SdWSBMH0217

(Martin Jones) #1

studien förderten weitere Connexin-Mutationen zu Tage.
Derzeit sind 14 verschiedene Erkrankungen bekannt, die
von Defekten in Gap-Junction-Connexinen herrühren.
Das Auffälligste an dieser Sammlung von Störungen ist,
wie stark sie sich voneinander unterscheiden. Neben der
neurodegenerativen Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung
können Mutationen in Connexinen verantwortlich sein für
Hörverlust, Epilepsie, Herzkrankheiten, Hautkrankheiten,
grauen Star sowie viele Krankheiten, die während der
Embryoentwicklung entstehen. Wenig überraschend
verursachen Mutationen in verschiedenen Connexinen
auch unterschiedliche Krankheitsbilder. Eher erstaunt, dass
solche mutierten Kanalproteine nicht zwangsläufig alle
Gewebe oder Organe gleichermaßen beeinträchtigen: Wird
eine bestimmte Mutante in zwei Organen hergestellt, stört
sie manchmal nur die Funktion des einen, nicht jedoch die
des anderen.
Viele Forschergruppen arbeiten daran, das Phänomen zu
verstehen. Eine mögliche Erklärung lautet, dass andere,
gesunde Connexine die defekte Variante kompensieren
können, indem sie die Kommunikation der Gap Junctions
aufrechterhalten. Das mag nur in manchen Geweben statt-
finden, nicht in anderen. Vielleicht spielt aber auch ein
bestimmtes Connexin je nach Zellart abweichende Rollen,
abhängig davon, welche anderen Connexin-Typen auch noch
vorkommen. Verschiedene Mitglieder der Connexin-Familie
können sich außerdem zusammentun und einen Hybridka-
nal ausbilden, der die Passage unterschiedlicher molekularer
Signale erleichtert.
Bei einigen Connexinen sorgen Defekte allerdings für
Beeinträchtigungen in vielen Geweben. So untersuchen
wir beispielsweise eine Krankheit namens okulodentodigi-
tale Dysplasie (ODDD), die durch Mutationen im Cx43-Gen
verursacht wird. Betroffene weisen eine Reihe unter-
schiedlicher Symptome auf, etwa kleine Augen, unterent-
wickelte Zähne, Skelettanomalien im Gesicht und am
Schädel sowie Gewebe zwischen den Fingern oder Zehen.
Zudem entwickeln manche Patienten eine Hautstörung,
die zu verdickten, schwie ligen Handinnenflächen und
Fußsohlen führt. Aktuelle Studien zum Lebenszyklus von
Connexinen haben Hinweise darauf geliefert, warum
einige Menschen unter einer schwereren Form der Krank-
heit leiden als andere.
Bei Patienten mit ODDD wurden mehr als 70 Mutationen
in dem Gen gefunden, das für Cx43 kodiert. Wir begannen
zu erforschen, was diese Erbgutveränderungen bei dem
Protein bewirken und welche Folgen das für den Aufbau der
Gap Junctions hat. Laird und seine Kollegen fanden heraus,
dass viele der Mutationen zu einem Connexin führen, das
zwar bis zur Zellmembran gelangt, dort aber keine funkti-
onsfähigen Gap Junctions bildet: Da durch solche Kontakt-
stellen in Zellkulturtests kein Farbstoff fließt, werden entwe-
der diese Gap Junction-Kanäle nicht korrekt zusammenge-
baut oder sie lassen die Moleküle nicht hindurch. So oder so
leidet die Kommunikation der Zellen unter den genetischen
Veränderungen.
Andere ODDD-Mutationen hingegen verhindern, dass
die Connexine die Zellmembran überhaupt erreichen.
Davon betroffene Patienten leiden im Allgemeinen unter


der schwereren Form der Krankheit, die auch die Haut
verändert. Offenbar haben Connexin-Halbkanäle noch eine
andere Aufgabe, als Gap Junctions auszubilden. Erfüllen
sie diese nicht – was der Fall ist, wenn die Connexine erst
gar nicht zur Zellmembran gelangen –, erwachsen daraus
schwerwiegendere Probleme. Statt sich zur Kanalbildung
zusammenzulagern, könnten beispielsweise manche
Halbkanäle Signale freisetzen oder Moleküle aus der Um-
gebung der Zelle aufnehmen. Solche Aktivitäten von
Halbkanälen ließen sich experimentell bereits nachweisen
und haben der Rolle der Connexine in der Zellkommuni-
kation eine weitere Dimension hinzugefügt. Künftige
Untersuchungen mutierter Halbkanäle könnten neue Ziele
für die Behandlung der ODDD oder anderer, mit Conne-
xinen zusammenhängender Erkrankungen aufzeigen. Diese
schließen möglicherweise auch bislang nicht identifizierte
Moleküle ein, die durch ungekoppelte Halbkanäle in die
Zellen gelangen.
Neue Erkenntnisse dazu, wie sich Mutationen auf den
Zusammenbau und das Verhalten von Gap Junctions
auswirken, könnten zu besonders zielgerichteten Thera-
pien führen, die ohne schwer wiegende Nebenwirkungen
helfen. Verändert etwa eine Mutation den Aufbau einer
Gap Junction, nicht aber den Transport der Connexine zur
Zellmembran, würden spezifische Arzneimittel die Fähig-
keit der Connexine wiederherstellen, einen funktionsfä-
higen Kanal auszubilden. Solche Therapien könnten die
Zell-Zell-Kommunikation reparieren, ohne das mutierte
Connexin komplett zu ersetzen. Für Letzteres wäre eine
Gentherapie erforderlich, ein immer noch riskanter Ansatz
mit unsicherem Ausgang.
Die Entdeckung krankheitsverursachender Mutationen
in Connexinen bietet aber noch mehr als nur viel ver-
sprechende therapeutische Ziele. Sie gibt Wissenschaft-
lern eine neue Sammlung an Werkzeugen zum Erforschen
der biologischen Funktionen von Gap Junctions an die
Hand. So kennen wir immer noch nicht die spezifischen
Moleküle, die über diese Kontaktstellen wandern. Von
Herzzellen wissen wir zwar, dass die durch die Gap Junc-
tions fließenden Ionen ein elektrisches Sig nal vermitteln.
Aber es ist noch kaum bekannt, welche Sig nalstoffe etwa
die Funktion des Hörapparats im Ohr oder den Wund-
heilungsprozess in der Haut unterstützen. Erst wenn wir
verstehen, wie sich die Connexin-Kanäle in unterschied-
lichen Zellen verhalten und wie Veränderungen im Aufbau
und in ihrer Aktivität Krankheiten hervorrufen, werden
wir die wirklich grundlegenden Fragen zu dieser intimen
Zellkommunikation stellen können: Was genau »erzählen«
sich Zellen, und wie regeln diese molekularen Botschaf-
ten den Aufbau und Betrieb komplexer Lebewesen – ein-
schließlich des Menschen?

QUELLEN
Johnson, R. G. et al.: Gap Junction Assembly: Roles for the Forma-
tion Plaque and Regulation by the C-Terminus of Connexin43. In:
Molecular Biology of the Cell 23, S. 71–86, 2012
Solan, J. L., Lampe, P. D.: Specific Cx43 Phosphorylation Events
Regulate Gap Junction Turnover in Vivo. In: FEBS Letters 588,
S. 1423–1429, 2014
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