ren Banken stehen die Aufseher im Dauerkon-
takt. An ausgewählte kleinere deutsche Institute
hat die deutsche Bankenaufsicht Insidern zufolge
einen Fragebogen zu dem Thema verschickt. Grö-
ßere Ausfälle im Zahlungsverkehr und in anderen
wichtigen Bereichen hat es bisher nicht gegeben.
Allerdings müssen die Banken angesichts der
steigenden Zahl von Coronafällen unter ihren Mit-
arbeitern immer größere Anstrengungen unterneh-
men, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Die
Deutsche Bank hat einen ersten Krankheitsfall im
Wertpapierhandel zu verzeichnen. Im Handelszen-
trum in der Mainzer Landstraße außerhalb der
Doppeltürme an der Taunusanlage wurden zwei
Etagen gesperrt und gründlich gereinigt. Der Wert-
papierhandel gilt als kritische Funktion für die Sta-
bilität des Finanzsystems, deshalb drängen die Auf-
seher, dass der Betrieb auch unter widrigen Um-
ständen gewährleistet sein muss.
Die Deutsche Bank hat deshalb ihre Handels-
teams geteilt. Ein Teil arbeitet auf dem desinfizier-
ten Trading Floor in der Mainzer Landstraße wei-
ter, ein anderer von einem Ausweichquartier im
Frankfurter Umland aus. Laut Finanzkreisen ist ei-
ne höhere zweistellige Zahl von Mitarbeitern von
den Maßnahmen betroffen. In einem Mitarbeiter-
brief der Bank heißt es: „Wir erwarten kei-
ne Auswirkungen auf unsere Dienst-
leistungen für unsere Kunden und
sind uns bewusst, dass diese
Maßnahmen zusätzliche An-
strengungen und Disziplin von
allen erfordern werden.“
Die spanische Santander
leitet noch drastischere Maß-
nahmen ein und hat alle Mit-
arbeiter in Madrid aufgefor-
dert, ab Dienstag 15 Tage lang
von zu Hause aus zu arbeiten.
Sie reagiert damit auf eine geän-
derte Gefahreneinschätzung der
spanischen Regierung. Die hatte am
Montag beschlossen, in der autonomen Regi-
on Madrid ab Mittwoch alle Kindergärten, Schulen
und Universitäten zu schließen. Hintergrund war
ein sprunghafter Anstieg der Infektionen am Mon-
tag. 577 der insgesamt 1227 Fälle in Spanien sind al-
lein in Madrid aufgetreten. Mitarbeiter in für die
Bank besonders wichtigen Funktionen arbeiten be-
reits seit dem vergangenen Freitag von zu Hause
aus.
Die Commerzbank schloss wegen der Maßnah-
men der italienischen Regierung zur Eindämmung
der Epidemie ihre Büros in Mailand, rund 50 Mitar-
beiter arbeiten von zu Hause aus. In der Mailänder
Filiale gebe es aber noch eine Notbesetzung, sagte
ein Banksprecher. Im nordirischen Belfast schloss
der britische Hypothekenfinanzierer Halifax ein
Callcenter mit 1 000 Mitarbeitern.
Zumindest an der Börse gab es für die Banken
am Dienstag Entlastung. Nachdem Deutsche Bank
und Commerzbank zum Wochenauftakt auf neue
Rekordtiefs gefallen waren, sprangen die Kurse
nun wieder um fast zehn beziehungsweise mehr
als 14 Prozent in die Höhe. Bis zum Abend gaben
die Aktien aber den Großteil der Gewinne wieder
ab. Das zeigt, dass die Geldhäuser weiter mit dem
Misstrauen der Investoren kämpfen, die sich vor
den langfristigen wirtschaftlichen Folgen der Coro-
nakrise fürchten.
Ein wichtiges Krisenbarometer für die Branche
ist der Markt für Kreditausfallversicherungen. Mit
sogenannten Credit Default Swaps können sich In-
vestoren gegen einen Zahlungsausfall absichern.
Vor Ausbruch der Krise waren die CDS-Prämien
der Deutschen Bank deutlich gefallen, ein Indiz für
die Rückkehr des Vertrauens in das größte heimi-
sche Geldhaus. Doch seit Mitte Februar schnellten
die Prämien von um die 0,45 Prozent auf über ein
Prozent, den höchsten Stand seit dem Frühjahr
2019.
Die CDS-Prämien sind für die Banken wichtig,
weil sie als Orientierung für die Refinanzierung die-
nen und weil sich viele Kunden bei der Vergabe
von Geschäften daran orientieren. Deutsche-Bank-
Chef Christian Sewing hatte in den vergangenen
Wochen mehrfach betont, dass die niedrigeren
CDS-Prämien ein Vertrauensbeweis seien und im
Geschäft mit Großkunden für Rückenwind sorgten.
Nach dem massiven Anstieg der vergangenen Tage
versucht die Bank zu beruhigen. Entscheidend sei
weniger die absolute Höhe als der Unterschied zur
Konkurrenz, heißt es.
Tatsächlich haben in den vergangenen Tagen die
CDS Spreads aller europäischen Banken massiv an-
gezogen, die Deutsche Bank lag dabei im Mittelfeld.
Der iTraxx-Index für die CDS-Prämien für Anleihen
und Kredite europäischer Banken ist am Freitag
und Montag um fast einen halben Prozentpunkt
auf 1,26 Prozent in die Höhe geschnellt. Das ist ein
enormer Sprung. Eine CDS-Prämie von 1,26 Pro-
zent bedeutet, dass Investoren, die sich vor einem
Zahlungsausfall der Banken schützen wollen, dafür
jedes Jahr 1,26 Prozent als Versicherungssumme
zahlen.
Moody‘s warnt vor Kreditrisiken
Am Dienstag sanken die Ausfallprämien zwar wie-
der leicht, notierten mit 1,17 Prozent aber immer
noch auf dem höchsten Niveau seit Sommer 2016 –
und damit seit der Zeit des Votums der Briten ge-
gen die Europäische Union. In der Finanzkrise wa-
ren die CDS-Prämien mit 3,6 Prozent indes fast
dreimal so hoch wie derzeit.
Nach Einschätzung der Ratingagen-
tur Moody‘s wird sich die Corona-
krise vor allem im ersten Halb-
jahr negativ auf die europäi-
schen Banken auswirken. Vor
allem die Kreditqualität wer-
de sich verschlechtern. Eine
kurzfristige Schwächephase
könnten die Institute aber
abfedern, schließlich hätten
die meisten Geldhäuser in den
vergangenen Jahren ihre Kapi-
talpolster gestärkt und den Anteil
fauler Kredite in ihren Büchern ab-
gebaut. Das wahrscheinlichste Szena-
rio sei, dass die direkten negativen Auswir-
kungen auf den europäischen Bankensektor be-
grenzt sein dürften.
Eine längere Krise werde jedoch auch auf die
Banken durchschlagen, da dann mit steigenden
Kreditausfällen vor allem bei Darlehen an kleinere
und mittlere Unternehmen zu rechnen sei. Zudem
würde ein anhaltendes Zinstief sowie eine geringe-
re Nachfrage nach Anleiheemissionen, Börsengän-
gen und anderen Kapitalmarkttransaktionen die
ohnehin geringe Profitabilität der Banken weiter
belasten.
Der ehemalige Deutsche-Bank-Chef Josef Acker-
mann hält im Extremfall wegen des Coronavirus
sogar neue Staatsgelder für den Banksektor für
möglich. „Ich hoffe, dass es nicht so weit kommt“,
sagte der Schweizer dem Magazin „Der Spiegel“.
„Aber die Regierungen werden der Wirtschaft ins-
gesamt, also auch der Finanzwirtschaft, beistehen
müssen.“ Die Institute seien heute zwar besser ka-
pitalisiert als vor der Finanzkrise 2008 und durch
die Zentralbanken auch gut mit billigem Geld ver-
sorgt. „Aber viele Banken besonders in Europa
sind nicht profitabel genug, um einen solchen
Schlag einfach wegstecken zu können“, sagte
Ackermann. Michael Maisch, Andreas Kröner,
Andrea Cünnen und Sandra Louven
Wir erwarten keine
Auswirkungen auf
unsere Dienstleistungen
für unsere Kunden.
Mitarbeiterbrief der
Deutschen Bank
Finanzmärkte
Noch keine
Entwarnung
W
enigstens etwas. Nach dem dramati-
schen Ausverkauf am Montag haben
sich die Aktienmärkte am Dienstag
stabilisiert. Investoren wagten sich wieder zag-
haft ins Risiko. Der deutsche Leitindex Dax stieg
am Dienstag um bis zu 3,8 Prozent, drehte aber
am frühen Abend mit den US-Börsen wieder
leicht ins Minus. Auch die Wall-Street-Indizes hat-
ten den Handelstag mit Aufschlägen begonnen.
Am Tag zuvor waren die Aktienbörsen so stark
gefallen wie zuletzt in der Finanzkrise. Der Dax
hatte knapp acht Prozent eingebüßt, an der Wall
Street waren die Verluste ähnlich groß. Zur Panik
über die Folgen des sich auch in Europa immer
stärker ausbreitenden Coronavirus hatte sich der
Einbruch der Ölpreise gesellt.
Auch der Volatilitätsindex VDax, das Nerven-
barometer der Börse, hat sich nach dem größten
Sprung seiner Geschichte am Montag wieder be-
ruhigt. Nach einem Anstieg um fast 57 Prozent
auf 62,67 Punkte rutschte der Index am Dienstag
wieder um 17 Prozentpunkte auf rund 45 Punkte
ab. Diese Marke zum Wochenstart war lediglich
während der Finanzkrise 2008 mit 85,12 überbo-
ten worden. Je größer diese Ziffer, desto höhere
Kursschwankungen erwarten die Anlageprofis in
den kommenden Tagen und Wochen. Sie wird
berechnet aus den an der Frankfurter Termin-
börse gehandelten Optionen.
Zusätzlich zur Angst der Anleger verstärken
Strukturen im Investorenverhalten und im Bör-
senhandel die Volatilität. Immer mehr Großin-
vestoren legen ihr Kapital regelbasiert oder auch
computergesteuert an. Werden bestimmte Kurs-
niveaus erreicht, kaufen sie automatisch Aktien
oder werfen diese auf den Markt. Auch Manager
passiver Fonds wie der börsengehandelten ETFs
kaufen Wertpapiere, wenn Anleger ihnen Kapital
anvertrauen, und verkaufen, wenn Investoren ih-
re Fondsanteile loswerden wollen. Beides „ver-
stärkt deutlich die Prozyklik und Kursausschläge
am Markt“, sagt Rüdiger Sälzle, Chef des Fonds-
beraters Fonds Consult. In die gleiche Richtung
wirkt, dass es quasi keinen Eigenhandel der Ban-
ken mehr gibt, der auch Kursausschläge glättete.
Für Strategen wie die der Deutschen Bank ist
allerdings „nicht ganz klar“, was der Auslöser für
die Erholung der Märkte ist. Am ehesten sei es
die Hoffnung auf Donald Trump. Der US-Präsi-
dent hat „umfangreiche“ wirtschaftliche Maß-
nahmen angekündigt, inklusive Lohnsteuersen-
kungen und erheblicher Entlastungen für Stun-
denlohnempfänger und Unternehmen.
An den Anleihemärkten zeigten Trumps Worte
ebenfalls Wirkung. Investoren verkauften zum
Teil ihre als ausfallsicher geltenden Staatsbonds.
Entsprechend stiegen die sich gegenläufig zu den
Kursen entwickelnden Renditen wieder deutlich.
Die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihe
stieg von ihrem historischen Tief am Montag von
0,3 Prozent auf über 0,6 Prozent am Dienstag.
Ein solcher Renditeanstieg in so kurzer Zeit ist
außergewöhnlich. Die Rendite der für die Euro-
Zone maßgeblichen zehnjährigen deutschen
Bundesanleihe kletterte ebenfalls beachtlich –
von ihrem historischen Tief bei minus 0,9 Pro-
zent am Montag auf zuletzt minus 0,8 Prozent.
Analysten trauen der Stabilisierung der Anle-
gerstimmung aber nicht. Nach Trumps Ankündi-
gungen sei das „Potenzial für Enttäuschungen
groß“, meint Michael Leister, Leiter der Zinsstra-
tegie bei der Commerzbank.
Dabei spielt eine Rolle, dass sich die Coronakri-
se auch global zu einer ökonomischen Herausfor-
derung entwickelt. Eine konzertierte politische
Aktion ist aber bislang nicht in Sicht. Das ist für
Michael Strobaek, Chefanlagestratege der Credit
Suisse, der Hauptgrund dafür, dass auch in den
kommenden Wochen mit einer „sehr großen Vo-
latilität“ an den Märkten zu rechnen ist. cü, jr, rez
Filiale der Santander
Bank: Mitarbeiter in
Madrid müssen 15
Tage lang von zu
Hause aus arbeiten.
Bloomberg
Finanzen & Börsen
MITTWOCH, 11. MÄRZ 2020, NR. 50
27