Der Spiegel - ALE (2022-01-08)

(EriveltonMoraes) #1
116 DER SPIEGELNr. 2 / 8.1.2022

WISSEN


Sonnenstrahlen fallen durch ein Mosaikfenster in diesen nach neolithischen Vorbildern neu angelegten Grabhügel in der englischen Grafschaft
Shropshire. Der »Soulton Long Barrow« ist so ausgerichtet, dass die Grabkammer am Tag der Wintersonnenwende im Dezember mit dem
Licht der untergehenden Sonne geflutet wird. Die Halle ist mehr als 5000 Jahre alten Totenstätten nachempfunden und wird von einem mächtigen
Kraggewölbe aus Steinen überspannt. Bis zu 80 Menschen können den Ort für Beerdigungen und Gedenkzeremonien nutzen.

Besser später lernen


ANALYSE Der Lockdown hat bestätigt, dass
der Schulunterricht zu früh beginnt.

Wie wäre es, wenn die Schule morgens erst um neun Uhr beginnen
würde? Es wäre ein großer Gewinn für die Schüler, sagen Forscher
der Universität Zürich. Ihre Erkenntnisse gewannen sie während
der pandemiebedingten Schulschließungen. Die Zeit des Lock­
downs nämlich, so das Fazit einer Studie im Fachmagazin »Journal
of the American Medical Association«, hatte auch positive Effekte.
»Die von uns befragten Schülerinnen und Schüler schliefen rund
75 Minuten länger«, berichtet einer der Autoren, der Entwick­
lungspädiater Oskar Jenni. »Gleichzeitig stieg ihre Lebensqualität
signifikant, und der Konsum von Alkohol und Koffein sank.«
Für ihre Untersuchung befragten die Wissenschaftler 3664
Gymnasiasten im Kanton Zürich während des Schweizer Lock­
downs im zweiten Quartal 2020 zu Schlafverhalten, Gesundheit
und Lebensqualität. Dann verglichen sie die Ergebnisse mit
einer ähnlichen Befragung aus dem Jahr 2017. Dabei zeigte sich,

dass die Jugendlichen während des Homeschoolings an Schul­
tagen rund 90 Minuten später aufstanden, aber nur etwa
15 Minuten später zu Bett gingen. Die gewonnenen 75 Schlaf­
minuten taten ihnen offenbar sehr gut – für Jenni keine
Überraschung: »Ab dem achten bis zehnten Lebensjahr ver­
schiebt sich der Schlafrhythmus in die Nacht hinein«, erklärt
der Forscher, »das hat mit Hirnreifungsprozessen und Ver­
änderungen der inneren Uhr zu tun.« Bis zum 20. Lebensjahr
setze sich dieser Prozess fort, erst danach verschiebe sich
der Schlaf­Wach­Rhythmus wieder nach vorn.
Frühe Schulanfangszeiten stünden deshalb im Konflikt mit den
biologisch bedingten, verspäteten Schlafzeiten von Jugend lichen
und trügen zum chronischen Schlafdefizit der Heran wachsenden
bei. Zu wenig Schlaf jedoch kann zu Müdigkeit, Angst und kör­
perlichem Unwohlsein führen. Dadurch verschlechtern sich Stim­
mung, Konzentration, Gedächtnis und Aufmerksamkeit.
Ein Plädoyer für das Homeschooling will Jenni aus den
Ergeb nissen allerdings nicht ableiten. »Schulschließungen haben
langfristig schwerwiegende negative Effekte auf Kinder und
Jugendliche«, bekräftigt der Kinderarzt, »unsere Ergebnisse
liefern jedoch starke Argumente dafür, die Schule grundsätzlich
später beginnen zu lassen.« Philip Bethge

Andrew Fusek Peters / SWNS / action press

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