuletztgroß. Dochnun


machtsichUnmut über


Europa unddie


Deutschenbreit.


VonHans-Christian


Rößler,Madrid


Nüchtern mit dem


Schlimmstenrechnen


Auch Schwedenverschärft nun die Maßnahmen


gegenCorona / VonMatthiasWyssuwa,Hamburg

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