Die Welt - 03.03.2020

(Nancy Kaufman) #1

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03.03.20 Dienstag,3.März2020DWBE-HP


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03.03.2003.03.2003.03.20/1/1/1/1/Pol1/Pol1 PKRUEGE1 5% 25% 50% 75% 95%

4 POLITIK DIE WELT DIENSTAG,3.MÄRZ


A


n der Ruhr-Uni Bochum
forscht Juniorprofessor Ka-
rim Fereidooni zu den The-
men Rassismus und Bil-
dung. Im Interview erklärt
er, warum der Rassismus aus der Mitte
der Gesellschaft für ihn destruktiver ist
als der von Neonazis.

VON LUISA HOFMEIER


WELT: Herr Fereidooni, Kanzlerin An-
gela Merkel (CDU) hat nach dem Ter-
roranschlag in Hanau Rassismus als
„Gift“ bezeichnet. Wie verbreitet ist
dieses Gift?
KARIM FEREIDOONI:Rassismus ist kei-
ne Ausnahmeerscheinung, sondern in
unserer Gesellschaft allgegenwärtig.
Das liegt daran, dass Menschen Rassis-
mus nutzen, um ihre Umwelt zu struk-
turieren. Dagegen müssen wir uns weh-
ren. Das Problem ist, dass vielen Men-
schen – auch in der Politik – nicht be-
wusst ist, wie verbreitet Rassismus in
der deutschen Gesellschaft ist. Er fängt
nicht erst da an, wo Terroristen Men-
schen umbringen.

Wie definieren Sie Rassismus?
Rassismus bringt uns bei, dass einige
Menschen – qua Geburt, qua Aussehen –
höherwertig sind und andere minderwer-
tig. Ich würde ihn definieren als Unter-
ffform von Diskriminierung, die sich auform von Diskriminierung, die sich auf
einen bestimmten Aspekt bezieht: auf die
zugeschriebene oder faktische Herkunft
von Personen, die abgewertet wird.

Was meinen Sie mit „Rassismus
bringt uns bei“?
Rassismus hat menschliche Rassen er-
funden, die schwarze, rote, gelbe und
weiße, um den Kolonialismus rechtfer-
tigen zu können. Aus der Forschung
wissen wir, dass schon Dreijährige rassi-
stische Denkmuster erlernen und wis-
sen, dass weiße Menschen in der Gesell-
schaft mehr zu sagen haben als nicht
weiße.

Das heißt aber auch, dass das künstli-
che Konstrukt „Rasse“ weitergegeben
wird. Wie?
Von unserer Geburt an werden wir mit
bestehenden rassistischen Bildern kon-
frontiert. Bei Oma Ernas 70. Geburtstag
in Form von Witzen, in Schulbüchern,
in Zeitschriften. Werbung spielt zudem
eine entscheidende Rolle, weil sie ein
Schönheitsideal definiert. Und das ist
weltweit das Weißsein. Aber es geht
nicht nur um schwarz und weiß, son-
dern beispielsweise auch um antimusli-

mischen Rassismus. Dort gibt es weit-
verbreitete und salonfähige Narrative
wie: Muslimische Männer respektieren
keine Frauen und schlagen sie. Es geht
um scheinbar „Normales“, das nicht
hinterfragt wird, aber rassistisch ist.

Warum sind Menschen empfänglich
für Rassismus?
Weil Rassismus die Probleme unserer
Welt vermeintlich simpel und für jeden
verständlich erklärt. Man muss sich
nicht mehr selbst allzu viele Gedanken
machen und vorhandene Machtstruktu-
ren infrage stellen. Wenn es ein Pro-
blem gibt, kann man es sich leichter er-
klären: muss an der Kultur liegen, an

der Religion, an der Sprache der ande-
ren. Rassismus bietet ein vereinfachtes
Weltbild. Wir sind die Guten, die sind
die Schlechten. Wir leisten etwas, das
sind die Schmarotzer. Wir beschützen
die Frauen, das sind die Frauen verge-
waltigenden Männerhorden. Wir sind
aufgeklärt, das ist die Steinzeit-Religi-
on. Es geht dabei auch um eine Selbst-
aufwertung.

Wo fängt Rassismus an? Manche
Menschen finden etwa die Frage „Wo
kommst du her?“ rassistisch.
Wenn Sie mich fragen: „Woher kommen
Sie, Herr Fereidooni?“, dann ist das na-
türlich nicht rassistisch. Entscheidend
ist, wie die Konversation weitergeht,
wenn ich „Köln“ antworte. Sprechen
wir dann darüber, dass es da Kölsch gibt
und der Dom nett aussieht, ist das eine
Frage wie jede andere. Aus meiner Er-
fahrung verläuft das aber oft anders: Ich
sähe ja gar nicht aus, als käme ich aus
Köln, oder ich werde gefragt, wo ich,
meine Eltern oder meine Großeltern ur-
sprünglich herkämen. Sie haben also
eine bestimmte Vorstellung davon, wie
Deutsche aussehen: nämlich weiß. Sie
sprechen mir ab, dass ich deutsch bin.
Und damit gehen weitere negative
Aspekte einher.

Welche genau?
Zum Beispiel die Absprache der fachli-
chen Kompetenzen. Ich beschäftige
mich viel mit Rassismus an Schulen,
und da zeigt sich: Wenn Lehrerkollege
Fereidooni einen Fehler an der Tafel
macht, werden eher seine grundlegen-
den Deutschkompetenzen infrage ge-
stellt als bei Kollege Müller. Das heißt,
es wird mit zweierlei Maßgemessen.
Und das hat in allen Bereichen Konse-
quenzen: Schwierigkeiten, mit einem
nicht deutsch klingenden Namen eine
Wohnung zu finden. Dass man mehr Be-
werbungen schreiben muss, um zum
Gespräch eingeladen zu werden. Und
im schlimmsten Fall heißt es, man muss
aufpassen, körperlich unversehrt in der
deutschen Gesellschaft zu leben.

Was ist Ihr Ansatz, um Rassismus zu
bekämpfen?
Wir müssen uns alle fragen, welche Rol-
le Rassismus im eigenen Leben spielt.
Denn Rassismus hat nicht nur was mit
Kofi, Ayse und Mohammed zu tun, son-
dern auch mit Gabriele, Petra und Maxi-
milian. Nur glauben Letztere nicht, dass
Rassismus ihr Leben beeinträchtigt. Da-
bei müssen sie sich fragen, inwiefern sie
rassistische Bilder reproduzieren.

Sie deuten an, dass Rassismus auch
das Leben von Menschen beeinträch-
tigt, die nicht selbst Opfer werden –
wie meinen Sie das?
Denken Sie an die Polizistinnen und
Polizisten bei den NSU-Ermittlungen.
Die hatten kein geschlossenes rassisti-
sches Weltbild oder warenNPD-Wäh-
ler, aber sie haben den Verwandten
der Ermordeten ihr Opfersein abge-
sprochen. Sie haben sie abgehört, ge-
dacht, dass es Kriminelle sind und die
Opfer in mafiösen Strukturen gelebt
haben. Die Polizisten haben – wie viele
Menschen aus der Mitte der Gesell-
schaft – rassistische Denkmuster an-
gewendet, und das Ergebnis ist der
Fehlschluss, der massive Folgen hatte.
Das schadet nicht nur Menschen, die
Opfer von Rassismus werden, sondern
uns allen. Und diese Form von Alltags-
rassismus sehen wir nicht nur in der
Polizei, sondern auch in der Schule, an
Universitäten, im Journalismus. Und
das ist gefährlich.

Wir sollten also mehr über den alltäg-
lichen Rassismus sprechen.
Ja, denn wenn wir über Rassismus in
Deutschland reden, dann verkürzen wir
das oftmals auf Rechtsextremismus. Ich
habe aber weniger Angst vor Leuten mit
Springerstiefeln als vor Leuten im An-
zug, die rassistisch sind. Denn diese
Menschen haben mehr Einfluss auf
wichtige gesellschaftliche Teilbereiche
wie Arbeits-, Bildungs- und Wohnungs-
markt.

Sie werden auch selbst Opfer von Ras-
sismus. Was erleben Sie?
Ich halte viele Vorträge und bin sehr oft
in der Bahn unterwegs. Und wenn ich
als Einziger in dem Abteil von der Bun-
despolizei aufgefordert werde, den Aus-
weis zu zeigen, dann weiß ich, woran
das liegt. Nicht an der Kleidung, weil ich
schwarze Lederschuhe anhabe und An-
zug trage. Rassismus ist ein ganz nor-
maler Bestandteil meines Lebens, so
wie für Frauen Sexismus. Der Titel „Ju-
niorprofessor“ hat für mich allerdings
viel verändert. Der Titel schützt mich
ein Stück weit, auch bei der Wohnungs-
suche zum Beispiel. Denkt man in
„Klassen“, bin ich in der Hinsicht privi-
legiert. Aber es kann nicht sein, dass
man einen Professorentitel besitzen
muss, um als gleichwertiger Bürger die-
ses Landes anerkannt zu werden.

Was erwarten Sie von der Politik?
Ich würde Politikern raten, unbedingt
zu vermeiden, Wählerinnen und Wäh-

ler mit Rassismus zurückholen zu wol-
len, denn so wird er weiter salonfähig.
Wir sprechen seit Jahren über die soge-
nannten besorgten Bürger in unserem
Land, aber von den besorgten Men-
schen, die tagtäglich von Rassismus be-
troffen sind, von denen redet niemand.
Auch wenn er sich inzwischen korri-
giert hat, war Friedrich Merz’Äuße-
rung, in der er Rechtsradikalismus,
Clan-Kriminalität und Grenzkontrollen
miteinander in Verbindung gebracht
hat, problematisch. Genau solche Aus-
sagen sollten Politiker dringend ver-
meiden. Denn das suggeriert, dass die
Ursache für Rassismus bei Menschen
einer bestimmten Herkunft liegt. Das
ist genauso, wie zu sagen, dass die Ur-
sache für Antisemitismus bei Juden
selbst liegt. Es ist schlichtweg Quatsch.
Der Ansatz „Ändert euch, damit ihr
nicht diskriminiert werdet“ hat nie
funktioniert.

Welche Äußerungen würden Sie sich
stattdessen wünschen?
Wir brauchen einen versöhnlichen Weg,
der anerkennt, dass Deutschland eine
Migrationsgesellschaft ist. Personen
mit Migrationshintergrund gehören
selbstverständlich zur deutschen Ge-
sellschaft, genauso wie der Islam in sei-
ner friedlichen Form, der das Grundge-
setz respektiert. Dazu gehört auch an-
zuerkennen, dass Menschen mit Migra-
tionshintergrund einen bedeutenden
Beitrag zu unserem Wohlstand geleistet
haben. Jeder, der das Grundgesetz re-
spektiert, gehört dazu.

Hat Deutschland ein größeres Rassis-
musproblem als andere Länder?
Die deutsche Besonderheit besteht auf-
grund unserer Geschichte von 1933 bis


  1. Aber nach 1945 würde ich nicht von
    einem deutschen Sonderfall sprechen.
    Es gibt Rassismus in allen Staaten der
    Welt, auch in afrikanischen Staaten –
    das erkennt man etwa daran, dass dort
    Hautaufhellungsprodukte großen Ab-
    satz finden. Genauso wenig ist Rassis-
    mus ein ostdeutsches Problem. Auch
    der soziale Hintergrund spielt keine
    Rolle. Der Unterschied ist vielleicht
    eher, dass Akademiker sich elaborierter
    äußern und um soziale Erwünschtheit
    ihrer Aussagen wissen. Gebildetere
    Menschen wissen also, wann sie was sa-
    gen sollen und wann nicht. Aber For-
    schungsbefunde zeigen, dass Rassismus
    nichts damit zu tun hat, wo Menschen
    leben, wie gut sie gebildet sind, wie gut
    sie verdienen – sonst wäre die Eindäm-
    mung auch viel einfacher.


„SCHON


DREIJÄHRIGE


SCHON


REIJÄHRIGE


SCHON


ERLERNEN


RASSISTISCHE


DENKMUSTER



Rassismus dürfe


keinen Platz in


Deutschland haben,


fordern Politiker


nach dem


Hanau-Anschlag.


Tatsächlich sei er


„allgegenwärtig“,


sagt Forscher Karim


Fereidooni. Es sei ein


grundlegender


Fehler, das


Problem auf


Rechtsextremisten


zu verkürzen


KKKarim Fereidooniarim Fereidooni


VIA KARIM FEREIDOONI

THÜRINGEN


Höcke tritt gegen


Ramelow an


Die Thüringer AfD schickt ihren
Landespartei- und Fraktionschef
Björn Höcke in die Ministerprä-
sidentenwahl am 4. März in Erfurt.
Höcke tritt damit gegen den Linke-
Politiker Bodo Ramelow an, dessen
rot-rot-grünes Wunschbündnis im
Thüringer Landtag keine Mehrheit
hat. Ramelow fehlen vier Stimmen
für eine absolute Mehrheit, die er
sich bereits im ersten Wahlgang
mithilfe der CDU oder der FDP
besorgen will. Beide Fraktionen
haben erklärt, dass sie Ramelow
nicht aktiv ins Amt wählen wollen.
Höcke gilt als Wortführer des
rechtsnationalen „Flügels“ der AfD,
der vom Verfassungsschutz als Ver-
dachtsfall im Bereich Rechtsextre-
mismus eingestuft wird. Die AfD
stellt im Landtag die zweitgrößte
Fraktion mit 22 Abgeordneten.

EU-GELD


Tschechien unter


Korruptionsverdacht


Der Haushaltskontrollausschuss des
Europäischen Parlaments schlägt
nach einer zweitägigen Reise in das
EU-Land Tschechien Alarm: „Wir
sind sehr besorgt über Berichte zum
steigenden politischen Einfluss von
regierungsnahen oder der Regierung
angehörenden Politikern auf die
Gesetzgestaltung und die Verwen-
dung öffentlicher Gelder, die auf das
Ziel ausgerichtet sein sollen, auch
potenziell dem Eigeninteresse ein-
zelner Personen zu dienen“, sagte
Ausschusschefin Monika Hohlmeier
(CSU). Der Verdacht eines Miss-
brauchs von EU-Geldern in Tsche-
chien hat sich nach der Reise ver-
stärkt. „Wir werden weiterhin mit
allen Institutionen und Personen im
engen Dialog bleiben, um sicher-
zustellen, dass das Geld der eu-
ropäischen Steuerzahler der breiten
Mehrheit der Bevölkerung zugute-
kommt und nicht in den Taschen
einiger weniger landet“, betonte
Hohlmeier. Premierminister Andrej
Babis, dem selbst Missbrauch von
EU-Geldern vorgeworfen wird,
sagte ein Treffen mit den Abge-
ordneten kurzfristig ab. cbs

ISRAEL


Dritte Wahl innerhalb


eines Jahres


Trotz der Sorge vor einer Anste-
ckung mit dem neuartigen Corona-
virus ist die Wahlbeteiligung bei der
Parlamentswahl in Israel bis zum
Nachmittag relativ hoch gewesen.
Nach Angaben des Zentralen Wahl-
komitees hatten bis 16 Uhr (15 Uhr
deutscher Zeit) 47 Prozent der rund
6,5 Millionen Wahlberechtigten ihre
Stimme abgegeben. Bei der Wahl
drohte ein erneutes Patt zwischen
der rechtsgerichteten Likud-Partei
von Regierungschef Benjamin Net-
anjahu und dem Blau-Weiß-Bündnis
seines wichtigsten Rivalen Benny
Gantz. In Umfragen hatten beide
Lager zuletzt nahezu gleichauf gele-
gen. Nach den vorherigen Wahlen
im vergangenen April und Septem-
ber waren alle Versuche einer Re-
gierungsbildung gescheitert.

KOMPAKT


hen kann. Und die EU muss Handlungs-
fähigkeit an den Tag legen – die Ver-
ständigung auf eine faire Verteilung
von Flüchtlingen auf die Mitgliedstaa-
ten ist überfällig.“
Dedy betonte, die Städte wollten
Flüchtlinge, die Schutz brauchten, wei-
terhin angemessen unterbringen und
versorgen. „Deshalb sollten den Städten
nur Flüchtlinge zugewiesen werden, die
eine Bleibeperspektive haben.“
Eine Krise wie 2015 würde die Kom-
munen überfordern, die noch immer
mit der Integration derjenigen beschäf-
tigt seien, die damals kamen, warnte
der Deutsche Städte- und Gemeinde-
bund. Deutschland sei zwar besser vor-
bereitet als 2015. Die Kapazitäten und
Abläufen seien im Zuge der Flücht-
lingskrise im Jahr 2015 enorm verbes-

D


ie Bilder Tausender Migranten
an der türkisch-griechischen
Grenze sorgen für Alarmstim-
mung in Deutschland und vielen anderen
Ländern der Europäischen Union (EU).

VON PHILIP KUHN


UND FRANZISKA VON HAAREN


„Der Druck auf die EU-Außengrenze
in Griechenland ist groß. Es müssen
rasch Lösungen gefunden werden, die
menschenwürdig sind“, sagte Helmut
Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deut-
schen Städtetages, WELT. Auch wenn
das Vorgehen der Türkei problematisch
sei, müsse das Flüchtlingsabkommen
aufrechterhalten werden. „Die EU und
die Türkei müssen schnellstmöglich an
einen Tisch und klären, wie das gesche-

sert worden. Ein vergleichbarer Zu-
strom wie damals würde allerdings die
Kommunen überfordern, die noch im-
mer mit der Integration derjenigen be-
schäftigt seien, die in den letzten Jah-
ren nach Deutschland kamen.
„Ein erneuter Flüchtlingszustrom
würde nicht nur die finanziellen, son-
dern vor allem die personellen Ressour-
cen sehr stark strapazieren“, so der
Städte- und Gemeindebund. Vielmehr
müsse Griechenland bei der Bewälti-
gung des Außengrenzschutzes und der
Versorgung ankommender Migranten
geholfen werden.
In Deutschlands Kommunen rechnet
man damit, dass die Griechen dem
Druck tausender Migranten an der
Grenze nicht dauerhaft standhalten
können. „Es wird sicherlich bald ein

Thema werden, das kann sich jeder aus-
rechnen“, sagte Bautzens Oberbürger-
meister Alexander Ahrens WELT. In
seiner Stadt war es 2016 zu Jagdszenen
auf Flüchtlinge gekommen. Allerdings
sind seine Sorgen jetzt begrenzt. „Wir
haben in Bautzen die Erfahrung ge-
macht, dass die meisten Flüchtlinge aus
Syrien eine unproblematische Gruppe
und integrationsfähig sind.“ Einen
Kontrollverlust wie 2015 werde
Deutschland nicht noch einmal erle-
ben. Allerdings eine neue Verteilungs-
diskussion: „Die politische Instrumen-
talisierung der Flüchtlinge macht mir
große Sorgen“, so der SPD-Politiker.
AAAuch in Sumte, jenem 250-Einwoh-uch in Sumte, jenem 250-Einwoh-
ner-Dorf in Niedersachsen, das 2015
zeitweise ein Vielfaches an Migranten
zu verkraften hatte, sieht Bürgermeis-

ter Christian Fabel die Lage mit ge-
mischten Gefühlen. „Ich habe in den
zurückliegenden Tagen mit einem
mulmigen Gefühl daran gedacht, was
da wieder auf uns zukommen könnte“,
sagte der CDU-Politiker WELT. „Wir
haben jetzt mehr Erfahrung als 2015.
Einerseits ist das gut für eine gelin-
gende Organisation. Andererseits
werden wir wieder erleben, dass nicht
alle so gut mit der Situation umgehen
können. Diese Problematik kommt auf
uns zu, und damit müssen wir leben.“
Es könne passieren, dass die AfD pro-
fffitiere und stärker werde. Das sei je-itiere und stärker werde. Das sei je-
doch nur dann der Fall, wenn nicht
vernünftig kommuniziert werde. „Es
müssen berufliche Perspektiven für
die Flüchtlinge geschaffen werden, da-
mit sie nicht das Sozialsystem belas-

ten, denn das spielt der AfD in die
Hände“, so Fabel.
Jens Meier vom Arbeiter-Samariter-
Bund (ASB) Niedersachsen hält eine
zweite Flüchtlingskrise wie 2015 für
möglich. „Das wird sich nicht auf die
Größenordnung beschränken, mit der
die Griechen gerade zu tun haben“, sag-
te Meier WELT. Der 62-Jährige leitete
von 2015 bis 2016 die Flüchtlingsunter-
kunft in Sumte. Sein Vater habe ihn be-
reits gefragt, ob er die Koffer gepackt
habe und bereit sei, wieder einen ähnli-
chen Job zu übernehmen, so Meier. „Ich
würde nicht sagen, ich mache das nie
wieder. Ich habe ja die Erfahrung.“ Er
halte das Land für stark genug, auch mit
einer weiteren Flüchtlingskrise fertig
zu werden. Das habe ihm die Zeit als
Heimleiter in Sumte bewiesen.

Deutsche Kommunen blicken mit mulmigem Gefühl nach Griechenland


Städtetag mahnt, Migrantenansturm zu unterbinden und Griechenland zu unterstützen. Bautzens Oberbürgermeister rechnet mit weiterer Spaltung der Gesellschaft


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