Handelsblatt - 11.03.2020

(singke) #1
Andreas Kröner Frankfurt

E


s geht um ein notori-
sches Streitthema. Die öf-
fentlich-rechtliche Insti-
tutssicherung regelt, dass
sich Sparkassen, Landes-
banken und Landesbausparkassen in
Notsituationen zu Hilfe eilen und be-
drohte Institute gemeinsam retten.
Jedes Mal, wenn dieses System modi-
fiziert wird, kommt es zu hitzigen
Diskussionen. Es geht schließlich um
heikle Fragen: Wer darf bei der Ret-
tung von Banken mitreden? Und wer
muss am Ende wie viel bezahlen?
Vor diesem Hintergrund über-
rascht es nicht, dass in der Sparkas-
sen-Finanzgruppe große Unruhe
herrscht, nachdem die europäische
Finanzaufsicht Änderungen beim öf-
fentlich-rechtlichen Sicherungssys-
tem angemahnt hat. Sie fordert eine
Vereinfachung, damit kriselnde Ban-
ken im Ernstfall unkomplizierter und
schneller gestützt werden können –
im Extremfall auch mal an einem
Wochenende.

Schwierige Verhandlungen
In einem Brief hat die Finanzaufsicht
die Sparkassen aufgefordert, die
Strukturen und die Steuerung (Go-
vernance) der Institutssicherung bis
Ende 2022 zu reformieren, wie meh-
rere mit dem Thema vertraute Perso-
nen dem Handelsblatt sagten. Die
Sparkassen könnten auf diesen Brief
nun antworten, im Anschluss werde
die EZB ihre Vorstellungen dann ge-
gebenenfalls konkretisieren.
In dem Brief werden Insidern zu-
folge verschiedene Punkte adressiert.
Bei einigen handelt es sich um tech-
nische Details, die sich vermutlich
vergleichsweise schnell lösen lassen.
Um die zentrale Forderung zu erfül-
len, schnellere Entscheidungswege
zu schaffen, werden dagegen lang-
wierige Verhandlungen nötig sein.
Die meisten Beteiligten gehen da-
von aus, dass die EZB bis Ende 2022
spürbare Veränderungen erwartet,
am Ende aber keine harte Frist setzt.
Entscheidend sei für die Aufsicht,
dass ein belastbarer Prozess angesto-
ßen werde, um die Strukturen zu ver-
ändern, sagten mit der Diskussion
vertraute Personen.
Die EZB wollte sich dazu nicht äu-
ßern. Ein Sprecher des Deutschen
Sparkassen- und Giroverbands
(DSGV) erklärte, die Prüfung nationa-
ler Sicherungssysteme gehöre zu den
Aufgaben der Aufsicht. „Über die Er-
gebnisse befinden wir uns mit der
EZB im laufenden Austausch.“

Vertrauensschutz
Das Sicherungssystem von Sparkas-
sen und Landesbanken gilt als we-
sentlich für den Zusammenhalt der
Gruppe – und für das Versprechen
der Sparkassen, die Einlagen ihrer
Kunden zu schützen. Der DSGV be-
zeichnet das System als „Vertrauens-
schutz der Kunden“. Die Diskussion
zwischen dem öffentlich-rechtlichen
Sektor und der Finanzaufsicht über
die Institutssicherung läuft Insidern
zufolge schon seit über einem Jahr.
Weil für alle Beteiligten die Privatisie-

rung der HSH Nordbank und an-
schließend die Rettung der NordLB
Priorität hatten, wird der Umbau je-
doch erst jetzt angegangen.
Es handelt sich dabei um eine ge-
meinsame Initiative der EZB, der
deutschen Finanzaufsicht Bafin und
der Bundesbank. „Wir stellen die In-
stitutssicherung nicht infrage. Aber
weil die Sicherungssysteme histo-
risch gewachsen sind, gibt es an der
einen oder anderen Stelle zu viel
Komplexität“, sagte Bundesbank-Vor-
stand Joachim Wuermeling im Januar
im Handelsblatt-Interview. „Wir ha-
ben an einigen Beispielen gesehen,
dass die Institutssicherung funktio-
niert, es aber sicherlich Optimie-
rungsbedarf gibt.“
Bei der NordLB, der HSH Nord-
bank und zuvor auch schon bei der

Abwicklung der WestLB gab es mona-
telange Diskussionen, wer innerhalb
des öffentlich-rechtlichen Sektors wie
viele Lasten trägt. Ein Hauptgrund
dafür ist aus Sicht der Finanzaufsicht
die Komplexität der Institutssiche-
rung. Sie besteht aus 13 verschiede-
nen Haftungstöpfen: Neben elf regio-
nalen Sparkassen-Stützungsfonds
gibt es noch die Sicherungsreserven
von Landesbanken und Landesbau-
sparkassen.
Sämtliche Töpfe sind miteinander
verknüpft und müssen im Rahmen
des gemeinsamen Haftungsverbunds
eingreifen, falls eine Sicherungsein-
richtung mit einem Stützungsfall
überfordert ist. Derzeit gibt es in
Deutschland 378 Sparkassen, vier
größere Landesbanken und acht Lan-
desbausparkassen.

Beim DSGV gebe es durchaus Sym-
pathien für eine Vereinfachung der
Regeln, sagten mehrere mit dem
Thema vertraute Personen. Einige
mächtige Regionalverbände der Spar-
kassen hätten jedoch Vorbehalte. Sie
fürchten, dass eine Vereinfachung
der Struktur am Ende dazu führt,
dass sie bei Stützungsfällen weniger
Mitspracherechte haben.

Konflikte programmiert
Öffentlich-rechtliche Spitzenmanager
fürchten, dass bei der Diskussion
über Änderungen an der Institutssi-
cherung alte Konflikte wieder auf-
flammen. Vor der letzten Reform
2015 hatte der Sparkassenverband
Westfalen-Lippe eine Haftungsober-
grenze für seine Institute gefordert
und andernfalls mit einem Austritt
aus dem Haftungsverbund gedroht.
Der damalige DSGV-Präsident
Georg Fahrenschon konnte ein Ausei-
nanderbrechen der Institutssiche-
rung zwar in letzter Minute verhin-
dern. Einige Sparkassen-Funktionäre
stimmten der Vereinbarung 2015 al-
lerdings nur mit Zähneknirschen zu.
Deshalb halten es viele Sparkassen-
Insider für denkbar, dass Regional-
verbände ohne Landesbank-Beteili-
gung auch dieses Mal eine stärkere
Risikoabschirmung fordern – oder
dass sie die Verbindungen zwischen
den Haftungstöpfen ganz oder teil-
weise kappen wollen.

Verbundprivilegien
Letzteres hätte jedoch aller Voraus-
sicht nach die Konsequenz, dass die
Sparkassen-Finanzgruppe ihre Ver-
bundprivilegien verliert. Diese erlau-
ben den Instituten, Geschäfte inner-
halb der Finanzgruppe nicht mit Ei-
genkapital zu unterlegen und keine
Großkreditgrenzen beachten zu müs-
sen. Auch für die Bonitätsnoten der
Landesbanken ist der Haftungsver-
bund von großer Bedeutung.
Bei den anstehenden Diskussionen
geht es also um viel. Die meisten Be-
teiligten glauben, dass der Sektor am
Ende eine Lösung finden wird, mit
der die Finanzaufsicht zufrieden ist.
Aber die Diskussion wird die Organi-
sation extrem beschäftigen und viele
Ressourcen binden, die man aktuell
eigentlich für andere Themen
bräuchte.
Im Rahmen des Projekts „Sparkas-
se reloaded“ debattiert die Gruppe
gerade über ein besseres Zusammen-
spiel von Sparkassen, Verbänden und
den übrigen Unternehmen der Fi-
nanzgruppe. Zudem treibt DSGV-Prä-
sident Helmut Schleweis eine Konso-
lidierung der Spitzeninstitute voran.
Im ersten Schritt sollen dabei der
Fondsanbieter Deka und die Landes-
bank Hessen-Thüringen (Helaba) fu-
sionieren.
Ob es zu einem Zusammenschluss
kommt, ist allerdings offen. Kritiker
des Projekts könnten früher oder
später argumentieren, dass der Um-
bau der Institutssicherung Priorität
haben müsse. Die Finanzaufsicht, die
sich seit Langem für eine Konsolidie-
rung des Sektors starkmacht, hätte
sich dann in den eigenen Fuß ge-
schossen.

Sparkassen und Landesbanken


Komplizierte


Rettungen


Die EZB will, dass der öffentlich-rechtliche Finanzsektor


seine Institutssicherung bis Ende 2022 reformiert.


NordLB-Zentrale:
Über die Rettung der
Landesbank gab es eine
monatelange Diskussion.

dpa

378

SPARKASSEN
sowie vier größere
Landesbanken und acht
Landesbausparkassen
sind von der Diskussion
über die Instituts-
sicherung betroffen.

Quelle:
Sparkassenverband

Finanzen & Börsen
MITTWOCH, 11. MÄRZ 2020, NR. 50
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