SdWSBMH0217

(Martin Jones) #1

Zeit entfernt und durch neuere Kanäle aus den äußeren
Regionen ersetzt zu werden. Das könnte erklären, wie Gap
Junctions erhalten bleiben, obwohl in ihnen Connexine
verloren gehen.


Zelluläre Kannibalen
Das vielleicht bemerkenswerteste Ergebnis unserer Unter-
suchungen an lebenden Zellen war, dass manchmal große
Teile von Gap Junctions plötzlich verschwinden. Dabei
beißt eine der beteiligten Zellen quasi ein Stück aus ihrem
Nachbarn heraus und »schluckt« die von beiden Zellen
gelieferten verbindenden Komponenten auf einen Schlag.
Diesen Mechanismus haben schon andere Forschergrup-
pen anhand früherer elektronenmikroskopischer Aufnah-
men vorgeschlagen. Das radikale Manöver könnte eine
zuverlässige Methode darstellen, um die Kommunikation
zwischen zwei Zellen rasch abzubrechen, wenn diese nicht
länger erwünscht ist. Eine solche Beseitigung von Gap
Junctions im großen Stil erfolgt beispielsweise nach einer
Geburt in der Gebärmutter, um das Kommunikationsnetz-
werk abzuschalten, das sich zur Koordinierung der Kon-
traktionen gebildet hatte.
Als Nächstes machten wir uns daran zu erforschen, wie
Zellen diese massiven molekularen Umbauten überwachen
könnten. Erste Untersuchungen wiesen auf bestimmte
Proteine als Regulatoren hin, so genannte Kinasen. Indem
diese an ein Zielprotein Phosphatgruppen anheften, kön-
nen sie dessen Aktivität oder seinen Ort innerhalb der Zelle
verändern.
Es galt nun herauszufinden, ob Proteinkinasen auch das
Verhalten von Connexinen regulieren, und falls ja, was
genau die Phosphorylierung bewirkt. Lampe übernahm die
Leitung dieser Experimente, als er 1994 sein Labor am
Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle ein-
richtete. Er und seine Mitarbeiter nahmen Cx43 auseinan-
der und untersuchten einzelne Teile des Proteins. Dadurch
stellten sie fest, dass dieses Connexin im Lauf seines
Lebens an bis zu 15 unterschied lichen Stellen entlang
seiner Schwanzregion phosphoryliert wird. Mit dieser
Information konnten wir einige der Regeln aufdecken,
nach denen sich Gap Junctions bilden, die Cx43 enthalten.
Wenn bestimmte Kinasen an spezifischen Stellen des
Proteinschwanzes ihren Job erledigen, fördert die Modifi-
kation den Aufbau solcher Verbindungen. Kinasen, die auf
andere Teile des Schwanzes einwirken, hemmen hingegen
die Bildung von Gap Junctions, ihre Aktivität oder Größe.


Hilfestellung nach Herzinfarkt
Dank solchen Einblicken können wir nun in menschlichen
Gewebeproben den Einfluss der Phosphorylierung da-
rauf studieren, wie Gap Junctions nach einer Verletzung
oder bei einer Krankheit zusammengebaut werden und
funktionieren. Wir und andere haben beispielsweise
begonnen zu untersuchen, wie sich die Kommunikation
durch Gap Junctions verändert, wenn Herzzellen sich nach
einem Infarkt von der Sauerstoffunterversorgung erholen
oder wenn sich Hautzellen daran machen, einen Schnitt
oder Kratzer zu heilen. In beiden Fällen, so fand Lampes
Team heraus, nimmt die Phosphorylierung an einer be-


stimmten Stelle am Schwanz von Cx43 zu, was kurzzeitig
die Gap Junctions in diesen Geweben vergrößert. Denn die
Modifikation hindert Cx43 daran, mit einem Protein in
Wechselwirkung zu treten, das den Einbau neuer Conne-
xine in bestehende Verbindungen bremst. Die resultieren-
de Vergrößerung der Gap Junction erhöht die Kommunika-
tionsfähigkeit der Zellen – die in den ersten Minuten nach
einer Verletzung kritisch ist – und hält die Herzgewebe-
funktion aufrecht beziehungsweise erleichtert die Wande-
rung von Hautzellen zur offenen Wunde hin.
Dieses neue Wissen hat eine Tür zur Entwicklung von
Therapeutika geöffnet, mit denen sich die Aktivität der
relevanten Proteinkinasen gezielt fördern oder hemmen
lässt. Man sollte bei derartigen Behandlungsstrategien

jedoch vorsichtig vorgehen, denn eine Zunahme von Gap
Junctions in einem bestimmten Krankheitsstadium könnte
sich in einem späteren als schädlich erweisen. Zum Bei-
spiel: Obwohl sich Gap Junctions unmittelbar nach einer
Verletzung kurzzeitig vergrößern, werden sie später rasch
wieder abgebaut, was die Heilung unterstützt. Daher wei-
sen Diabetiker einen langsameren Wundverschluss auf –
wegen ihrer kontinuierlichen Überproduktion von Cx43.
Und bei Kratzern in der Hornhaut des Auges können
Connexine Entzündungen und Narben anstatt Heilung
fördern. In diesen Fällen unterstützt eine Begrenzung der
Produktion oder Aktivität von Cx43 in den die Verletzung
umgebenden Zellen einen raschen und narbenfreien
Wundverschluss. Inzwischen verfolgen auch verschiedene
Biotechnologiefirmen diesen Ansatz.
Allerdings müssen die Forscher noch besser verstehen,
wie sich Connexine in verschiedenen Geweben und un-
ter unterschiedlichen Bedingungen zusammen lagern –
und warum das bei manchen Krankheiten schiefgeht. Die
Untersuchung krank heits ver ursa chender Mutationen in
Genen für Connexin-Proteine beginnt hierzu nützliche
Einblicke zu liefern.
Mitte der 1990er Jahre entdeckten Forscher den ersten
stichhaltigen genetischen Beweis dafür, dass Connexine
an Krankheiten beteiligt sein können: Mutationen in dem
Cx32-codierenden Gen verursachen eine Form des so
genannten Charcot-Marie-Tooth-Syndroms. Bei dieser
Erkrankung verschwinden die Gap Junctions aus der die
Nerven isolierenden Myelinschicht, wodurch diese sich
auflöst und die Nerven degenerieren. Das wiederum
verursacht insbesondere in den Gliedmaßen Muskel-
schwund und -schwäche. Die Ent deckung, dass Mutati-
onen in den Connexin-Genen schwer wiegende Konse-
quenzen haben, ließ das Interesse von Forschern und
Klinikern an Gap Junctions geradezu explodieren. Folge-

Der rechtzeitige Rückbau von Gap


Junctions unterstützt einen


raschen und narbenfreien Wund-


verschluss

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