SEITE 20·MONTAG,24. FEBRUAR2020·NR.46 Unternehmen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
A
ls AnnaYona mi tihrer Familie
nochinIsraelaufdem Land leb-
te,liefen ihrekleine nKinder
die meisteZeit barfuß herum.
Nach dem Umzug inYonasHeimat–das
Bergische Landbei Köln –vor sieben Jah-
renmusstewegen derkühlerenTemperatu-
renneues Schuhwerkher.Dochden Kin-
dernfiel es schwer ,sichdaran zugewöh-
nen. „Sie fühltensicheingezwängt undwei-
gerten sich, dieSchuhe anzuziehen“, er-
zähltdie dreifac he Mutter.Gemeinsam mit
ihrem EhemannRanYona, einem Sport-
therapeuten,kam sie auf die Idee, einen
Kinderschuhzuentwic keln, de rdem Fuß
möglichstviel Spielraum lässt.Durch die
dünne Sohle sollte derBoden zuspüren
sein, dieZehen sollten vielPlatz bekom-
men,die Materialienmöglichstnachhaltig
sein.Das Motto:„Sowenig Schuh wie mög-
lich“, sagtdie 41 Jahre alt eYona.
Mit ersten Entwürfenwurde sie bei ei-
nem örtlichen Schuhmachermeister vor-
stellig .Dochder schicktesie gleichwieder
weg, weil sie keinen Leisten–diesesForm-
stückist einem Fuß nachempfundenund
dient zum Baueines Schuhs–vorweisen
konnte.Daraufhinmachte sichYona zu-
nächs tauf di eSuche nacheinem Leisten-
bauer .Für da sSchuhdesign engagierte sie
einenitalienischen Designer.Mit dem Leis-
tenund den Designentwürfen im Gepäck
flog dasPaar nachPortu gal. Si eklapperten
mehrereSchuhfabriken ab, bissichein klei-
ner Herstellerbereit erklärte, die Produkti-
on zu erledigen.
Schon in dieser Anfangszeitmachten
sichdie Gründerdie sozialenNetzwerke
zunutze.AufFacebook eröffnetensie eine
Seite,auf de rsie denAufbau ihrerWild-
ling ShoesGmbH schilderten. Dabeigab
es so manchewertvolleAnregung,die um-
gesetztwurde. Etwadie Idee, nicht nur Kin-
de r-,sondernauchErwachsenenschuhean-
zubieten.Über die Internet-PlattformKick-
starterkam imRahmen einer Crowdfun-
ding-Kampagne inkurzer Zeit ein Startka-
pital von100 000 Eurozusammen. Dane-
benhalfein Gründerkredit derFörderbank
KfW.
WenigeWochen nachdem Startdes On-
line-Shops Anfang 2016wardie er ste Liefe-
rung ausPortugal verkauft. AnnaYona or-
derte nach,stellteerste Mitarbeiter ein.
Das Geschäft zog rasant an: Imvergange-
nen JahrverkaufteWildling Shoes150 000
Paar Schuhe, setzteeinen niedrigen zwei-
stelligenMillionenbetrag um undzählt in-
zwischen fünfportugiesische Lieferanten.
Vertriebenwerden dieKollektionennur
über den eigenen Online-Shop.Selbst in
denbeide nShowroomsinKöln und Berlin
istlediglicheine Anprobe möglich, bestellt
werden mussimInternet. Au ch aufFesti-
vals un dEvents wieHeldenmarktoder
Fair-Goods istdas jungeUnternehmenver-
treten.IhreProdukteüberden stationären
Schuhhandel anzubietenkommt fü rYona
nicht inFrage. „Wir wollenselberdie Be-
ziehungzuunserenKunden aufbauenund
unsereMarke pflegen.“ Dafür arbeitet sie
intensiv mitInfluencernzusammen und
setz tauchansons tenstark auf Weiteremp-
fehlungen. IhreZielgruppebeschreibtsie
als „Menschenmit einemhohen Bewusst-
seinfür Gesundheit undNachhaltigkeit“.
Darunterseienviele Mütter, die di eModel-
le zunächst für ihreKinder und später auch
für sichselberbestellten .Die Kundschaft
sitzt vorallem in Großstädten, allenvoran
in Be rlin. Statt vonBarfußschuhen–hier
gibteszahlreiche Markenwie unter ande-
remVivobarefoot, Allbirdsoder Leguano –
sprichtYona liebervonMinimal-Schuhen.
DerBegriffBarfußschuheweckefalsche
Assoziationen, meintsie. So dächten man-
chefälschlicherweise,dass die Schuhe
ohne Strümpfe getragen werd en sollen.
Diemeistenihrer 125Mitarbeiter–von
denknapp30Beschäftigten im Lagerin
Engelskirchen abgesehen –sieht Anna
Yona nuralleachtWochen.Dann trifft
sich die gesamte Belegschaft in einemTa-
gungshaus im Oberbergischen,umsichnä-
herkennenzulernenund überdie Strategie
zu sprechen.Weil si eals Muttervondrei
kleinen Kindern gerneweiter vonzuHau-
se aus arbeitenwollte,entschied sichdie
Geschäftsführerin gegeneinenBüro-
Stammsitz. IhreAnges tellte narbeitenüber
ganz Deutschland verteiltimHome Of-
fice,vieleinTeilzeit.DieinBerlinund
Köln ansässigen Mitarbeiterkönnensich
bei Bedarfinden beidenShowroomsverab-
reden,die je zur Hälfte alsCoworking Spa-
ceeingerichtet sind.Diezeitliche undörtli-
cheFlexibilitätwerdesehrgeschätzt,voral-
lem vonEltern, sag tYona. „Wir haben vie-
le Initiativbewerbungen.“Nur bei jüngeren
Bewerber nwerfe dasModellFragen auf.
Beiihnen sei dasBedürfnisstark, ausden
eigenenvier Wändenrauszu kommen.
Die Kommunikation findet größtenteils
virtuellstatt, un dzwarüber ein Software-
prog ramm desamerikanischenStart-ups
Asana.Auf der Plattformsind dieUnter-
nehmensziele undsämtliche Projektehin-
terlegt, dortgibteseinen Chatzum Aus-
tausch.„Wir versuchen, vielTransparenz
zu schaffen un dein of fenes Klima zuför-
dern“, sag tYona. Das System funktioniere
gut,betontsie, auchwenn vereinzelt Mitar-
beiter abgesprun gensind,weil sie sichbei
der Arbei tmehrpersönlichenKontakt
wünschten.
Ihren MannRan, den siewähren dihres
Studiums in Israelkennenlernte, schätzt
Yona in SachenWildling Shoes alsSpar-
ringspartner.OperativimUnternehmentä-
tigis tern icht,erkümmertsichumdie Kin-
der undden Haushalt. Austauschsucht
AnnaYona zudembei anderenStart-ups,
vorallem bei ihrem SchulfreundMario
Konrad .Der Gründerder Kölner Sportbe-
kleidungsmarke Ryzon istmit 10 Prozent
an WildlingShoes beteilig t. Au ch mit Risi-
kokapitalgebernhat Yona zu Anfangver-
handelt, dochkam man nicht zusammen.
Sie habesichbeide rAusrichtung ihresUn-
ternehmensnicht reinredenlasse nwollen,
sagtYona, dievorzweiJahren mit dem
Gründerpreis NR Wausgezeichnet wurde.
In diesem Jahrstreb tsie abermals eine
Verdoppelungdes Umsatzesan. Voral-
lem das nochüberschaubareAuslandsge-
schäf tsoll vorangetrieben werden. Doch
plagen sie auchBedenken, dassdas Fami-
liäre der ersten Jahreverlorengeht.Beim
Sommerfest im vergangenen Jahr muss-
tenalle Mitarbeiter erstmals Namens-
schilder tragen–und dabei wirdeswohl
auchbleiben,soll doch die Belegschaft
bis Jahresendeauf rund 200Köpfewach-
sen. CHRISTINE SCHARRENBROCH
dpa.OMAHA.DeramerikanischeStaran-
leger Warren Buffett hat mitseine rInvest-
mentgesellschaftBerkshireHathaway
zum Jahresende deutl ichwenigerver-
dient .Inden drei Monaten des Geschäfts-
jahresbis Ende Dezemberfiel der operati-
ve GewinnimJahresvergleich um 23 Pro-
zentauf 4,4 Milliarden Dollar (rund 4,
Millia rden Euro), wie dasUnternehmen
am SamstaginOmahamitteilte.Vor al-
lem imRückversiche rungsgeschäft, einem
wichtigenStandbeinvon Buffetts Konglo-
merat, lief es schlechter.
ZumJahresendebetrugendie Bar-Re-
servenweiter enorme 128 Milliarden Dol-
lar.Aktionäre sehnen schon langedie
nächs te große Übernahme herbei.Statt-
dessen setzt Buffett stärkerauf Aktien-
rückkäufe–hierfür wu rdeimSchlussquar-
talder Rekordbetragvon2,2 Milliarden
Dolla raufgewandt. In demjährli chen Ak-
tionä rsbrief gingder 89-Jährigeauchauf
dieFrage nachder Zukunftvon Berkshire
ein, wenn er undsein96-jährigerVize
Charlie Munger einmal abträten. „Aktio-
näremüssen sichnicht sorgen: Unser Un-
ternehmen ist100-prozentigvorbereitet.“
Diejüngeren Berkshire-Manager AjitJain
und GregAbel gelten alsgroße Favoriten,
eines Tagesdie Nach folgeanzutr eten.
Berkshir eHathawaysNettoüberschuss
betrug im jüngsten Quartal29,2 Milliar-
denDollar ,nachdem es hier imVorjahres-
zeitraum einenVerlu st von25,4Milliar-
dengegeben hatte. Buffett selbstemp-
fiehlt jedochstets,dieser Zahl keine große
Beachtung zu schenken. Durch den Aus-
weis unrealisierterInvestm entg ewinne
schwankt siestarkund hatwenig Aussage-
kraf thinsichtlic hdes ei gentlichen Ge-
schäftsverlaufs.Zu BerkshireHathaway
gehören an die 90Unternehmen,hinzu
kommendiverse Aktienpakete börsenno-
tierter Großkonzerne wie Coca-Cola,
Wells Fargooder Apple–deriPhone-Kon-
zernhat si ch inzwischen zu Buffetts gro-
ßem Liebling entwickelt.Die wegenihres
Riechersfür lukrative Geldanlagen das
„OrakelvonOmaha“genannteInvestoren-
legende führtdas Konglomerat seit mehr
als 50 Jahren. Im Gesamtjahr 2019sank
BerkshireHathawaysoperati verGewinn
um drei Prozent auf 24 Milliarden Dollar
(22,1 MilliardenEuro).
Das Nettoer gebnis erreicht edank kräfti-
gerKursg ewinne einiger Aktienbeteiligun-
geneinen Rekord von81,4MilliardenDol-
lar.Dennochwar es für Buffett im Großen
und Ganzen eineher schwieriges Jahr,in
dem sichdie AktienvonBerkshireHatha-
waymit einemKursplus von10,9 Prozent
schwächer entwickelten alsdie boomen-
den amerikanischen Börsen insgesamt.
MENSCHEN UNDWIRTSCHAFT
WellsFargozahltStrafe
Die GroßbankWells Fargohat sich
im Skandal um Phantomkonten mit
Behörden auf eine milliardenschwere
Zahlunggeeinigt.Das amerikanische
Geldhauswerdedrei Milliarden Dol-
lar zur Beilegung desVerfahrens be-
zahlen,teiltedas Justizministerium
mit.Von der Summe sollen 500 Mil-
lionen Dollarandie Börsenaufsicht
SEC gehen. Das Geschäftsgebaren
der Bank hatteAufsehen erregt:Mit-
arbeiter eröffnetenMillionen von
Phantomkonten fürKunden, um in-
terneZiele zu erfüllen. Die Bank
räumteein, die Mitarbeiter zu den un-
realistischenVorgaben gedrängt zu
haben.Wegender Affäre hat die
Bank bereits empfindliche Strafen
aufgebrummt bekommen. Reuters
Pakt mit der IG Metall
Die IG Metall hat mit den potentiel-
len Käufer nder Aufzugsparte von
Thyssen-KruppRahmenvereinbarun-
genzuSicherheiten für die Beschäf-
tigten getrof fen. Neben der Beschäfti-
gungssicherung über mehrereJahre
gehe es darin unter anderemum d en
Erhalt derTarifbindungsowie die Si-
cherung der betrieblichen Altersvor-
sorge,teiltedie Gewerkschaf tmit.
Die Essener hattenvorrund einer
Wocheangekündigt, mit zwei Grup-
pen vonFinanzinvestoren über einen
Mehrheits- oderKomplettverkauf zu
verhandeln. Ein Entscheidung soll
bis EndeFebruarfallen. dpa
Stühlerückenbei Audi
Audi-Einkaufsvorstand Bernd Mar-
tens hat dasUnternehmen früherver-
lassen alsgeplant. DerAufsichtsrat
und Martens hätten sichamFreitag
auf einenvorzeitigenAbschied des
Managersgeeinigt, bestätigteeine
Sprecherin. ImRahmen einesgröße-
renVorstandsumbaus bei derVolks-
wagen-Tochter gesellschaftwar bis-
her vorgesehen, dassMartens er st
Ende Märzgeht.Die Aufgaben des
Vorstands für Beschaffung und IT
würden nunvorübergehend vonEnt-
wicklungsvorstandHans-Joachim Ro-
thenpielerwahrgenommen,heißt es
weiter .Am1.April übernehme dann
wie geplant der VW-ManagerDirk
Große-LoheidedasRessor t. Der vom
Diesel-Skandal erschütterte A utoher-
steller wechselt in diesem Jahr insge-
samt vierVorstandsmitglieder aus.
Dabeiräumt der bisherigeVorstands-
chef Bram SchotseinenPosten zum
- April für den früheren BMW-Mana-
gerMarkusDuesmann.Auch die Vor-
stände für Finanzen undPersonal
werden imZuge der personellenNeu-
ordnung ausgetauscht. Reuters
Mit Aussagen über dieTerrorismus-Ge-
fahr durch muslimische Männer hat der
Vorstandschef des Billigfluganbieters
Ryanair,Michael O‘Leary, eine hitzige
Kontroverse entfacht.Ineinem Inter-
viewmit der „Times“forderte er strenge-
re Kontrollen an Flughäfen für muslimi-
sche Männer.Die Flughafenkontrollen
für Familien mit Kindernsollten dage-
genweniger scharfsein, da „dieWahr-
scheinlichkeit, dassdie sic hindie Luft
sprengen, bei null liegt“, sagteerweiter.
Der britische Muslim-Ratwarf ihm dar-
aufhinRassismusund Islamophobievor.
Der 58 JahrealteRyanair-Chef be-
gründete seine Ansicht mit persönlichen
Eindrücken: „Wer sind die Bomber? Es
sind alleinstehende Männer,die allein
reisen“, sagteer, „man darfesnicht
mehr sagen,weil es Rassismus ist, aber
es werden im Allgemeinen Männer mus-
limischen Glaubens sein.“ Dreißig Jahre
früher seien es Irengewesen, sagteder
irische Manager, der für seine Provoka-
tionen in der Branche bekannt istund
Europas größteFluggesellschaftseit
1993 führt. Die Äußerungenriefen viel-
fältigeKritik hervor. Der Abgeordnete
der oppositionellen Labour-ParteiKha-
lid Mahmood erwiderte,der Ryanair-
Chef befeuereRassismus.AusDeutsch-
land meldete sichdie Berliner SPD-
Staatssekretärin Sawsan Chebli zuWort.
Die Forderung nachzusätzlichenKon-
trollen für muslimische Männersei „anti-
muslimischer Rassismus“und „Nähr-
stofffür Hass und Hetze“. In sozialen
Netzwer kengab esvereinzeltAufrufe
muslimischerNutzer zu einem Boykott
vonRyanair.Die Gesellschaftstellte
klar,die Schlagzeile in der„Times“ sei ir-
reführendgewesen. ppl.
WETZLAR. (dpa/lhe).Ihrer Traditi-
on als klassischerStahlstandortfühlt
sichdie Stadt Wetzlar verpflicht et.
Deswegen setzen dieStadtoberen auf
eine langfristigePerspektivefür den
Stahlkocher Buderus Edelstahl,der
im Zuge seinesgeplantenKonzern-
umbaus voreinem Personalabbau
steht.„Wetzlar hat eineTradition als
Stahlstandort“, sagteOberbürger-
meisterManfredWagner (SPD).Von
daher sei die aktuelleTransformation
des Unternehmens „natürlichetwas,
das wir auchmit großer Sorge be-
trachten“. Man hoffe auf „langfristi-
ge Linienführungen“, die demUnter-
nehmen und den Mitarbeiterndie
Chancen bieten, sichineinen produk-
tiven Anbieterzuv erwandeln.
Der österreichische Mutterkon-
zern, dieVoestalpine AG,hatteEnde
2019 ein Restrukturierungspro-
gramm angekündigt.Davon könnten
demnachetwa325 der 1500Mitarbei-
terbetroffen sein. Bis Ende Märzsoll
nachAngaben eines Konzernspre-
chersein Sozialplanstehen. In den
laufendenVerhandlungen solle es um
den Abbau vonrund 200 Arbeitsplät-
zen gehen. „Vorgesehen istunter an-
derem dieÜbernahme dieser Mitar-
beiter in eine eigens für diese Maß-
nahme zugründendeTransfergesell-
schaf tzur Unterstützung bei der nach-
folgenden Jobsuche.“
Zudem istgeplant, bis Ende des Ge-
schäftsjahres (31. März) die befriste-
tenVerträgevon 125 Mitarbeitern
auslaufen zu lassen.Nachden Wor-
tenvon OberbürgermeisterWagner
hat sichdie Stadt Wetzlar an Gesprä-
chen zu Buderus Edelstahl be teiligt.
Es gehe um eine Begleitung sowie
darum, deutlichzumachen, „dassder
StahlstandortzuWetzlar dazuge-
hört“. Allerdings spüreman auchin
der mittelhessischenStadt dieFolgen
globaler Verwerfungen. So hatte
Voestalpine sein Sparprogramm für
die deutscheTochtergesellschaftmit
„massivverschlechterten“ wirtschaft-
lichen Rahmenbedingungen begrün-
det. MehrereFaktoren lastenzudem
auf dem inländischen Geschäft: Ne-
be nder Konjunkturschwäche in Euro-
pa sind dasvorallem dieUnsicher-
heit in derAutoindustrie sowie die
hohen Energiekostenhierzulande.
Buffett mit Rekord für Aktienrückkäufe
ela. BUDAPEST. WerinBudapestauf
der berühmten HandelsstraßeVáci ut
fährt, kommt an prächtigen alten Indus-
triedenkmälernvorbei.Rotbraune Back-
steinbauten signalisieren dieWerkeder
Traditionsmarke Tungsram.Der Beleuch-
tungskonzernist nebenPhilipsund Os-
rameiner dergroßen Anbieterfür Licht-
lösungen. Gleichzeitig denkt das Manage-
ment desUnternehmens im Zugedes Kli-
mawandels an die Ernährungssicherheit
und testetmit Ge wächshäusernhinter den
dickenMauerneiniges aus.
„Wir müssen zehn Milliarden Men-
schen ernähren“, sagt JörgBauer,der Vor-
standsvorsitzende und Eigentümer desUn-
ternehmens,imGesprächmit dieserZei-
tung und erklärt: „Dasgeht mitkonventio-
neller Landwirtschaf tnicht mehr.“ Die
Pflanze und das Drumherum wirdkünftig
eine DienstleistungvonTungsram sein.
Schließlichwerde die Landwirtschaf tim
Gebäude mehr und mehr Ergänzung zur
klassischen Landwirtschaft.Tungsram be-
absichtigt,Gewächshäuser undvertikale
Farmen anzubieten.Bauer sieht dieAufga-
be seinesUnternehmens darin, Integrator
zu sein:„Wir bie tenschlüsselfertigeLösun-
gen.“ Füreine verbesserte Leistung der
vertikalen Farmen wirdangewandt ge-
forschtmit lokalen sowie britischen und
holländischenPartnern. DieVision sei zu
begreifen, wie die Pflanze sichfühle, die
Pflanze zuverstehen. Über künstliche In-
telligenz bestimme die Pflanze, wie viel
Dünger und Licht sie benötige.
Agrarin genieureerforschen mit Instru-
menten,welches Spektrum der Lichtstrah-
len einzelne Pflanzen am meistenverwer-
ten, um sie dann mit Hilfekünstlichen
Lichts zu züchten. Die Eigenschaftensol-
cher Pflanzen unterscheiden sichnicht
vonjenen derFreilandpflanzen. DieRah-
menbedingungen aber,wie Temperatur,
Luftfeuchtigkeit,Wasser-und Lichtintensi-
tät undKohlendioxidkonzentration, sind
vollständig unterKontrolle. Schon jetzt
können Besucher Erdbeeren beimWach-
sen unter idealem Lichteinflusszusehen.
In deutscher Hand
Derzeit erwirtschaftetTungsram damit ei-
nen Umsatz vonfünf Prozent der derzeit
rund 250 Millionen Dollar (rund 230 Mil-
lionen Euro). Bis zum Jahr 2025 istsoviel
allein für das Geschäftmit Ge wächshäu-
serngeplant.Kalkuliert wirdfür den Be-
leuchtungsmarkt für Gewächshäuser mit
einem MarktvolumenvonachtMilliarden
Dollar.Dassausgerechnetein magyari-
schesUnternehmen solcheVisionen hat,
verwundertkaum, befand sichdochUn-
garnlang eZeit unter den führendenNatio-
nen in derAgrarforschung. Tungsram tra-
ge mit dazu bei, „dasshier eine neue Blüte-
zeit anbricht“, sagt Bauer.Vor allem in
Schwellenländernsieht ergroßes Poten-
tial, um die Lebensmittelversorgung zu
verbessern. Der MittlereOsten, Afrika,
Kasachstan und Usbekistansind für ihn
vorrangigeMärkte.Aber auchIndien wird
genannt,wo es Lebensmittelbevorratung,
fehlendeKühl- undTransportkapazitäten
und ungeeigneteWetterbedingungen für
traditionelle Landwirtschaftgibt.
Seit zwei Jahrengehörtdie zurZeit der
Donaumonarchie gegründete Gesell-
schaf tTungsramvollständig dem Deut-
schen JörgBauer.Der frühereVorstand
vonGEHungar yhat sie imZuge eines Ma-
nagement-Buy-outs übernommen, als GE
eine Portfoliobereinigungvorgenommen
hatte.Indem mehrals 12 0Jahre altenTra-
ditionsbetrieb arbeiten 4000 Mitarbeiter
in fünf Betriebsstätten.
Ein Drittel seinesUmsatzes erwirtschaf-
tetder KonkurrentvonOsram und Philips
mit derAutomobilindustrie. DerRest teilt
sichauf in allgemeine Beleuchtung und
neue Segmente. Neue Geschäftsfelder
sind dabeidie BearbeitungvonMetall, Ke-
ramik und Plastik.Auchinder Luft-und
Raumfahrtechnik sieht manPotential. Bis
zum Jahr 2030 istein Umsatz voneiner
Milliarde Eurogeplant und ein operativer
Ertragvon15Prozent.Derzeit arbeitet
das Unte rnehmen ausgeglichen.
Bauer istdavon überzeugt,dassDienst-
leistung dieZukunftist:„Wirmüssen
mehr in den Servicegehen, sonstgibt es
zu wenigAufträge.“Schließlich sei nach
einer einmaligenUmstellungvon her-
kömmlichen Glühlampen in die LED-
Technikaufgrund de rlangenLebensdau-
er der LED-Lampen dasgroße Geschäft
vorbei. Das Management setzt auf daten-
basierteLösungen. Bauers Vision sind
Lampen, dieso vorbereitetsind, dass
man sie mitKommunikationsgeräten
und Lösungen fürVerkehrsmanagement,
Umwelt, Tourismusund Si cherheitver-
bindenkann.Erdenkt anverbesserte Lö-
sungenfür dieVerwaltungvonBallungs-
zentren undGebäudemanagement.Am
Ende sollen diese das Leben angenehmer
gestalten.
Die Übernahmevon Osramdurchden
österreichis chen Sensorspezialisten AMS
sieht Bauermit gemischten Gefühlen.Es
komme darau fan,welche Strategie künftig
verfolgt wer de. Wenn starkinvestie rt wür-
de,verschärfesichder Wettbe werb un dsei
wenigergut fü rTungsram. Di eBedeutung
herkömmlicher Glühbirnen schrumpfe
schon lange.Trotzdemgebe es nochviel
vonkonventioneller Beleuchtun gauf LED
umzustellen ,wosichdie Ausbeut eund Er-
tragskraftständig verbessere.
20 Prozent desStromverbrauchs
Zwar seikonventionelle Beleuchtung in
der Anschaffung fürStraßen nochbilliger.
Langsamwerde es für Straßenbeleuch-
tung mit Blickauf die Gesamtkostenlang-
fristig aber lohnend, auf LED zuwech-
seln. Saudi-Arabien hat sichvor einem
Jahr entschieden,komplett umzustellen.
Über diegespartenStr omkosten lässt sich
die LED-Investition schon heuteohne Ei-
genbeitragfinanzieren.
In Europawerdeess echs bis zehn Jahre
dauern, bis dieStraßenbeleuchtung auf
LED umgestelltworden sei, schätzt Bauer.
Fürdeutsche Städtewäreesschon jetzt
sinn voll: „Wenn man an denKohlendioxid-
ausstoß denkt, istesschon einVerbre-
chen, nochkonventionell zu beleuchten.
Konventionelle Beleuchtung braucht dop-
pelt so vielStr om imVergleichzuLED.“
Aufder ganzenWelt stehe Beleuchtung
fürfast 2 0Prozent desgesamtenStrom ver-
brauchs. Entwicklungsländer seien hier in-
teressanter weise schonweiter.
AnnaYona Foto Edgar Schoepal
KurzeMeldungen
Ryanair-Chef provoziert
„Gewächshäuser sind der Megatrend“
Ungarische Traditionsmarke Tungsram nutzt seine Beleuchtungserfahrung für neue Projektemit Pflanzen und derNahrungsmittelindustrie
So wenig Schuh
wie möglich
Die Gründer
Sorge um
Stahlkocher
Buderus
DieSohle istdünnund biegsam:Mit ih ren
Minimal-Schuhen hatAnna Yona einen
Nerv getrof fen. Di egut 100 Mitarbeiter von
Wildlin gShoes arbeiten quer übersLand
verteilt im HomeOffice.