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07.03.20 Samstag,7.März2020DWBE-HP
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10 POLITIK *DIE WELT SAMSTAG,7.MÄRZ
K
eine Schickimicki-Tussi in den Stadt-
rat“ hat einer mit Edding auf das Pla-
kat geschrieben. Patricia Riekel und
ichsitzen auf ihrem Sofa. Es ist ein
sehr schweres mit Blumen gemuster-
tes Sofa. Und das Plakat war ihr Plakat. Und sie
sagt: „Aber genau die Schickimicki-Tussi muss
doch in den Stadtrat.“
VON FRÉDÉRIC SCHWILDEN
Patricia Riekel war fast 20 Jahre lang Chefredak-
teurin der wichtigsten Klatschzeitschrift Deutsch-
lands. Sie war Chefin der „Bunten“. Sie ist die Le-
bensgefährtin von Helmut Markwort, dem „Fo-
cus“-Erfinder und heutigen bayerischen FDP-
Landtagsabgeordneten. Und jetzt steht sie auf Li-
stenplatz 8 für den Münchner
Stadtrat – ebenfalls für die FDP.
Riekel öffnet die Tür ihrer Stadt-
villa in München-Bogenhausen in
einem Kleid von Balenciaga. Das ist
eine Luxusmode-Firma. Vielleicht
die, die den Begriff von Luxus in
der jüngsten Zeit am meisten ver-
ändert hat. Seit 2015 ist der in
Deutschland aufgewachsene
Georgier Demna Gvasilia der Desi-
gner von Balenciaga. In seinen Ent-
würfen sehen viele bis heute die ab-
solute Verachtung von Mode. Er
schicke Männer wie post-sowjeti-
sche Stricher in trashig wirkenden
Trainingsanzügen auf den Lauf-
steg. Für sein Eigenlabel Vete-
ments verkaufte er T-Shirts mit
dem Logo des deutschen Logistik-
unternehmens DHL für 690 Euro.
Demna Gvasilia sorgte dafür, dass
Millionäre auf einmal aussahen wie
prekär lebende Menschen, und die
wirklich Armen auf einmal wie Mil-
lionäre. Gvasilias Mode war viel-
leicht der demokratischste Ansatz
jemals, Mode zu machen. Und er
stellte die Frage: Wie entstehen
Schönheit und Begehrlichkeit ei-
gentlich? Und was bedeuten sie
überhaupt?
Ich erzähle das, weil das Kleid
von Patricia Riekel eben nicht ein-
fffach nur ein teures Kleid ist. Son-ach nur ein teures Kleid ist. Son-
dern weil das Kleid ein Symbol ist.
WWWenn eine 70-Jährige, die für die FDP in denenn eine 70-Jährige, die für die FDP in den
Münchner Stadtrat ziehen will, so ein Kleid trägt,
ist das auf eine Art genauso radikal, wie die Enteig-
nung von BMW zu fordern. Es ist eine gut gelaunte
und stilsichere Provokation – vor allem aber eine
Einladung zum Gespräch und der Beweis, dass die
Trägerin des Kleides weiß, in welcher Zeit wir leben.
Riekel sagt, dass sie bei Christine Lagarde, der EZB-
Chefin, immer „boah, sieht die gut aus“, denkt.
AAAber, dass sich in Deutschland viele Frauen undber, dass sich in Deutschland viele Frauen und
Männer in der Politik keine Mühe mehr geben wür-
den, gut auszusehen. Dann sagt sie: „Vielleicht liegt
die Ablehnung von Schönheit auch an den linksla-
stigen Medien? Erfolg ist denen immer verdächtig.“
SPD-Politikerin Sawsan Chebli kriegte einen
Shit-Storm wegen einer Rolex ab. Und ich saß mal
bei einer CDU-Politikerin im Büro, und sie hatte
Schuhe von Valentino an. Die kosteten bestimmt
auch 1000 Euro. Und ich meinte noch, wie schön
die seien. Und sie meinte, aber schreiben Sie das
bloß nicht, dass die von Valentino sind. Und ich
weiß noch, wie eine ranghohe Grünen-Politikerin
mir sagte, dass ihr teuerstes Kleid 170 Euro kosten
würde, aber dass das auch zu viel sei, um darüber
zu reden. Ein Freund von mir hat mal gesagt:
„Beim Einkommen hören die meisten Diversity-
Forderungen dann auf.“
Wir sitzen immer noch auf dem Sofa. Und re-
den über Frauen und Männer. Wir duzen uns ir-
gendwie dann. Ich weiß nicht, ob das meine
Schuld war oder ob das bei Patricia so ist, weil
sich moderne und reiche und schöne Menschen
auf jeden Fall duzen. Patricias Hund Emil, ein Pu-
gle, eine Mischung aus Mops und Beagle, springt
mir auf den Schoß. Er schleckt über mein Gesicht.
Und ich ekel mich wirklich nicht. Weil ich glaube,
dass das alles richtig so ist. Und Patricia lacht,
und sie kann richtig gut lachen.
Und dann sagt sie, empört spielend: „Emil!“
Und ich denke daran, wie Emmanuel Macrons
Hund, der übrigens Nemo heißt, während eines
Interviews mit einem Fernsehsender einfach an
einen Kamin im Élysée-Palast pinkelte. Patricia
jedenfalls sagt: „Der Mann kommt als Stadtrat
auf die Welt, denkt er zumindest. Und die Basis-
arbeit ist auch von Männern gesteuert.“ Nur
Männer können das ja aushalten, die langen Sit-
zungen, oft bis in die Nacht. Nur Männer sind so
eitel, andere Stunden lang Unfug reden zu lassen,
nur um dann selber noch mal eine Stunde länger
Unfug zu reden.
„„„Wie soll man das als alleinerziehende Mutter,Wie soll man das als alleinerziehende Mutter,
als Mutter überhaupt machen. Das muss sich in
der Politik verändern“, sagt Patricia. Klar, Män-
ner müssen nicht stillen. Und die meisten Män-
ner kümmern sich bis heute auch weniger um die
Kinder. Vor allem sind Frauen aber effizienter.
„Die Frauen, die da sind, die müssen sichtbarer
sein“, sagt Patricia. Und dann
kommt Emil vom Garten wieder
rein. Die Terrassentür war offen.
Wir reden immer noch über die
Unterschiede zwischen Männern
und Frauen in der Politik. Und
Emil hat etwas im Mund. Ich den-
ke erst, es ist ein Stock.
„Hast Du wieder eine tote
Maus, Emil?“, fragt Patricia. In
letzter Zeit, sagt sie, bringe er vie-
le mit. „Das stinkt, was du wieder
im Maul hast.“ Und es ist wirklich
eine Maus. Vielmehr war es mal
eine. Die Maus ist schon fast ske-
lettiert. Das Fleisch ist schon weg.
Da sind nur noch die zu Leder ge-
wordene Haut, ein erstarrter
Schwanz und Knochen. Patricia
fffragt, ob ich die Maus rausbringenragt, ob ich die Maus rausbringen
könne. Sie könne so nicht lange
ruhig sitzen, sagt sie, mit der Maus
auf dem Sofa. Sie sagt das nicht
hhhysterisch. Sondern ganz normal,ysterisch. Sondern ganz normal,
so als ob sie fragen würde, ob ich
noch ein Wasser möchte.
Ich hebe die Maus auf. Ich ekle
mich wirklich nicht. Ich glaube, das
ist alles richtig so. Ich gehe in den
Garten. Ich höre Vögel. Weit, weit
weg malt ein Flugzeug weiße Strei-
fen in den blauen Himmel. Einer
mäht zum ersten Mal den Rasen
dieses Jahr, ich kann das genau hö-
ren. Ich soll die Maus einfach Rich-
tung Zaun schmeißen, die Nach-
barn würden sich bestimmt freuen. Ob ich mir die
Hände waschen sollte, frag‘ ich noch. Ach ne, die
Maus sei ja schon vertrocknet gewesen.
Das Telefon klingelt. Patricia bespricht mit
einem Parteikollegen aus der Stadtratsfraktion das
aktuelle Plakat. Ich kraule Emil den Hals und
schau‘ mich um. Im Treppenhaus hängen Bilder
von Andy Warhol und Jackson Pollock. Zwei Kat-
zen schleichen nach oben.
An einem Pfeiler hängt ein Bildvon Helmut
Markwort mit einer Maske aus dem veneziani-
schen Karneval auf dem Gesicht. Im vorderen Be-
reich des Hauses ist eine kleine Bibliothek in
einem fast runden Zimmer. Es riecht orientalisch,
also so, wie man sich früher den Orient vorge-
stellt hat, wenn man eine Bibliothek einzurichten
hatte. Und da ist ein Foto von Patricia mit Angela
Merkel (CDU). Und eine sehr schöne Lampe. Am
VVVortag war Patricia bei einem Essen, das Mini-ortag war Patricia bei einem Essen, das Mini-
sterpräsident Markus Söder (CSU) zu Ehren Hu-
bert Burdas gegeben hat. Hubert Burda ist Verle-
ger. In seinem Verlag erscheinen unter anderem
„Focus“ und „Bunte“. In Offenburg, wo gedruckt
wird, sagt Patricia, nenne man Hubert Burda
„den Senator“ und in München „Dr. Burda“. Pa-
tricia meint, dass Söder so geschickt und als Per-
son so einnehmend sei, dass man immer aufpas-
sen müsse, seinetwegen nicht in die CSU einzu-
treten. Wonach Söder riecht, frag ich sie. Sie sagt:
„Nach Macht.“
Patricia ist in der FDP, weil ihr der Grundgedan-
ke der FDP gefällt. Das Liberale, das Pragmatische.
„Die FDP war und ist immer eine Partei für die
Tüchtigen“, sagt sie. Sie sei gegen Verbote. Gegen
die „Verbotspartei“, die Grünen. Warum sie denn
jetzt Politik machen will, frage ich sie. Sie sagt:
„Ich lebe seit 50 Jahren in München. Ich habe Ma-
nagement-Erfahrungen, und mich kann nichts er-
schüttern. Ich habe viel Glück gehabt, denn Talent
alleine reicht ja nicht. Und beides möchte ich tei-
len. Und zwar mit meiner Stadt, der ich viel zu ver-
danken habe. Und deswegen bin ich vor zwei Jah-
ren in die FDP eingetreten.“ Im Wahlkampf posi-
tioniert sie sich als Kandidatin fürs Soziale. Sie will
gegen Altersarmut und Altersdiskriminierung
kämpfen, Alt und Jung zusammenbringen. In ihren
Ansätzen offenbart sie die Widersprüchlichkeit li-
beraler Politik in der eigenen Person. Wir reden
über die Mietpreise. Über bezahlbare und nicht
mehr bezahlbare Viertel. Sie sagt: „Als jemand, der
an die freie Marktwirtschaft glaubt und dass jeder
ein Recht auf sein Eigentum hat, bin ich gegen ge-
deckelte Mietpreise. Das ist Enteignung am Ende.
Aber als sozialer Mensch denke ich manchmal, das
wäre doch ganz gut.“
In einer Villa in Bogenhausen mit Kunst an den
Wänden hallen diese Worte noch mal anders nach,
als wenn sie ein Juso-Vorsitzender formuliert. Die
Frage ist aber auch, wie ist das eigentlich, 20 Jahre
Chefredakteurin, 20 Jahre fettes Gehalt, wichtig
sein, sich wichtig fühlen, und dann stehst du da als
Niemand an deinem Infostand und willst Leuten
dein soziales Konzept erklären. „Da ist Stunde
null“, sagt sie, „Ich stehe da wie eine Bibelverkäu-
ferin oder wie eine von den Zeugen Jehovas. Die
einen beschimpfen dich. Die jungen Frauen, die ich
anspreche, gehen einfach weiter. Wer bleibt, sind
die Rentner, die pensionierten Lehrer und Beam-
ten. Und fast immer bleiben Damen in meinem Al-
ter stehen. Die sind über Politik top informiert und
kennen mich von der ‚Bunten‘.“
Patricia guckt auf die Uhr. Sie muss jetzt den
„Herrn Markwort“ wecken, der hatte sich etwas
ausgeruht, bevor er wieder auf eine Politik-Veran-
staltung muss. In Bogenhausen ist es dunkel ge-
worden. Herr Markwort steht auf. Emil schnarcht
selig auf der Couch.
Patricia Riekel in ihrem Haus in
München. Sie ist davon überzeugt,
dass Hund Emil sie zum
perfekten Frauchen dressiert hat
FRÉDÉRIC SCHWILDEN
Wonach
Markus Söder
riecht?
„Nach Macht“
Jahrelang war Patricia Riekel
Chefredakteurin der „Bunten“. Ihre Welt
bestand aus Champagner und Homestorys.
Jetzt steht sie an Infoständen und redet
mit Rentnern über soziale Themen. Für die
FDP möchte sie in den Münchner Stadtrat.
Ein Hausbesuch mit Leiche
ICH STEHE DA
WIE EINE
BIBELVERKÄUFERIN
ODER WIE EINE
VON DEN
ZEUGEN JEHOVAS
,,
ICH HABE VIEL
GLÜCK GEHABT,
DENN TALENT
ALLEINE REICHT
JA NICHT
VIELLEICHT LIEGT
DIE ABLEHNUNG
VON SCHÖNHEIT
AUCH AN DEN
LINKSLASTIGEN
MEDIEN
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