Yachtrevue – Juli 2017

(Ron) #1
FOTO: SHUT TERSTOCK

R EVIER • GRIECHENLAND

38 yachtrevue.at • 7|17


häuser des Klosters eingemietet haben
oder, noch klüger, auf eigenem Rumpf für
einen stillen Besuch gekommen sind.


  1. Skizze: Am Hafen von Chalki
    Noch gibt es vergessene Inseln im ägä­
    ischen Archipel. Chalki ist eine davon.
    Obwohl sie zu den Hauptinseln des Dode­
    kanes zählt, leben hier kaum 500 Men­
    schen. Es waren schon mal achttausend, al­
    lerdings in der Antike. Die allermeisten der
    heutigen Bewohner leben in der Stadt am
    Hafen, eine zweite gibt es nicht. Auch kei­
    ne Ressorts oder Appartementsiedlungen,
    denn wo die Küsten felsig sind und Sand­
    strände Mangelware, hat die Tourismus­
    industrie schlechte Karten. Was für den
    Segler gut ist. Wer hier ein Zimmer nimmt,
    hat andere Interessen als Sonnenbraten
    und Vergnügungsfahrten auf Wasser­
    mopeds oder rasenden Bananen. Wer hier
    anlegt oder den Anker fallen lässt, sucht
    keine Mare­Shops und Mojito­Bars.
    Seit die Fischerei und das Schwammtau­
    chen keine Einkünfte mehr bringen, leben
    die Bewohner von Chalki von den Geschäf­
    ten mit Ausflugsgästen, Licht und Luft und
    sicher von der Liebe auch, bescheiden und


ern bedeckt. Im Mittelpunkt einer betäu­
benden Vielfalt mystischer Gestalten steht
auf weißem Marmorsockel mannshoch
aus Silber getrieben die Ikone des Engels
Michael. Mit Krummsäbel in der Rechten
und in Rüstung wird er dargestellt, Zeuge
einer Zeit, in der das Verhältnis zwischen
den Gläubigen und dem Personal ihrer Re­
ligion noch kaufmännisch grundiert war:
hingebungsvolle Verehrung, kostbare De­
votionalien und Gehorsam den irdischen
Vertretern Gottes als Tauschware gegen
Schutz und Erlösung von dem Bösen.
Der Zauber ist von begrenzter Dauer.
Sobald die Sonne über den Hang hinter
dem Kloster steigt und die Windmühlen am
gegenüberliegenden Felsenkamm beleuch­
tet, werfen die Touristenboote ihre Fracht
an Land. Mit Selfiesticks bewaffnet gehen
die Jäger austauschbarer Bilder auf das
Kloster los, drängen in das Kirchlein und
das Museum und treiben so dem Ort die
Heiligkeit aus. Von den Priestern und Frau­
en in Schwarz ist nun nichts mehr zu se­
hen. Bis zum Abend, wenn die letzten Fäh­
ren abgefahren und nur noch jene Men­
schen in der Bucht sind, die hierher
gehören oder sich klug in einem der Gäste­

den Dodekanes wäre auch gut möglich,
ist allerdings mit dem Ungemach entwür­
digender Grenzübertrittsrituale belastet
(siehe Kasten Seite 41).
Wer nicht mehr als eine Woche Zeit
investieren kann, wird sich vorzugsweise
nach Süden, also Rhodos wenden. Von der
Antike bis heute bildet diese größte Insel
des Dodekanes auch seinen kulturellen
Schwerpunkt. Die kleine Reise von Kos
nach Rhodos und retour sei mit drei
Skizzen illustriert.



  1. Skizze: Im Klosterschatten
    Die Seefahrt ist ein ungewisses Gewerbe,
    früher war sie es viel mehr als heute. Da
    wundert es nicht, dass den Seefahrern
    alter Zeiten ein harmonisches Verhältnis
    mit den höheren Mächten wichtig war. Auf
    Symi, der östlichsten Insel des Dodekanes,
    schlägt sich dieses Bedürfnis in Zahlen
    nieder: 2.600 Einwohner, 364 Kirchen und
    Kapellen. Damit ist Symis Bevölkerung mit
    spirituellen Orten ähnlich gut versorgt wie
    die des Vatikans.
    Das spektakulärste Bauwerk zur Ehre
    des Herrn ist das Kloster Panormitis. Für
    uns heutige Seefahrer wurde es ideal­
    typisch ans Ufer einer weiten, rundum gut
    geschützten Bucht gebaut und leuchtet
    nun, da frisch gestrichen und des Nachts
    illuminiert, prachtvoll übers Wasser.
    Am frühen Morgen, vor der Ankunft der
    ersten Ausflugs­ und Pilgerschiffe, liegt
    feuchte Ruhe über dem geweihten Ort. Im
    Schatten der himmelragenden Mauern
    bewegen sich schwarz gekleidete Gestalten,
    und im arkadengesäumten Hof vor der
    Kirche beginnt das Tagwerk der Frauen mit
    Besen und Bügeleisen.
    Die Kirche ist dem Erzengel Michael
    geweiht, Schutzpatron der Krieger und See­
    fahrer und auch Fürst des Lichts, das durch
    kleine, bunte Fenster weich und lastend in
    einen wundersamen Raum fließt. Der rei­
    che Silberschmuck der Ikonen, Leuchter,
    Vasen und Weihrauchfässer wirft es auf das
    kunstvoll geschnitzte Holz des Gestühls, der
    Kanzeln und Vertäfelungen. Vom Boden bis
    zum Schlussstein des Gewölbes sind die
    Wände mit Darstellung von Heiligen, En­
    geln, biblischen Szenen und auch Ungeheu­


Heilige Ruh’. Das Kloster
Panormitis ist eine der
beeindruckendsten Sehens-
würdigkeiten des Dodekanes.
Davor liegt eine weite
Bucht mit Platz für
viele, viele Yachten
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