12
als Herausgebern sehr wohl bekannt. Wir stottern beide selbst und haben unse-
ren eigenen Weg im Umgang mit unserer Sprechbehinderung erst in langen
Jahren finden müssen – wir sind wie viele andere stotternde Menschen sogar
immer wieder dabei, ihn neu zu finden. Und doch hat uns gerade auf der Grund-
lage unserer eigenen Erfahrungen mit negativen Gefühlen dem Stottern gegen-
über der Versuch interessiert, im Rahmen dieses Buchs einmal einen vollkom-
men anderen Blick auf die normalerweise als Defizit betrachtete und erfahrene
Beeinträchtigung des Sprechens zu probieren. Gerade das Gewagte des beab-
sichtigten Perspektivwechsels hatte uns gereizt, als Michael Kofort vom De-
mosthenes-Verlag der Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe das Thema
vorschlug.
Eine der herausforderndsten und zugleich wichtigsten Aufgaben im Umgang
mit dem eigenen Stottern ist unserer Erfahrung und unseres Wissens nach, dass
es auf irgendeine Weise gelingt, eine versöhnliche Haltung gegenüber der eige-
nen Symptomatik und Beeinträchtigung zu entwickeln. Solange ich mich für
meine Wiederholungen, Verzögerungen oder Blockaden schäme, mir die Schuld
für sie gebe, mich vielleicht sogar dafür hasse, werde ich dem Stottern unmög-
lich etwas Positives abgewinnen können. Aber ist das deshalb prinzipiell un-
möglich?
Wir denken, dass das nicht so ist, und zwar obwohl Stottern geradezu zwangs-
läufig das Leben der davon betroffenen Menschen prägt und zweifellos schwie-
riger macht. Denn was wäre unser Alltag ohne sprachliche Kommunikation?
Sei es in der Schule, im Studium, im Beruf oder im Privatleben; beim Einkau-
fen, im Café, in der Mensa oder am Bahnhof: Ohne zu sprechen, ist unser All-
tag nur unter großen Schwierigkeiten zu bewältigen. Als stotternder Mensch
begegnet man jeden Tag gerade beim Sprechen unzähligen kleinen Herausfor-
derungen, die oft mit starken Gefühlen einhergehen. Sei es beim Bestellen eines
Essens, beim Kauf einer Fahrkarte oder beim Ansprechen einer sympathischen
Person – immer stellt sich die Frage: Spreche und stottere oder vermeide ich?
Damit verbunden sind andere Fragen: Bleibe ich hungrig oder nehme ich ggf.
Spott in Kauf? Ertrage ich es, wenn ich nicht freundliche, sondern einmal mehr
irritierte Blicke ernte? Stelle ich mich meiner Angst oder vermeide ich die Kon-
frontation mit ihr und ihrem Auslöser? Riskiere ich einmal mehr die Alternati-
ve Gelingen oder ‚Versagen‘? ...