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Vor vielen Jahren gab mir eine Freundin ih-
ren neuesten Essay zu lesen, der den Titel
trug „Woher nimmt man das Recht zu schrei-
ben“, woraufhin ich als Antwort einen Essay
mit demselben Titel schrieb. Ich weiß nicht
mehr, was in den beiden Texten stand, aber
höchstwahrscheinlich bestanden sie aus
Selbstzweifeln und Selbstvergewisserungen
zweier Möchtegernschriftsteller, die immer
noch unveröffentlicht waren und dies als
Unrecht empfanden. Und so ging es in den
Essays nicht, wie der Titel nahelegt, um das
Recht zu schreiben, sondern um das narziss-
tische Bedürfnis gelesen zu werden, aner-
kannt und veröffentlicht zu sein. Ehrlicher
hätten die Essays also betitelt sein müssen:
„Hat man das Recht gelesen zu werden?“
Und mit der neuen Klarheit der Fragestel-
lung hätten die Essays auch viel kürzer aus-
fallen können, ein Wort hätte gereicht: Nein.
Nur mit dem Risiko geschwätzig zu wer-
den, hätte man die Erklärung anfügen kön-
nen: Jeder hat das Recht zu schreiben, was er
will, so wie jeder das Recht hat zu lesen, was
er will. Ein Recht gelesen zu werden gibt es
nicht, denn es würde das Recht der anderen
beschneiden, zu lesen, was sie wollen. Es gibt
jedoch die Chance so zu schreiben, dass an-
dere Lust haben, es zu lesen.
Ich kann noch recht gut nachvollziehen,
dass ich mich damals ungerecht behandelt
aus Ostdeutschland stammt, man findet sei-
ne Gründe, und sicher haben einige auch
recht damit. Und wem so gar kein außerlite-
rarischer Grund für das Ausbleiben der eige-
nen Entdeckung einfällt, der glaubt, dass er
seiner Zeit voraus ist oder, umgekehrt, dass
er noch klassische Qualitäten bietet, die heu-
te niemand mehr schätzt. Man glaubt selbst-
verständlich lieber, dass man zu gut ist, um
veröffentlicht zu werden, als zu schlecht.
Nach ein paar Jahren wechselte ich die
Seiten. Zum einen unterschrieb ich meinen
ersten Buchvertrag, zum anderen geriet ich
privat in die Kreise von Verlagslektoren.
Meine Sicht auf das literarische Feld änderte
sich dadurch fundamental. Wo man als un-
veröffentlichter Autor an die Ungerechtig-
keit des Systems glauben muss, um seinen
Selbstwert zu schützen, so muss man als ver-
öffentlichter Autor an das grundsätzlich ge-
rechte Funktionieren des Systems glauben,
will man gewiss sein, dass man seinen publi-
zierten Platz zu Recht einnimmt, zumal es
genug unveröffentlichte Autorinnen und Au-
toren gibt, die Neid und Missgunst nur
schwer verbergen können. Eine komplett auf
den Kopf gestellte Wahrnehmung des litera-
rischen Systems ist also nur ein Vertragsan-
gebot und eine Unterschrift weit entfernt.
Doch es ist nicht bloß Selbstgerechtigkeit.
Ist man sich seines Debütantenplatzes si-
cher, kann man endlich nicht mehr mit Groll,
sondern mit Genugtuung auf die vielen Ab-
lehnungen zurückschauen. Bei jedem sind
die Ablehnungen wohl etwas anderer Art, die
in der Rückschau zur erlösenden Annahme
führten, bei mir waren es jedenfalls die vie-
len abgelehnten Vorversionen meiner Debüt-
erzählung, die schmerzvoll zu durchlaufen
waren, um bei der veröffentlichten Finalver-
sion anzukommen. Alles Scheitern bekam
nun in der Vollendung seinen Sinn und in der
Rückschau ließ sich natürlich sagen, dass die
Vorversionen nicht die Qualität der Endver-
sion hatten, dass es also all die Jahre nur an
Qualität gemangelt hatte, die nun mit langer
Mühe endlich erreicht war. Am Ziel ange-
tenteils nicht überzeugten, und verstand die
Verzweiflung der Lektoren. Wenn also unter
den vielen Unveröffentlichten, jemand einen
wirklich tollen Text anzubieten hat, so war
ich nun überzeugt, dann wird es auch klap-
pen, solange er oder sie sich nicht selbst im
Weg steht.
Als ich mich vor vielen Jahren, lange vor
meinem Debüt, mal wieder für die Schreib-
werkstatt des Literarischen Colloquiums
Berlin (LCB) bewarb, ein Literaturkurs für
unveröffentlichte Autoren, kam nach einer
Weile, wie schon in den Jahren zuvor, die
Standardabsage. Eine Massenmail ohne per-
sönliche Anrede war es, nur hatte man wohl
diesmal im Praktikantenbüro einen Fehler
gemacht, denn die zahlreichen Empfänger
der Nachricht waren nicht verborgen, son-
dern offen sichtbar. Ich hätte das gar nicht
bemerkt, wären nicht beim nächsten Öffnen
meines Postfachs um die zwanzig Antworten
an alle eingegangen gewesen. Einer hatte mit
dem Aufbegehren angefangen, andere waren
aufgesprungen, und den zur Mäßigung er-
mahnenden Zwischenrufen des LCB zum
Trotz, beschloss man lokale Treffen der Ab-
gelehnten zu organisieren, eigene Schreib-
werkstätten zu veranstalten. Ich ging zum
ersten Treffen der Berliner Abgelehnten und
kam auch noch ein zweites Mal. Um die zehn
Leute waren jeweils da, und zwei der drei
Teilnehmer, an die ich mich erinnere, kenne
ich bis heute. Die eine heißt Franziska Hau-
ser, bringt dieses Jahr ihren dritten Roman
raus, war erst bei Rowohlt, nun ist sie bei
Eichborn. Die andere heißt Anne Reinecke
und ihr Debütroman erschien als Spitzenti-
tel bei Diogenes, zeitgleich mit meinem De-
büt bei Hanser Berlin.
Man könnte nun vermuten, dass ich darauf
hinauswill, wie schlecht das Nachwuchsför-
dersystem auswählt, wenn sich unter nur
zehn Abgelehnten mindestens drei finden,
die bald darauf erfolgreich debütieren. Da-
rum geht es mir aber gar nicht, sondern viel-
mehr darum, was der Trotz, den die Ableh-
nung auslöste, so alles in Gang bringen konn-
bessert, fügt Frisches hinzu und bewirbt
sich erneut. Wieder wird sie abgelehnt. Und
so geht es über mehrere Jahre. Aber ist all
dies Scheitern nicht ein Gewinn? Ich glaube,
dass dieser Zyklus aus vollenden, verwerfen,
wieder hervorholen und überarbeiten die
Schriftstellerin mehr übt und den Text mehr
verbessert als jede Kursteilnahme. Aller-
dings kann man meine diesbezügliche Ur-
teilskraft mit Recht infrage stellen, schließ-
lich wurde ich nie zu einem solchen Schreib-
kurs eingeladen.
Es scheint also, dass ich nur den Ableh-
nenden recht gebe, nicht den Abgelehnten.
Die Beobachtung, dass Lektoren ständig hän-
deringend nach guten Autoren und Manu-
skripten suchen und selten mit ihrem Fang
zufrieden sind, nehme ich als Indiz dafür,
dass die abgelehnten Autoren alle Chancen
hätten, wenn ihre Produkte nur gut genug
wären. Und dann behaupte ich, dass häufige
Ablehnung der beste Weg ist, sich selbst und
sein Manuskript weiterzuentwickeln. Man
könnte also nun vermuten, dass ich die un-
veröffentlichten Autoren von der Unrichtig-
keit ihrer Ansicht überzeugen wolle, dass sie
nämlich durchaus wissen sollten, dass es an
ihrem mangelnden Können und ihrer noch
zu geringen Qualität liegt, dass sie abgelehnt
werden, und nicht an Verschwörung, Diskri-
minierung, Vetternwirtschaft. Und ich denke
tatsächlich nicht, dass die Unveröffentlich-
ten recht haben, wenn sie den Fehler nicht
bei sich selbst suchen, denke jedoch, dass ih-
re Ansicht Berechtigung hat, vielleicht funk-
tionales Erfordernis ist.
Ein Schriftsteller oder ein Manuskript
brauchen viele Jahre, um gut zu werden; Text
als auch Schriftstellerpersönlichkeit müssen
durch viele Versionen gehen. Tatsächlich gab
mir einmal Petra Hardt, die erfahrene Rech-
techefin des Suhrkamp Verlages, den einen
Tipp, der alle anderen Regeln und Ratschläge
fürs Schreiben in den Schatten stellt. „Blei-
ben Sie dran“, hat sie zu mir gesagt. Dafür
braucht es eine strenge Überzeugung vom ei-
genen Können, der Botschaft, der Mission.
Wer sich leicht erschüttern lässt, gibt auf
und wird nie ans Ziel kommen. Stabilisie-
rend, da den Selbstwert schützend, sind all
jene Ungerechtigkeitsillusionen, die den
Schriftsteller vom letztendlichen Verzwei-
feln abhalten. Die Vorwürfe der Verschmäh-
ten an das System sind also falsch, aber nütz-
lich, gehören somit zur Kategorie der unzu-
treffenden, aber hilfreichen Überzeugungen.
Aber ich wäre naiv, würde ich Diskriminie-
rung ausschließen, sicher gibt es sie, doch
höchstwahrscheinlich nicht in der Form, wie
man sie sich gängigerweise ausmalt, grimmig
und sadistisch, dass nämlich gewisse Merk-
malsträger aktiv ausgeschlossen werden,
weil die Auswählenden eine Abneigung ge-
gen sie haben. Diskriminierung funktioniert
üblicherweise anders, sie fühlt sich für die
Diskriminierenden sogar freundlich und
hilfsbereit an, wenn sie denen unter die Ar-
me greifen, die ihnen sympathisch, ange-
nehm, bekannt sind. Jene, die diese Vorzugs-
behandlung nicht erfahren, weil sie zu an-
ders sind, sind dann die Benachteiligten, die
Diskriminierten. Hat jemand von den An-
dersartigen jedoch ein hervorragendes Ma-
nuskript, wird die Andersartigkeit kein Hin-
dernis sein. Gehört sein Manuskript in den
Pool der Mittelmäßigen, werden fehlende
Bekanntheit und Sympathie ihm schon zum
Nachteil gereichen.
Wenn es also eine Diskriminierung gibt,
ist sie vermutlich dafür verantwortlich, dass
zu viele schlechte Bücher erscheinen, nicht
dafür, dass irgendwelche guten Bücher ver-
hindert werden. Und wieder kann man auf
diesen Sachverhalt zwei Perspektiven haben.
Sieht man nur Veröffentlichung und Aner-
kennung als erstrebenswert, etwa weil einem
genau das fehlt, sind jene, die es schwerer ha-
ben zu publizieren, die Benachteiligten.
Sieht man Scheitern hingegen als Ressource,
als Gelegenheit der Weiterentwicklung, und
Qualität der Literatur als das eigentliche
Ziel, dann sind mitunter jene, denen das Ver-
öffentlichen leicht gemacht wird, damit ge-
straft, dass sie nicht Gelegenheit haben, so
gut zu werden, wie jene, die härter für den
Erfolg zu kämpfen hatten.
Vielleicht hat es den One-Hit-Wonder, von
denen man sagt, dass sie schnell verglühten,
nur an Möglichkeiten gefehlt, unveröffent-
licht, also unbemerkt zu scheitern. Und viel-
leicht fällt manches Alterswerk in der Quali-
tät ab, weil ein erfülltes Autorenleben gen
Herbst keine Gelegenheit mehr bietet, an ex-
ternen Instanzen zu scheitern.
Eine erfolgreiche Schriftstellerin, die schon
viele Bücher veröffentlicht hat, viel Lob und
viele Preise dafür bekam, berichtete mir ein-
mal darüber, wie frustriert sie darüber sei,
dass ihr neuestes Buch, das sie für ihr wich-
tigstes hielt, nicht angemessen beim Deut-
schen Buchpreis berücksichtigt wurde. Selbst
fffür sie hielt die helfende Hand des deutschenür sie hielt die helfende Hand des deutschen
Literaturfördersystems noch einen Nacken-
schlag bereit. Ich bin mir sicher, ihr nächstes
Buch wird noch besser werden. Diese Per-
spektive ist hart für alle Schreibenden, ob ver-
öffentlicht oder unveröffentlicht, aber zu-
mindest einer Personengruppe sollte es die
Tätigkeit erleichtern, nämlich den Jurymit-
gliedern: Es geht gar nicht darum gut auszu-
wählen, sondern darum gut abzulehnen.
Vom Autor erschien zuletzt
die Erzählung „Stadt der Feen
und Wünsche“ (Hanser Berlin).
Warum ein barrierefreier Literaturbetrieb jungen
Schriftstellern nicht guttut. Von Leander Steinkopf
Erfolgreich
scheitern
fühlte. Von all den Organisationen, die För-
derpreise und Förderstipendien vergaben,
die Nachwuchskurse und Nachwuchswettbe-
werbe austrugen, hatte ich immer nur Absa-
gen bekommen. Irgendwas mussten die doch
gegen mich haben, wenn sie mich trotz mei-
ner atemberaubenden Prosa nicht einluden,
förderten, prämierten. Nur hatte ich als wei-
ßer, christlicher, heterosexueller Cis-Mann
nicht die Grundlagen, mich aufgrund ange-
borener oder zugeschriebener Merkmale dis-
kriminiert zu fühlen. Meine alternative Dis-
kriminierungstheorie bestand darin anzu-
nehmen, dass all die Verlage und Förderorga-
nisationen ihre Gelder und Programmplätze
nur an Schreibschulabsolventen vergeben,
also an jene, die sich während des Studiums
durch Small Talk und Weak Ties einen Zu-
gang zum literarischen Feld verschafft hat-
ten. Als dann auch noch der viel diskutierte
Text von Florian Kessler erschien, aus dem
hervorging, dass fast alle Schreibschüler
Arzt- und Professoreneltern haben, konnte
ich meine Theorie noch mit etwas angebore-
ner Diskriminierung grundieren.
Ich kenne bis heute viele unveröffentlicht
Schreibende mit persönlicher Diskriminie-
rungstheorie. Ob man nun übergewichtig ist
oder lispelt, Migrationshintergrund hat oder
kommen, braucht man nicht mehr an die bö-
sen Mächte denken, die man zur eigenen
Entlastung auf dem Weg verflucht hat.
Aber noch ein Drittes kam hinzu, nämlich
dass ich die Verlagslektoren und ihre Proble-
me kennenlernte. Aus Sicht des unveröffent-
lichten Autors hatte ich sie für Verhinderer
halten müssen, die haufenweise gute Manu-
skripte auf den Tisch bekamen, sie aber bei-
seiteschoben zugunsten derer, die sich durch
Abstammung von Autorenvätern oder
Schreibschulbesuch ein Vorrecht verschafft
hatten. Die Lektoren waren in Machtpositio-
nen und, noch unveröffentlicht, hatte ich ge-
glaubt von ihrer Gnade abhängig zu sein.
Die Lektoren, die ich nun kennenlernte,
strahlten aber kein Machtbewusstsein aus,
sondern eine gewisse professionelle Ver-
zweiflung. Sie waren dringend auf der Suche
nach guten Manuskripten und waren über-
glücklich ab und zu mal eines zu finden, das
sie einigermaßen vertretbar fanden. Hatte
ich mich als unveröffentlichter Autor noch
mit den anderen unveröffentlichten Autoren
solidarisiert und glaubte aus dieser Sicht an
eine große Zahl guter Manuskripte, die unge-
rechtfertigt abgelehnt wurden, schaute ich
nun als Debütant auf die Werke vieler ande-
rer Mitdebütanten der Saison, die mich größ-
te. Vielleicht ist es in der sozial abgefederten
Weltgegend, in der wir wohnen, ganz wich-
tig, Institutionen zu haben, um, mitunter
willkürlich, Ablehnung und Frustration un-
ter die nachwachsenden Schriftsteller zu
bringen. So herum muss man es nämlich
wenden: Die Möglichkeit zu scheitern ist ei-
ne Ressource, die vom Literarischen Collo-
quium Berlin fast jedem Bewerber nieder-
schwellig zur Verfügung gestellt wird. Nur
einigen wenigen Auserwählten wird diese
Ressource vorenthalten, aber man hat diese
Vorenthaltung so ausgestaltet, als sogenann-
te Schreibwerkstatt nämlich, dass die Teil-
nehmer sich nicht darüber beschweren.
Stellen wir uns vor, dass eine junge Auto-
rin, von ihrer Arbeit restlos überzeugt, einen
Stapel Papier an das LCB schickt. Natürlich
wird sie abgelehnt, lässt den Papierstapel
fffrustriert in einer Schublade verschwindenrustriert in einer Schublade verschwinden
und versucht, die peinliche Prosa zu verges-
sen. Ein knappes Jahr später erfährt sie aber
von der erneuten Ausschreibung der
Schreibwerkstatt, sie erinnert sich an ihre
verworfene Prosa, holt sie wieder hervor,
den Text, der ihr mittlerweile fremd und un-
bekannt geworden ist. Sie findet darin viel
Langweiliges, Banales, Schlechtes, aber auch
manches, was ihr gefällt. Sie streicht, ver-
GETTY IMAGES
/ CLAUDIA PESCATORI
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07.03.20 Samstag,7.März2020DWBE-HP
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DIE WELT SAMSTAG,7.MÄRZ2020 DIE LITERARISCHE WELT 33
D
ass sich nicht geringe Teile
der bildungsbürgerlichen Be-
wohnerschaft deutscher
Großstädte seit Jahren sozu-
sagen in kulturelle Quarantä-
ne begeben haben, kann man sehr schön
daran erkennen, dass sie immer noch mei-
nen, aufs Land ziehen zu müssen. Denn li-
terarisch hat das Dorf als zentraler Schau-
platz gesellschaftlicher Verrohung, Meta-
pher der Zerrissenheit unserer Gegenwart
und Brennspiegel all unserer Probleme die
Reihenheimsiedlung längst abgelöst. Man
denke nur an die Bücher von Juli Zeh oder
Reinhard Kaiser-Mühlecker.
VON ELMAR KREKELER
In „Power“, Verena Güntners zweitem
Roman, liegt das Dorf am Rande eines ver-
wunschenen Waldes. Jetzt steht da diese
Kerze vor einem, schmutzig, beinahe um-
gerannt von einem Mann, in dem viel Wut
ist. Kerze heißt die Elfjährige. Hat sich
selbst so genannt. Weil das mit dem Na-
mensgeben eine zu ernste Sache ist, als
dass man sie Erwachsenen überlassen
könnte. Sagt sie.
Kerze ist das Licht in der rabenschwar-
zen Gegend. Eine, auf die Verlass ist. Die
hält, was sie verspricht. Eine, die hilft. Der
Hitschke zum Beispiel, einer harmlosen Al-
ten, der irgendwann (da ist sie nicht die
Einzige in diesem Dorf) der Lebenspartner
abhandengekommen ist. War einfach weg,
blieb weg. Jetzt ist der Hitschke auch noch
der Hund verloren gegangen. Power hieß
er. So ein Flauschiger. Kerze verspricht, ihn
zu finden.
Es ist Sommer. Die Ferien stehen an. Der
Hund lebt nicht mehr, das erfährt man
früh. Wie er zu Tode kam, ist nicht so wich-
tig. „Power“ geht nur als Detektivgeschich-
te los, betreibt dann aber rasch das genaue
Gegenteil von Aufklärung im kriminallite-
rarischen Sinne. Vielmehr verfolgt das
Buch die Remystifizierung des Dorfes
durch die dunkle Magie des Waldes und der
Märchen zum Zwecke der Gewinnung ei-
nes tiefenscharfen Blickes.
Kerze macht sich auf in den Wald, in dem
sich nur noch die Kinder auskennen, weil
den Erwachsenen, die einst in ihm auf-
wuchsen, mit den Jahren sämtliche Natur-
haftigkeit, Naturnähe wegzivilisiert wurde.
Rattenfängergleich tut Kerze das, sie ist der
Herr der Fliegen des 21. Jahrhunderts. Die
Kinder folgen ihr, alle Kinder. Es wird still
im Dorf. Die Kinder verwildern im Wald,
gehen auf allen vieren, bellen, knurren,
spielen, wollen die jungen Hunde werden,
die sie sowieso sind, um Power nahezu-
kommen. Die Erwachsenen verrohen im
Ort, gehen aufeinander los. „Power“ ist
auch die Geschichte einer Radikalisierung,
erzählt von Ängsten, die ins Kraut schie-
ßen, von der Auflösung familiärer Bindun-
gen, vom Aufreißen des Generationenzu-
sammenhanges, von Schuld und Sühne.
Verena Güntner hat beängstigend viel li-
terarisches Spielmaterial in ihren Tinten-
mixer getan. An den Bäumen, an den Stra-
ßenecken hängen etliche Verweisschilder.
Dass Kerzes Geschichte trotzdem einen
herrlichen Sog entwickelt, ist das vielleicht
größte Wunder dieses an dunklen Wundern
reichen Romanes. Möchte man gleich noch
mal lesen. Und dann in ein Mittelzentrum
ziehen. Meiningen vielleicht. Warum ei-
gentlich nicht Meiningen?
VVVerena Güntner: erena Güntner: Power. Dumont. 268 S., 22 €.
Mystifiziert,
remystifiziert
Verena Güntner erzählt
die finstere Geschichte
eines Dorfes
©
STEFAN KLÜTER
/
KKKlug durchradikalisiert: Verena Güntnerlug durchradikalisiert: Verena Güntner
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