„Wir werden einen
Vierergipfel haben, wenn
Boris Johnson (auch) kommen
kann – wenn nicht, haben wir
einen Dreiergipfel.“
Recep Tayyip Erdogan, türkischer Präsident, will
sich am Dienstag mit Kanzlerin Merkel und
Frankreichs Präsident Macron treffen.
„Es wird nicht nur eine
rote Zone geben.“
Giuseppe Conte, italienischer
Ministerpräsident, hat das ganze Land
wegen der Coronavirus-Epidemie zur
Schutzzone erklärt.
Stimmen weltweit
Die Wiener Zeitung „Der Standard“
kommentiert die politische Reaktion auf die
aktuelle Migrationskrise:
D
ie Lage in Südosteuropa ist grundsätz-
lich anders als in den Jahren 2015 und
- An den vielen Grenzen auf dem
Weg nach Mitteleuropa wird niemand mehr
weitergewinkt. Im Gegenteil: Es wird ständig
patrouilliert und kontrolliert. Außerdem gibt es
viele Zäune. Niemand wird mehr die Grenzen
öffnen. (...) Es ist daher verantwortungslos,
dass nicht diese Realität kommuniziert wird,
sondern Befürchtungen genährt werden, dass
es wieder zu einem Massenzustrom kommt, ob-
wohl vergleichsweise wenige unterwegs sind.
Die Griechen sind auch nicht die Ersten, die be-
wiesen haben, dass man Grenzen sichern kann.
Die Mazedonier haben das bereits 2016 gezeigt.
Nun wäre es Zeit für eine ganz andere Demons-
tration der Europäer: Durch die jüngste Ent-
wicklung gibt es endlich mehr Aufmerksamkeit
für das Elend der Flüchtlinge auf den grie-
chischen Inseln. Es braucht Unterkünfte, sani-
täre Anlagen, Ärzte, Schulen, Kindergärten und
Lehrer.
Zur aktuellen Krisenlage in Italien angesichts
der Ausbreitung des Coronavirus schreibt die
italienische Zeitung „La Repubblica“:
F
ür Italien ist es „die dunkelste Stunde“. So
hat Giuseppe Conte gestern im Interview
der „Repubblica“ nicht übertrieben, als er
an Churchill vom 18. Juni 1940 erinnerte, der
sein Land um das extremste Opfer bat, um das
Monster des Nationalsozialismus aufzuhalten.
Heute führen wir einen ganz anderen Krieg ge-
gen einen anderen Feind. Aber die dunkelste
Stunde ist trotzdem gekommen. Die Bedrohung
durch das Coronavirus ist so ernst, aktuell und
real, dass es sich nicht mehr um eine einzelne
Region handelt. Es ist eine ganze Nation, die zu
einer Sperrzone wird. Es gibt keine 14 Provinzen
mehr, aber es ist ein ganzes Land, das unter Qua-
dpa, Bloomberg, REUTERSrantäne steht.
Die Londoner „Times“ vergleicht die
wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise mit
der Finanzkrise von 2008:
B
ei all den düsteren Unsicherheiten war in
der Finanzkrise – als die Weltwirtschaft
zeitweise am Rande des Abgrunds zu ste-
hen schien – das Gegenmittel klar genug. Ökono-
men sahen die Antwort darin, die Zinssätze zu
senken, die Märkte mit Liquidität zu über-
schwemmen und einen ausreichend großen Topf
mit Geld einzurichten (...). Folglich war damals
überall die Rede von der Notwendigkeit einer
„großen Bazooka“, und die ausschlaggebendste
bestand in dem Versprechen des damaligen Prä-
sidenten der Europäischen Zentralbank, Mario
Draghi, alles zu tun, was erforderlich ist, um die
Euro-Zone zu retten. Die einzige Bazooka, die
heute die Ungewissheit definitiv beenden könn-
te, wäre die Entdeckung eines Coronavirus-Impf-
stoffs, von dem Wissenschaftler jedoch sagen,
dass er noch mindestens zwölf bis 18 Monate ent-
fernt ist.
N
iemand mag den Zielen widersprechen, die die
EU-Kommission in ihrer am Dienstag vorgestell-
ten Industriestrategie auflistet: Die Brüsseler Be-
hörde will alles dafür tun, dass Europas Industrie ihre
Wettbewerbsfähigkeit steigert und gleichzeitig grün und
digital wird. Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieser Be-
kundungen sind angebracht.
Wenn die Kommission in ihrer Strategie beispielswei-
se ankündigt, sie wolle ihre Regeln für die Wettbe-
werbskontrolle überprüfen, dann weckt das keine Hoff-
nung, sondern wirkt eher wie eine Drohung. Die alte
und neue Wettbewerbskommissarin Margrethe Vesta-
ger hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie eine
enge Auslegung der Wettbewerbskontrolle bevorzugt.
Die Untersagung der Fusion der Zugsparten von Sie-
mens und Alstom steht für eine Sichtweise, bei der die
Konkurrenz durch schlagkräftige, mit staatlicher Hilfe
gepäppelte Wettbewerber aus China systematisch au-
ßen vor gelassen wird. Mitgliedstaaten wie Deutschland
oder Frankreich werden noch hart daran zu arbeiten
haben, dass die europäischen Wettbewerbsregeln den
sich verändernden weltwirtschaftlichen Kräfteverhält-
nissen angepasst werden.
Dass die amtierende Kommission keineswegs indus-
triefreundlich agiert, wird in diesen Tagen auch bei der
Überarbeitung der Beihilferichtlinien offenbar. Die Kom-
mission, auch in diesem Fall steht Kommissarin Vesta-
ger an vorderster Front, will alles dafür tun, die Liste
der Branchen drastisch zu verkürzen, die eine Kompen-
sation für die emissionshandelsbedingten Mehrkosten
beim Strom erhalten dürfen. Einzelne Unternehmen
wird das in Bedrängnis bringen. In der Industriestrate-
gie heißt es zwar, die Kommission werde die Instrumen-
te zur Verhinderung von „carbon leakage“, also klima-
schutzbedingter Produktionsverlagerung, stärken; tat-
sächlich tut sie aber gerade genau das Gegenteil.
Wenn die Kommission in ihrer Strategie wettbe-
werbsfähige Energiepreise in Aussicht stellt, steht das
ebenfalls in Widerspruch zu ihren Plänen im Klima-
schutz. Die Kommission hat das Ziel proklamiert, die
Treibhausgasemissionen bis 2030 statt um 40 Prozent
um 50 oder 55 Prozent zu senken. Das wird zwangsläu-
fig zur einer Verschärfung der Regeln des Emissions-
handels führen und die Preise weiter nach oben trei-
ben.
So setzt sich in der Strategie ein Muster fort: Die
Kommission wird nicht müde zu betonen, wie sehr ihr
eine prosperierende Industrie am Herzen liegt. In der
Praxis aber müssen die Unternehmen hart dafür kämp-
fen, für solche Lasten, die Wettbewerber in anderen
Weltregionen nicht oder nicht im gleichen Umfang ken-
nen, einen Ausgleich zu erhalten.
Industriestrategie
Nur ein kühner Traum
Die Industriestrategie der
EU-Kommission steckt voller
guter Ideen. Doch von guten
Wünschen allein kann niemand
leben, warnt Klaus Stratmann.
Der Autor ist stellvertretender Büroleiter in Berlin.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]
Wirtschaft & Politik
MITTWOCH, 11. MÄRZ 2020, NR. 50
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