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Einleitung
Filippo Smerilli
„Stottern ist ein ausdrucksstarkes Phänomen. [...] Stottern lässt keinen kalt –
den Sprecher nicht und auch nicht den Zuhörer.“^1 Mit diesen Worten charak-
terisiert der Psychologe, Mitbegründer der Selbsthilfe für stotternde Menschen
in Deutschland und langjährige Stottertherapeut Wolfgang Wendlandt treffend
die doppelseitige Wirkung der gestörten kommunikativen Interaktion beim
Stottern. Ganz und gar nicht ‚kalt‘ lässt das Stottern dabei in der Regel insbe-
sondere die Betroffenen selbst. Vielmehr begleitet eine innere, nicht sichtbare
emotionale Symptomatik die verschiedenen äußeren, sicht- und hörbaren Sym-
ptome: das Verlängern, Blockieren oder Wiederholen von Wörtern, Silben oder
Lauten; das Verkrampfen und Zittern der Sprech- oder anderer Muskulatur;
die unkontrollierten Mitbewegungen von z.B. Kopf, Armen, Beinen usw. Im
Normalfall dominieren negative Gefühle die Einstellung gegenüber der sich
derart äußernden eigenen Behinderung, jedenfalls solange die Redefluss-Stö-
rung und ihre Begleitsymptome nicht bearbeitet wurden, z.B. im Rahmen einer
seriösen logopädischen Therapie. Am häufigsten von den Betroffenen genannt
wird als ein das Stottern begleitendes Gefühl die „Angst“, die sich bis zur „Pa-
nik“ steigern kann; andere mit dem Stottern verbundene typische Gefühle sind
„Scham“, „Verlegenheit“, „Schuld“, „Frustration“ und „Aggression“; und zuletzt
beeinflusst das Stottern bzw. der Umgang der Betroffenen mit dieser Sprechun-
flüssigkeit oft die Wahrnehmung der eigenen Identität und bedingt ein „nega-
tives Selbstbild“^2.
Vor diesem Hintergrund erscheint es als ein zumindest mutiges, wenn nicht arg
gewagtes Unterfangen, ein Buch zu positiven Aspekten des Stotterns herauszu-
geben. Deshalb sei gleich zu Beginn betont: Das Leiden am Stottern, das häufig
und zumindest phasenweise stark ausgeprägte Unglück der Betroffenen ist uns
(^1) Wolfgang Wendlandt: Stottern im Erwachsenenalter. Grundlagenwissen und Handlungshilfen für die Therapie und
Selbsthilfe. Stuttgart: Thieme 2009. S. 2.
(^2) Ulrich Natke: Stottern. Erkenntnisse, Theorien, Behandlungsmethoden. 2., vollständig überarbeitete und ergänzte
Aufl. Bern: Huber 2005. S. 22f.