Der Standard - 21.03.2020

(Ron) #1

4 |SA./SO.,21./22.MÄRZ2020DAgenda:AgendaCoronavirus-Krise ERSTANDARDWOCHENENDE


W


enn es jetzt in Zeile sieben des
Rezeptsheißt:„undjetzt48Stun-
den in der Marinade beizen“, gibt
es keine Ausreden mehr. Die oktroyierte
häusliche Zeit könnte an heimischen
Herden Wunderbewirken. Es muss ja
nicht gleich die Kaukasische Hühner-
suppe sein, die es mit mehrerenStufen
des Aufkochen- und Erkaltenlassens auf
einige Tage bringt. Oder die 24-Stunden-
Sauerkrautsuppe (zuerst drei Stunden
kochen, dann vier Stunden ziehen lassen,
dann 24 Stunden kaltstellen).
Eine Herausforderung wäre es schon,
ein Sülzchen selbst herzustellen. Das
heißt: Die Gelatine gewinnen, indem
man Schweinehaxen sechs bis acht
Stunden köcheln lässt. Ja, Kochen ist
nicht nur schön! In Anbetracht der her-
anrückenden Osterzeit wäre auch eine
Oster-Pascha zu empfehlen, schmeckt
herrlich und muss nur 24 Stunden kühl
stehen. Oder eine Torte Napoleon? 14
Böden–Sie werden stolz sein! (afze)

Ran an die


24-Stunden-Suppe


E


in Spitzenkoch, der nach Hause
liefert. Noch vor wenigen Wochen
war dieser Service den Privatjet-
Fliegern und Kaviar-Frühstückern unter
uns vorenthalten. Jetzt liefern die Köche
höchstpersönlich an alle. Aktuell Martin
Kilga aus dem Restaurant Paradoxon und
Andreas Döllerer in Salzburg sowie Ma-
nuel Ressi vom Bärenwirt in Kärnten.
Andere ziehen täglich nach.
In Wien verteilen die Servicemitar-
beiter der Pizzeria Disco Volante ihre
Ware mit Lastenrädern. Liefern ist eine
der wenigen Möglichkeiten für Gastro-
nomen, ihre Betriebe zu retten. Mitleid
hilft nicht, sich ein Mehrgangmenü vom
Lieblingskoch bringen zu lassen dagegen
schon. Warum also die Zeit zu zweit, das
romantische Dinner, wenn die Kinder-
lein im Bett sind, nicht mit Quality-Food
aufwerten und ein Sternemenü in den
eigenen vier Wänden genießen? Sponta-
nerBesuchistohnehineherauszuschlie-
ßen. (niw)

Sterneküche in den


eigenen vierWänden


Z


uden Dingen, die rücksichtsvolle
Bürobewohner normalerweise aus
Scham vor derKollegenschaft unter-
lassen, zähltder übermäßige Konsum
diverser Genussgüter am Schreibtisch-
platz.Lautes Schmatzen, Schlürfen,
Knacksen, Glucksen,Japsenoder Gur-
geln stört bewiesenermaßen die Konzen-
tration–zumindestdie des Nachbarn. Zu
den Vorzügen der Arbeit von zu Hause
aus zählt nun aber, dass einem niemand
mehr dabei zusehenund-hören kann.
Für uns rücksichtsvolle Bürobe-
wohner heißt das, dass endlich auch wir
uns völlig uneingeschränkt jedem noch
so stinkenden, triefenden oder qualmen-
den Gaumenfeuerwerk hingeben dürfen,
ohne den Rückzug in die Kantinen an-
treten zu müssen. Hinzu kommt, dass
die Quelle allen Glücks, der Kühl-
schrank, gleich ums Eck steht. Zweimal
umfallen, und man ist schon dort. Ein
Tipp vom Profi: Die Naschlade gleich in
den Schreibtisch integrieren. (stew)

Schamlos am


Schreibtischvöllern


U


mzuHause ein Drama Shakes-
peare’schen Zuschnitts vorzube-
reiten, braucht es nicht viel. Einen
Türrahmen als Bühnenportal, Klamot-
ten aus dem elterlichen Kleiderschrank,
Schminkzeug und Omas Hut. Das Ent-
scheidende ist die Probenzeit! Zunächst
gilt es, Rollenmuster zu probieren, z. B.
Gangarten austesten vom Schlendern,
Schleichen, Stolzieren, Marschieren bis
zum Humpeln. Dann die Mimik auf Vor-
dermann bringen: träumerisch blicken,
verärgert, traurig, angewidert oder scha-
denfroh.
Und schließlichdie Sprechorgane auf-
wärmen („In Ilses Iglu ist immer irrsin-
nig viel Licht“). Und schon ist der Weg
frei fürRomeo und Juliaim Türrahmen.
Eintrittspreise individuell. (afze)

Shakespeare


imTürrahmen


A


ls wirksamste Therapie gegen Iso-
lationsfrust hat sich immer noch
Kuscheln bewährt. Wie gut sich
das anfühlt, wenn man es richtig macht,
weiß GV-Göttin Gillian Anderson inSex
Education.Dieser Ringelpietz kann auch
uneingeschränkt jenen ans Herz gelegt
werden, die gerade niemanden für kör-
perliche Nähe greifbar haben.
Die Schönheit der Sünde vermittelt
weitersThe New Pope.JohnMalkovich ist
als obersterKathole inmitten einer kleri-
kalen Schlangengrube vor allem–aber
nicht nur–etwasfürs Auge. Nostalgie-
gelüste befriedigt unterdessen der Baye-
rischeRundfunk: Sonntagfrüh neckt und
versteckt ein aus den 1980er-Jahren gut
bekannter Kobold:Hurra, derPumuckl
ist da! (prie)

Serien


fürdie Freude


SichinKultur üben


D


er gerade neue Aktualität erfah-
rende Generationenvertrag–nicht
Oma und Opa besuchen!–lässt
sich gut auf das Fernsehprogrammaus-
weiten. Die Quarantäne erlaubt es, Kind
und Vater gleichzeitig zu beglücken und
einander nicht nur über den Umweg
voller Windeln (früher) oder die Nöti-
gung zur Hausübung (jetzt) kennenzu-
lernen.
Als Vater begreift man endlich den
Reiz von Figuren wieCaptain Under-
pantsoderBaby Boss.Das Kind wiede-
rum lernt die gefrorene Miene des Bus-
ter Keaton schätzen oder die quietschen-
den Augenäpfel vonStan&Ollie,wenn
sich diese beiden Engel unserer Zeit wie-
der einmal uneins sind. „Papa, kann ich
das bei dir auch probieren?“(flu)

Pädagogik für


die Generationen


W


as gibt es Beruhigenderes, als
ein gutes Buch vorgelesen zu
bekommen? Auch wenn die
Liebsten gerade nicht in denselben vier
Wänden weilen, kann man ihnen diesen
Luxus zukommen lassen. Alles, was es
dafür braucht, ist ein gutes Buch (etwa
einen Quarantäneklassiker wie dasDe-
kameronvon Giovanni Boccaccio) und
das Smartphone. Dann heißt es nur noch
auf „Aufnahme“ drücken und vorlesen!
Kleine Versprecher oder das eine
oder andere Hintergrundgeräusch stören
dabei keineswegs. Im Gegenteil: Gerade
das Kinderlärmen und das Hundegebell
im Hintergrund oder die vier Anläufe,
die man für „Streichholzschächtelchen“
braucht, sorgen beim Empfänger für
Schmunzeln. (anra)

Hörbücher,


selbst gelesen


G


ieß mich“, „Topf mich um“, „Sta-
bilisiere meine schweren Halme“,
so ganz isoliert in den eigenen
vier Wänden kann man dem Raunen der
vernachlässigten Zimmerpflanzen nicht
mehr entkommen. Tage- und auch näch-
telang waren sie durstig auf sich allein
gestellt. Nun muss man sich ihrer ver-
trockneten Blattspitzen annehmen–wie
könnte man anders?
Am einfachsten funktioniert das mit
Apps wieGardeniaoderMyPlants,die
nicht nur die Pflanzenarten bestimmen,
sondernauchansGießenundDüngener-
innern. Wer Blumenerde gehamstert hat,
kann per Anleitung sogar zum Hobby-
gärtner werden–sei es auf dem Fenster-
brett (Kräuter), auf dem Balkon (Blumen)
oder sogar im Garten (Gemüse). (kr)

Den grünenDaumen


kultivieren


O


bMarie Kondo, die Königin des
Home-Improvement durch Weg-
werfen, eigentlich von der Corona-
virus-Krise profitiert?Ist es Zufall, dass
der Frühjahrsputz in die Quarantänezeit
fällt? So viel zu meinen Verschwörungs-
theorien.MitoderohneMariebeugensich
jedenfalls gerade Menschen über Kisten,
fischen in Regalen, machen sogar vorm
Kellerabteil nicht Halt. Sie stellen sich die
Gretchenfrage: „Kann der Dreck weg?“
Nur ein Tipp: Gehen Sie in Ihrer Aus-
mistwut nicht zu rigoros vor! Die MA 48
hat bereits genug zu tun (Danke!), außer-
dem brauchen Sie den „Mini-Tischki-
cker“ (Geschenk vom Onkel Franz) doch
gerade jetzt. Schmeißen Sie das nach der
Krise weg–auch wenn Sie dann eigent-
lich keine Zeit dazu haben werden. (abs)

Ausmistenmit


Marie oder ohne


Im Heim werken


N


achdem ich vor Jahren für vier
verzogene, klemmende Fenster
und acht Minuten Arbeit eine
Rechnung über 160 Euro erhielt, habe
ich mich im zweiten Bildungsweg bei
der Youtube-University for Left-Handed
Idiots zum Fenstereinsteller ausbilden
lassen. Dieser Tage, nach den thermi-
schen Schwankungen der Jahreszeiten,
profitiere ich wieder davon. Es braucht
bloß Youtube und einen Inbusschlüssel.
Auf Youtube „Fenster einstellen“ ein-
geben und das kürzeste all der geschwät-
zigenSpezialistenvideosanklicken.Dann
muss nur man nur noch den Unterschied
zwischen nach rechts und nach links
drehen herausfinden, schon hat man
sichvielGeldgespart.Waswärendiegro-
ßen Erfolge ohne die kleinen? (flu)

Fenstereinstellenfür


Idioten(wie mich)


W


er sich bislang nur mit Wim-
perntusche und Lipgloss an-
gemalt hat, könnte mithilfe von
Glow UpLust auf Bushy Brows und
Dark Lips bekommen. Die britische Net-
flix-Serie führt vor, wie sehr exzentri-
sche Youtube-Starswie Jeffree Star den
Make-up-Nachwuchs beeinflusst haben.
Allen, die einfach nur in der nächs-
ten Videokonferenz einigermaßen aus-
geschlafen aussehen wollen, seien die
klassischen Videos der Schmink-Ikone
Lisa Eldridge empfohlen.
Sie kann so ziemlich alles: Wimpern
àlaMarylin, Akne- oder Fünf-Minuten-
Make-up. Spannend auch, was gerade
auf der Videoplattform Tiktok abgeht.
Tipp: Einfach einmal bei Iris Beilin oder
Rose Siard vorbeischauen. (feld)

Schmink-Ikone


werden


DenHunger


stillen


Illustration: Fatih Aydogdu Illustration: Fatih Aydogdu

Illustration: Fatih Aydogdu


DERSTANDARDWOCHENENDE Agenda SA./SO., 21./22.MÄRZ2020| 5


Polina hat sichschon immer gegenAusgrenzungundfürZusammenhalteingesetzt. Deshalb unterstütztsie
besondersjetztauchihreälteren Nachbarinnen undNachbarn dabei,ihrenAlltagzu meisternunderledigt
Besorgungenfürsie.Bekannten,die zurRisikogruppegehören, hatsiedieHotlinederStadt Wien
01/4000-4001empfohlen,die älterePersonenbeiderOrganisationihresAlltagsunterstützt.#BleibDaheim

Polina,Studentin


Bleib daheim.


Es könnte Leben retten.


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Agenda:Coronavirus-Krise


D


er französische Philosoph
Gilles Deleuze hat den
Begriff des „lebenslangen
Lernens“ als Kennzeichenmoder-
nerKontrollgesellschaftenge-
prägt. Dass Unternehmen, Schule
und familiäres Miteinander in ein
und derselben Wohnung zusam-
menschmelzen, diesen Irrsinn
hat allerdings nicht einmal er be-
dacht. Grenzziehungen sind auch
beim Homeschooling ein Mittel,
das Fass am Überlaufen zu hin-
dern. Es hilft,übliche Alltagsab-
läufe einzuhalten und Vormittage
in schulische Themenhäppchen
zu gliedern.
Wenn KindAimGoogle Class-
room dann einen Quiz über eine
Buchlektüre absolviert, sitzt Kind
Bimbesten Fall im Neben(klas-
sen)zimmer, um analog Schreib-
übungen durchzuführen. Kind C
ist in diesem Szenario so etwas
wie die Unbekannte einer mathe-
matischen Gleichung, da das Klas-
senzimmer theoretisch ja seine
Spieldomäne ist. In diesem Fall
gilt die Lektion uns selbst: Lernen
Sie, flexibel zu sein! (kam)

Dasflexible


Klassenzimmer


E


igentlich als Videotelefo-
nie-App für Meetings im
professionellen Umfeld ge-
dacht, boomtZoomgerade auch
im Freundeskreis. Die App, die
man sowohlauf dem Computer
als auch auf dem Handy installie-
ren kann, punktet durch ihre
stabile Verbindung und die intui-
tive Nutzung. Kein Wunder also,
dass sie auch zum „Partymachen“
verwendet wird. Sieht dann so
aus, dass sich jeder ein Glas Wein
schnappt, über einenLink in den
Videocall einsteigt und dann tut,
was man immer tut: plaudern,
witzeln, tanzen. Der großeVor-
teil: Der Moderator kann einzelne
Teilnehmerstummschalten. Das
wäre doch auch etwas fürs echte
Leben!
Aber mal im Ernst: Auch in
Zeiten von Corona ist es möglich,
soziale Kontakte aufrechtzuer-
halten. Besonders fein, wenn man
die anderen auch sehen kann, wie
beiZoom, Skype, Google Hangouts
oder anderen Diensten. Wer’s
nicht so mit der Technik hat, grei-
fe zum guten alten Telefon. (abs)

Sich dieParty


herbeizoomen


Fürs Lebenlernen, sozialbleiben


W


ogenau liegt Dodoma? Was ist das kürzeste englische
Längenmaß? Und was heißt Reißverschluss auf Japanisch?
Die nun bevorstehenden freien Abende kann man auch ein-
mal der Erweiterung des eigenen Wissenshorizonts widmen. Zaach,
denkt man da im ersten Moment vielleicht–aber nein: Die vielen
Apps, darunter Klassiker wieUnsere Welt, WissenstrainingoderDuo-
lingo,ermutigen. Sie machen Bemerkungen wie: „Schnell reagiert!“
oder „Starke Leistung!“. Man freut sich, will mehr.
Um voranzukommen, müssen Levels erfolgreich abgeschlossen
werden, oft geht es auf Zeit. Beantwortet man Fragen falsch, fällt
man zurück. „Geben Sie sich Zeit“, sagt die App dann. Ideal. (kr)

B


ei den Coronavirus-Vorkehrungen geht es darum, die Risiko-
gruppenzuschützen.WermehrhelfenmöchtealsdurchSocial
Distancing, der kann sich bei diversen Stellen melden. Die
Caritas sucht Helfer, um jene, die nicht hinausgehen sollten, zu ver-
sorgen. Auch für die Gruft werden helfende Hände benötigt. Die
Vinziwerke brauchen Unterstützung, um die älteren Mitarbeiter zu
schützen und die Betreuung aufrechtzuerhalten.
Supermärkte bauen in diesen Zeiten auf Hilfe, weswegen die
Bewerbung als Aushilfe erleichtert worden ist. Und wer als junger
Mensch noch keinen Zettel ins Stiegenhaus mit dem Angebot der
Nachbarschaftshilfe gehängt hat, könnte es jetzt noch tun. (poll)

Wissen hamstern


mitLernapps


In derKrise


Gutes tun


Illustration: Fatih Aydogdu
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