Der Spiegel - ALE (2022-01-08)

(EriveltonMoraes) #1
DEUTSCHLAND

34 DER SPIEGELNr. 2 / 8.1.2022

Cops auf Koks


KRIMINALITÄT Kaum ein Skandal erschütterte die Münchner Polizei in den vergangenen Jahrzehnten so heftig
wie eine Kokain-Connection in den eigenen Reihen. Doch die Strafverfolger jagten auch Unschuldige.

D


er Tag, der ihn sein früheres Leben kos-
tete, seine Stelle, seine Ehre, war ein
krachlustiger Sonntag im März 2017.
Clemens Ertl, damals 26, Streifenpolizist im
Münchner Westend, hatte mit drei Freunden
vom Altstadt-Revier gepokert. Sie hatten
Schnaps aus Island gekippt, und weil in Mün-
chen die Parade für St. Patrick war, den iri-
schen Nationalheiligen, gingen sie hinterher
noch ins Kennedy’s, den Irish Pub am Send-
linger Tor. Ertl weiß noch, wie er trank, wie

er tanzte. Und einer seiner Kumpel – das
ahnte Ertl aber nicht – chattete mit seiner
Freundin: »Trink gemütlich ..., während die
Anderen trinken und tdbzen.«
»Tdbzen.« Was man so ins Handy tippt,
wenn der Finger nicht mehr trifft.
Dreieinhalb Jahre später klingelte es bei
Clemens Ertl, genauer gesagt an der Tür sei-
ner Eltern. Vater und Mutter, beide Lehrer,
waren im Urlaub, Ertl passte auf ihr Reihen-
haus auf. Der Mann an der Tür fragte, ob er

Clemens Ertl sei; Ertl sagte »Ja«. In diesem
Moment stürmten vermummte Männer auf
ihn zu, ein Spezialeinsatzkommando. Sie
warfen sich auf ihn, einer drückte ihm den
Lauf der Maschinenpistole an den Kopf.
»Polizei! Runter auf den Boden!«, so erinnert
sich Ertl heute.
Das bayerische Landeskriminalamt (LKA)
hatte kurz vorher in einem Ermittlungsbericht
den Vertipper »tdbzen« aufgelöst: aber nicht
mit »tanzen«, was nähergelegen hätte, auch

Polizist Ertl: Ein Tippfehler
in einem Handychat
veränderte sein Leben und
machte ihn zum angeblichen
Drogenkonsumenten.

Peter Schinzler / DER SPIEGEL

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