Spektrum der Wissenschaft - Oktober 2017

(Tuis.) #1
1234

IMMUNISIERUNG IMMUNITÄT

Virus Bakterien-
zellwand

Cas/
RNA-Komplex

Der zelluläre Ablese-
apparat setzt die Spacer
in RNA-Moleküle um.
Diese leiten Cas-Proteine
(Endonukleasen) zu ein-
dringender DNA oder
RNA passender Sequenz
hin. Die Proteine zer-
schneiden dann das
fremde Erbgut.

Spacer-
Spacer- Sequenz
Sequenzen
sind oft Teile
aus dem Erbgut
eindringender Viren.
Sie werden von
Cas-Proteinen ins
Bakteriengenom
eingefügt.

palindromische
Wiederholung
(»Repeat«)

Leit-RNA

palindromische
Wiederholung
(»Repeat«)

Cas-Gene

bakterielles
Chromosom

Spacer

Spacer
CRISPR

Dauerhafter
Schutz

Etwa 90 Prozent der
bekannten Archaeen
und gut ein Drittel der
Bakterien besitzen
irgendeine Form von
CRISPR/Cas-System.
Es besteht oft aus ge-
häuft auftretenden,
kurzen DNA-Wieder-
holungssequenzen mit
Spacer-Sequenzen
dazwischen sowie aus
einigen Genen, die
für CRISPR-assoziierte
Proteine (Cas-Proteine)
kodieren.

NIK SPENCER/NATURE; LEDFORD, H.: CRISPR’S MYSTERIES. IN: NATURE 541, S. 280-282, 2017

haben eine Klasse von Transposons entdeckt, die für das
Protein Cas1 kodieren, welches am Einbau der Spacer ins
mikrobielle Genom mitwirkt. Diese »Casposons« stellen
vielleicht den Ursprung des CRISPR/Cas-Systems dar.


Wie funktioniert CRISPR/Cas?
Forscher wissen schon viel darüber, wie Cas-Proteine
die Spacer einfügen – doch längst nicht alles. So ist die
DNA von Viren chemisch beinahe identisch mit jener
der Wirtszelle. Woher wissen die Cas-Proteine, welches in
der Zelle herumschwimmende DNA-Stück sie in das
CRISPR/Cas- Gedächtnis einbauen sollen? Fügen sie einen
Abschnitt der zelleigenen DNA hinzu, wird sich die Ab-
wehrreaktion gegen die Wirtszelle selbst richten – eine
Auto immunreaktion mit poten ziell tödlichen Folgen.
Der Mikrobiologe Rodolphe Barrangou von der North
Carolina State University in Raleigh vermutet, dass sol-
che Fehler durchaus vorkommen, aber nicht die Gesamt-
population der Wirtszellen auslöschen. Ein paar tödliche
Versehen fallen wohl nicht ins Gewicht, wenn dafür ande-
re Zellen einen Virenangriff überstehen und anschließend
immunisiert sind.
Wenn Viren eine Bakterienpopulation befallen, erwirbt
oft nur eine von zehn Millionen Zellen einen Spacer, mit
dem sie sich anschließend erfolgreich verteidigen kann. Das
erschwert es, die Details des Vorgangs aufzuklären. Dabei
wäre es nützlich, mehr darüber zu erfahren und etwa dafür
zu sorgen, dass bestimmte Spacer häufiger eingefügt
werden. Forschungsarbeiten haben gezeigt: Zellen mit funk-
tionierendem CRISPR/Cas-System können DNA- und RNA-
Sequenzen speichern, mit denen sie in Kontakt kommen.


Hier eröffnet sich die Möglichkeit, zelluläre Automaten zu
konstruieren, die Umwelteinflüsse aufzeichnen.
Forscher wüssten auch gern, warum CRISPR-assozi ierte
Sequenzen häufig wieder aus dem Zellgenom verschwinden.
Die meisten Mikroorganismen, die über ein CRISPR/Cas-
System verfügen, besitzen nur wenige Dutzend Spacer –
manche sogar lediglich einen einzigen. Der krasse Gegen-
satz dazu ist Sulfolobus tokodaii, ein Vertreter der Archaeen,
dessen fünf CRISPR/Cas-Systeme rund ein Prozent seines
gesamten Genoms belegen und 458 Spacer enthalten.
Der Selektionsdruck, alte Spacer beizubehalten, dürfte
eher schwach sein. Wenn ein Virus mutiert, so dass die
Sequenz seines Erbguts nicht mehr mit derjenigen des
entsprechenden Spacers übereinstimmt, können sich die
potenziellen Wirtszellen nicht mehr vor dem Virus schüt-
zen. Der Spacer wird dann überflüssig und für die Zelle
zum genetischen Ballast.

Welche Funktionen könnte CRISPR/Cas noch haben?
Bei vielen Spacern ist rätselhaft, woher sie stammen.
Nicht einmal drei Prozent der bisher untersuchten stim-
men mit bekannten DNA-Sequenzen in Datenbanken
überein. Das könnte unserem begrenzten Wissen geschul-
det sein: Bislang haben Forscher vor allem solche Viren
analysiert, die Menschen, Nutztiere oder Nutzpflanzen
infizieren – kaum aber solche, die Bakterien oder gar
Archaeen befallen. Möglich erscheint auch, dass manche
Spacer die »Geister« längst nicht mehr existierender oder
bis zur Unkenntlichkeit mutierter infektiöser Partikel sind.
Besonders fasziniert die Forscher ein dritter Aspekt.
Wie sich herausgestellt hat, gibt es bakterielle CRISPR/
Free download pdf