Frankfurter Allgemeine Zeitung - 25.03.2020

(Joyce) #1

SEITE N2·MITTWOCH,25. MÄRZ2020·NR.72 Naturu nd Wissenschaft FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


Die Evolution istauf Ef fizienz bedacht.
Wassichals überflüssig erweist, ver-
schwindetimLaufeder Generationen. So
wurden Höhlenbewohner allmählich
bleichund blind,undVögel, diees aufent-
legene Inselnverschlagen hat,verloren
nicht selten ihreFähigkeit zufliegen. In
der Inselwelt des Indischen Ozeans istda-
fürdieDronte,auchDodogenannt,dasbe-
kannteste Beispiel. Mit lächerlichkleinen
Flügelnausgestattet,bevölker tediesestatt-
liche Vertrete rinder Tauben einstdie In-
sel Mauritius.Zeitlebens auf dem Boden
zu bleiben,warkein Nachteil, solangeden
Vögeln dortkeine Gefahr drohte. Doch
das änderte sichabrupt, als Menschen
samt ihren Haustieren auf MauritiusFuß
fassten.
Den Kontakt mit diesenNeuankömm-
lingen überlebten die Dronten ebensowe-
nig wie etliche andereInselbewohner.
Vonallen flugunfähigenVöge ln, die sich
einstauf Inseln im Indischen Ozeange-
tummelt haben, istmittlerweile nur ein
einziger übrig geblieben: die Aldabra-
Weißkehlralle (Dryolimnas aldabranus),
etwaskleiner als die europäischeTeich-
ralle, auchals Teichhuhn bekannt.Dass
die Weißkehlralle auf dem Aldabra-Atoll
rech tschnell ihreFlugfähigkeitverloren
hat, haben Biologen um Janskevan de
Crommenackervon der University of
Kent in Canterburyund Nancy Bunbury
vonder University of Exeter entdeckt.
Gemeinsammit Kollegenvonden Sey-
chellen, Südafrikaund Frankreichstudier-
tendie Forscher,wie eng dieWeißkehlral-
ledesAldabra-AtollsmitderaufMadagas-
karheimischenWeißkehlralle (Dryolim-
nas cuvieri)verwandt is t. Dieservoll flug-
fähigeVogel fühlt sichnicht nur infeuch-
temAmbientewie Sümpfen und Mangro-
venwäldernzuHause. Er bevölker teben-
so gern trockenes Buschland, wo statt
Schneckenund Krabben hauptsächlichIn-
sekten auf seinemSpeiseplanstehen. An-
passungsfähig und unternehmungslustig,
fand dieWeißkehlralle auchauf Mauri-
tius, Réunion und anderen Inseln imUm-
kreis vonMadagaskar eine Heimat. In in-
sularerAbgeschiedenheitverlernt esie das
Fliegenfast oder völlig. Wassichals fatal

erwies,alsSeefahrerdieInselvereinnahm-
ten. Zumal mit den Menschen auchRat-
ten, Katzen und anderes Getier an Land
kamen.
Mit AusnahmevonAldabra sind auf
kleinen Inseln sämtlicheWeißkehlrallen
ausgestorben. Auf den nördlichsten Inseln
desAldabra-AtollshabendieWeißkehlral-
lenbis heuteüberlebt.Umauchdie nächs-
tenVerwandtenineinenmolekulargeneti-
schen Stammbaum einbeziehen zukön-
nen, extrahiertenvan de Crommenacker
und seineKollegen die benötigteDNA
nur teilweise aus Blutproben.Teils muss-
tensie auf Hautproben aus den Sammlun-
gendiverser Museen zurückgreifen. Wie
die Analysen er gaben, sind die madagassi-
schen VorfahrenderAldabra-Weißkehlral-
le voretwa80000 bis 130 000 Jahren auf
dem Atoll gelandet(„Plos One“, doi.
10.1371/journal.pone.0226064).Gutmög-
lich, dassAldabra in diesemZeitraum so-
garmehrmalserfolgreichbesiedeltwurde.
SolangeihreFlügel nochzum Fliegen
taugten,konnten dieVögelmühelosvon
einer Insel desAtolls zur anderenflattern.
Als dieNachkommen der eingewanderten

Rallen ihreFlugfähigkeitverloren, wur-
den ein paar hundertMeter Wasser zwi-
schen den Inseln jedochzueinem unüber-
windlichen Hindernis.Kein Wunder,dass
sichverschiedenePopulationen entwi-
ckelt haben: Die überlebendePopulation
im Norden des Aldabra-Atolls unterschei-
detsichgenetischdeutlichvon eine rsüdli-
cheren, die mittlerweile aberwohl kom-
plett ausgestorben ist.
Umstrittenbleibt,obdieAldabra-Weiß-
kehlralle als eigenständigeSpezies zu be-
trachten ist.Wenn nicht, so argumentie-
rendie Forscher umvandeCrommen-
acker, verdientsie alsrare Subspezies den-
nocheinen besonderen Gefährdungssta-
tusder„InternationalUnionforConserva-
tionofNature“(IUCN).AngesichtsdesRi-
sikos,das sHauskatzenvonderHauptinsel
des Atolls die benachbartenRefugien en-
tern,solltedie IUCN die Aldabra-Weiß-
kehlralle als einevomAussterben bedroh-
te Artlisten.
KleineRallen, die nicht mehrfliegen
konnten, sind auf Aldabravorlanger Zeit
schon einmal ausgestorben –damalsganz
ohneZutundes Menschen. Das fanden Ju-

lian P. HumevomNatural History Muse-
umin Tring,HertfordshireundDavidMar-
till vonder University ofPortsmouth her-
aus. Wiesie im „Zoological Journal of the
Linnean Society“ (doi: 10.1093/zoolinne-
an/zlz018) berichten,wardas Aldabra-
Atoll voretwa136 000 Jahrenvollständig
überflutet.Der steigende Meeresspiegel
hattedasSchicksalsämtlicherLandbewoh-
ner besiegelt, die nichtfliegendflüchten
konnten.
Die Paläontologen entdeckten nicht
nur KnochenvonWeißkehlrallen, die das
Atoll wiederbesiedelthatten, alseswieder
aus den Fluten aufgetaucht war. Sie stie-
ßen auchauf deutlichälter eFossilienvon
Dryolimnas-Rallen, diegleichfalls dieFä-
higkeitzufliegen verlorenhatten.Vermut-
lich stammten dieUrahnen dieserVögel
ebensovon Madagaskar wie dieVorfah-
render Aldabra-Weißkehlralle. Somit hat
die dieselbeVogelgattung auf dem Alda-
bra-A toll zweimal nacheinander eine ähn-
liche Entwicklung durchlaufen.
Allmählich aufsFliegen zuverzichten,
scheintWeißkehlrallen besondersleicht-
gefallenzusein.Undnichtbloßihnen:Mit-
gliederder Rallen-Familie sind offenbar
prädestiniertdafür,nichts mehr in einen
leistungsfähigen Flugapparat zu investie-
ren. Vorausgesetzt, dieUmwelt läs st sol-
cheEinsparungen zu.Vonden je nach
fachlicher Einschätzung 135 bis 150 heute
lebendenRallen-Spezieskann mehr als
ein Viertelnicht mehrfliegen. Darunter
aucheine aufNeuseeland heimische, bis
zu drei Kilogramm schwereRalle namens
Takahe.QuasiinletzterMinutewurdedie-
se Verwandtedes Purpurhuhnsvorläufig
vordemAussterbengerettet. Vonden Ral-
len, die sicheinstauf Inseln in allenWelt-
meeren tummelten, habenwohl diewe-
nigstenbei Gefahr davonflatternkönnen.
Kein Wunder,dassmindestens hundert
Artennachweislichausgestorben sind.
Die meisten, die auf einsamen Inselnvon
Menschen oder mitgebrachten Haustieren
ausgerottetwurden, dürften aber spurlos
verschwunden sein. Manche Fachleute
schätzen dieZahl dieserRallen-Spezies,
vondenen bislang nochkeine sterblichen
Überrest eaufgetaucht sind, sogar auf bis
zu zweitausend. DIEMUTKLÄRNER

MikroplastikvonFolien


Kleinste Plastikpartikel entstehen
auchbeim tägl ichen Öffnenvon
PET-Flaschen, beimAufreißenvon
Plastikverpackungen oder beimZer-
schneidenvonPlastik folienode rPlas-
tikbändern.Cheng Fang vonder Uni-
versität Newcastle inAustralien und
seine Kollegen berichten in „Scienti-
ficReports“,dasspro Zentimeterauf-
gerisseneroder zerschnittenerVerpa-
ckungsfolie 46 bis 250 Mikroplastik-
partikelentstehen.DerenGrößevari-
iertstark.Wie viele Mikropartikel
beim ÖffnenvonPlastikverpackun-
genentstehen, hängtvonden Eigen-
schaf tendes Materials und der Art
des Öffnens ab. DasZerschneiden
vonFolie mit dem Messer erzeugt
mehr Partikel als dasZerschneiden
mit der Schere,weil sic hdas Messer
langsamervorwärtsbe wegt und das
Plastikmaterial dabei stärkerver-
formt. Ob undwie vieledieser Mikro-
plastikpartikelvonden Nutzernauf-
genommenwerden, is tderzeit unklar
–auchobgesundheitlicheRisikenda-
vonausgehen. hka.


Täglichein heißes Bad


JedenTageinmal heiß badenkönnte
ein probates Mittel sein, um Blut-
hochdruckund alsFolgedavonauch
tödlicheHerzkrankheitenundSchlag-
anfälle zuverhindern. In Japan sind
heiße Bäder mitTemperaturen bis 43
Grad weit verbreit et.Vom positiven
Effekt auf die Gesundheit sind viele
überzeugt.Jetzt haben Mediziner der
UniversitätsklinikvonOsakaimFach-
magazin „Heart“ die Ergebnisse ei-
ner im Jahr 1990 begonnenenStudie
mit mehrals 30 000 mittelaltenFrei-
willigenvorgelegt.Bis zumAbschluss
der Studie vorzehn Jahrenwaren
mehr als 2097 Herz-Kreislauf-Lei-
den, 275 Infarkte, 53 plötzliche Herz-
tode und 1769 Schlaganfälleregis-
trier tworden.Wertäglic hheiß bade-
te st att höchstens ein- bis zweimal
die Wocheverringerte sein Herzer-
krankungsrisikoum28Prozent, das
Schla ganfallrisikoum26Prozent.Hei-
ßes Badewasser beugt deutlich besser
vorals nur warmes Wasser. jom


W


ie in allen großen
Galaxien verbirgt
sichauchimZen-
trum der Milchstra-
ße ei nsupermasse-
reiche sSchwa rzes
Loch. Im intergalaktischenVergleichist
es einschla fenderRiese: Nurselten hat
esAppetitaufSterne,Gaswolken undAs-
teroiden, entsprechendwenig Stra hlung
empfangen Astronomen ausseinerUm-
gebung. Seit ein paar Jahren scheint sich
das zumindestein wenig zu ändern, wie
Emmanuelle Mossoux vonder Universi-
tät Lüttichund ihr eKollegen ausBelgien
und Frankreichineinem in derFachzeit-
schrif t„Astronomy &Astro physics“er-
scheinendenAufsat zberichten (doi:
10.1051/0004-6361/201937136): ImRönt-
genlicht hat die Aktivität desvier Millio-
nen Sonnenmassen schwerenKolosses
eindeutig zugenommen.
Mossouxund ihrTeam verwendeten
Archivdaten dreier imWeltall stationier-
terRöntgenteleskope, der amerikani-
schen Satelliten Chandraund Swiftso-
wie des europäischen XMMNewton, um
die Veränderung der Röntgenaktivität
der Quelle Namens Sagittarius A
(spric h„A-Stern“) imSternbild Schütze
zu un tersuchen .Genau an dieser Quelle,
rund 26 000 Lichtjahre vonder Erde ent-
fernt, befindet sich das zentrale Schwar-
ze Lochder Mil chstraße.Zwarsendet es
selbs tkein Li chtaus, dochAstronomen
beobachten,wie es Sterne undWasser-
stoffwolken durch seine Gravitations-
kraf tauf engeUmlaufbahnen zwingt.
Kommt ihm ein Himmelskörper zu nahe,
wirderdurch die extremenGezeitenkräf-
te zerrissen undstürzt aufNimmerwie-
dersehen in den Gravitationsschlunddes
Schwarzen Lochs–nicht ohne dabei ei-
nen letztenTodesschrei inForm elektro-
magnetischerStrahlung auszusenden.
So interpretieren die Wissenschaftler
auchdie immer wieder aufflackernde
Röntgenstrahlung aus Sagittarius A
.Von
1999 bis zum Jahr 2018 beobachteten sie
insgesamt 121 solcher Röntgenflares.
Weil dieTeleskope nicht permanent in
RichtungvonSagittarius A ausgerichtet
sind, werden nicht alle Ausbrücheaufge-
zeichnet. Dietatsächli cheRatelag hochge-
rech netbei einemRöntgenausbruchpro
Tag, zumindestbis zum Jahr 2014. Da-
nachhatsiesichderStudiezufolgeverdrei-
facht. Das bestätigt eine Arbeit derglei-
chen Autoren aus demJahr 2017; die neue
Studie fügt der Analyseaber nun Daten
aus den Jahren 2016 bis 2018 hinzu.
Ein gesteigerter Appetitdes Lochs ist
aber nur einemögliche Interpretation die-
ses Resultates, erklärtMossou xauf Nach-
frage. Auc heine plötzliche Änderung der
Konfiguration seines Magnetfeldskönnte
Röntgenausbrüche auslösen: „Mit unseren
Daten allein istesunmöglich, den zugrun-
de liegenden physikalischen Prozesszuer-
mitteln. Dazuwäre eineUntersuchung in
anderenWellenlängen,etwa im Nahinfra-
rot- ode rimRadiobereichnotwe ndig.“
Beobachtungen mit demVeryLargeTe-
lescop einChile und dem 10-Meter-Keck-
Teleskop auf Hawaii hatten im April und
Mai 2019 tatsächlicheine erhöhte
Aktivität vonSagittarius A
im
Nahinfrarotbereic hfestges tellt.Eine Ana-
lyse älterer Beobachtungsdaten in diesem


Wellenlängenbereichsteht noc haus. Neu-
este Röntgenmessungen des Swift-Satelli-
tenaus dem Jahr 2019 zeigen jedenfalls,
dassdasSchwarzeLochmunterweiter
strahlt .Für eine detaillierte Analyseder
2019er-Daten istesa ber nochzufrüh;
weil die entsprechenden Resultat evon
Chandraund XMM Newton den For-
scher nnochnicht zurVerfügungstanden.
Das Ergebnis istinteressant, seine Si-
gnifikanzaber noch begrenzt, meint Hei-
no Falcke vonder Radboud-Universität
im niederländischen Nimwegen, der
selbs tander Studie nicht beteiligtwar.
WieMossou xhält erweiter gehende
Schlü ssenochfür verfrüht :„Röntgen-
strahlung reagiertsehrempfindlich auf
kleins te Änderungen in denPlasmaströ-
menumdas Schwarze Loch. Auch am
Meer gibteskurzfristig mal ein paarstär-
kere Wellen und dannwiedereine etwas
ruhiger ePhase. Interessanterist es,
wenn der Seespiegelsteigt, wenn also
mehr Material ins schwarze Loch fällt.
Dafür gibt es noch keine Anzeichen.“

Falcke isteinerder führendenWiss en-
schaftler des EventHorizonTelescope,
dasimApril2019 dasAbbilddes Schwar-
zenLochsderGalaxieMessier 87 veröf-
fentlichthat.EineZunahme der Akkre-
tion,also des Einströmens neuer Materie
in das Loch,könnte ihren Plan erschwe-
ren, bald auch ein Bild des Massenmons-
ters derMilchstraße zu erstellen:„Wenn
die Akkretionsratestarkanstiege,könnte
das Plasma undurchsichtigerwerden und
uns den Blickauf da sSchwarzeLochver-
sperren.Aber so weit sin dwir zum Glück
nochnicht.“
Aufdas zweiteBildeines Schwarzen
Lochs wird die Menschheitohnehinet-
waslängerwarten müssen alsgeplant:
„Die Covid-19-Pandemie betrifft auch
uns stark“, berichtet Falcke.„Die
2020-KampagneistschwerenHerzensab-
gesagt, mehrund mehrTeles kope haben
ihren Betrieb heruntergefahren. Es gibt
auchindiesenZeiten wichtigereAufga-
ben, alsind en Himmel zu schauen.Der
istnächs tesJahr auch noch da.“

Die Aldabra-Weißkehlralle kommt auchals Laufvogel gut zurecht. FotoMauritius

Kein künstliches Licht trübt den Blickauf die Milchstraße imNationalparkGrasslands in derkanadischen Provinz Saskatchewan. FotoImago

FürerheblicheVerunsicherung sorg-
tenkürzlic hWarnungen in den
Medien,gängigeMittel gegenBlut-
hochdruckkönnten eine Ansteckung
mit dem neuen Coronavirus Sars-
CoV-19fördernund bei den Infizier-
tenschwereLungenentzündungenbe-
günstigen. Die Rede is tvon ACE-
Hemmernund Angiotensin-Antago-
nisten, vonMedikamenten also, die
den Blutdrucksenken und das Herz
entlasten, indem sie auf jeweils unter-
schiedliche Weise das die Gefäße
verengende Hormon Angiotensin
ausschalten.
Ausgelös twurden die medialen
SchockwellenvontheoretischenÜber-
legungen, nichtetwa vonden Er geb-
nissen wissenschaftlicherStudien. So
hattenWiss enschaftler um Michael
Roth vomUniversitätsspital Basel in
der Fachzeitschrift„Lancet“ (doi:
10.1016/S2213-2600(20)30116-8) zu
bedenkengegeben, die besagten Blut-
drucksenkerführtenzueinerVermeh-
rung jenes Proteins, das Sars-CoV-19
nutzt, um seinenWirtzubefallen. Bei
der viralen „Räuberleiter“ handeltes
sichumein Enzym namensACE2,
dassichaufder Oberfläche vielerZel-
len befindetund dieAufgabe hat, An-
giotensin außer Gefecht zu setzen.
Als ein Gegenspieler des Angioten-
sin-bildenden Enzyms ACEunter-
stützt ACE2 somit die therapeutische
Wirkung vonACE-Hemmernund
Angiotensin-Antagonisten.
Ob die besagten Blutdrucksenker
dem neuartigen Coronavirus tatsäch-
lichEinstiegshilfeleisten, lässt sich
bislang nicht belegen. Die Lancet-Au-
toren halten diesgleichwohl für mög-
lich. Als Indiz für eine solche Gefahr
führen sie ins Feld, Patienten mit
schwerem Covid-19-Verlauf hätten
auffallend ofthohen Blutdruckund
andereStörungen, die häufig mit
ACE-Hemmernund Angiotensin-An-
tagonisten behandelt würden.
Dieses Argument lässt Franz Mes-
serli vonder Abteilung fürKardiolo-
gie am Universitätsspital in Bern
nicht gelten. WiederHochdruckexper-
te auf Anfragesagt, setzt dasVirusal-
tenund kranken Menschen bekannt-
lichbesonderszu. Mit dem Alter
steigeaber auchdas Risikofür hohen
Blutdruckund viele andereGebre-
chen. Wenig er staunlichsei es daher,
dassPatienten mit schwerem
Covid-19-Verlauf häufiger vonsol-
chen Leiden betroffensind. Dennoch
bezeichnete es der SchweizerKardio-
logeals wichtig, denFragen nachder
Sicherheit solcher Hochdruckmittel
bei Covid-19-Patienten auf den
Grund zugehen. Laut der Europäi-
schen Gesellschaftfür Hypertonie
und der Deutschen Hochdruckligabe-
steht derzeit allerdings kein Grund,
auf ACE-Hemmer und Angiotensin-
Antagonisten zuverzichten.Auch ra-
tensie dringend davonab, die betref-
fenden Mittel ohneRücksprache mit
dem Arzt abzusetzen.
Es gibt andererseits auchHinweise
darauf, dassCovid-19-Patientenvon
einer Anwendung solcher Medika-
menteprofitierenkönnten. Sogeht
aus mehreren Erhebungen hervor,
dassmit ACE-Hemmernund Angio-
tensin-AntagonistenbehandeltePer-
sonen seltener eine–auf Bakterien
oderauchVirenzurückgehende–Lun-
genentzündung erleiden alsPatien-
ten, diekeine solchen Mittel einneh-
men. Auch soll die bedrohliche Er-
krankung bei Ersteren vergleichswei-
seseltenerineintödlichesLungen ver-
sagen münden.
Ob das auchfür Infektionen mit
Sars-CoV-19 gilt,lässt sichzwarnoch
nicht beantworten. Unte rsuchungen
bei Mäusen legen einen solchen
Schlussgleichwohl nahe. Sokonnten
WissenschaftlerumdenWienerGene-
tiker JosefPenninger bereitsvorJah-
renzeigen, dassder Er regerder Lun-
genkrankheit Sars–ein engerVer-
wandter des neuen Coronavirus, der
wie dieses über das EnzymACE2 in
seine Opfer dringt–über eine erhöh-
te FreisetzungvonAngiotensin die
Lungeschädigt.Unterdrückten sie
dasHormonmiteinschlägig enHemm-
stoffen, richtete der Sars-Erregerin
der Lungedeutlichviel weniger
Schaden an.
Josef Penninger,der seit zwei Jah-
rendasLif eSciencesInstitutederUni-
versityofBritishColumbiainVancou-
verleitet,geht derzeit mit einerFor-
scher gruppe derFragenach, ob sich
das neuartigeCoronavirus mit einem
Überangebotanfreien, also nicht an
Zellen gebundenen,ACE2-Proteinen
abfangen und so daran hindernlässt,
Infektionen anzufachen und deren
Folgen zuverschlimmern.
Entwickelt wir ddas synthetische
ACE2-Molekül namens APN01von
derFirma ApeironBiologics, einem
vonPennin gergegründetenBiotech-
unternehmen mitSitz inWien. Zu
hof fenbleibt, dasssich genügend In-
vestorenfindenlassen, um die in
Europa und ChinageplantenPatien-
tenstudienraschindie Wege zu
leiten. NICOL AVON LUTTEROTTI

WisseninKürze


Das Schwarze


Lochregt sich


Wenn Vögel das Fliegen verlieren


Ausges torben undwiedergekehrt:DerAldabra-Weißkehlralle wurdedie Flugunfähigkeit mehrmalszumVerhängnis


Virale


Botschaft


Blutdruckmittel


habenkein besonderes


Corona-Risiko
Ände rt sich derzeitder A ppetitdes

Masse-Kolosses im Zentrum unserer Galaxie?


Die Deutungneuer Beobachtungen


istnochunkla r.


VonJan Hattenbach

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