http://www.fliegermagazin.de #7.2017 95
Karten um gut zehn Kilometer zu weit west-
lich eingetragen ist. Das Militär hat dort ei-
ne Landepiste präpariert.
Vor Howland liegt das US-Küstenwach-
schiff Itasca und wartet auf brauchbaren
Kontakt; es wird eine chaotische Stunde
für den Funker, ehe die letzte Meldung der
herumirrenden Lockheed verklungen ist.
Bald danach startet eine Suchaktion, wie
es bis dahin noch keine in der US-Marine
gegeben hat. Eleanor Roosevelt, die Gattin
des US-Präsidenten, ist eng mit Earhart be-
freundet. Man darf annehmen, dass sie ih-
ren Einfluss geltend gemacht hat, um 4000
Mann in Marsch zu setzen.
Die Suche kostet vier Millionen Dollar,
zehn Schiffe hat die U. S. Navy losgeschickt,
darunter den Flugzeugträger USS Lexing-
ton mit 66 Flugzeugen im Bauch. Man
durchkämmt 25 000 Quadratmeilen. Am
- Juli, sechs Tage vor dem 40. Geburtstag
der Pilotin, wird das Unternehmen ergeb-
nislos abgebrochen. Die Lockheed bleibt
verschollen. Amelia Earharts neues Buch
hätte World Flight heißen sollen. Mit dem
Titel Last Flight steht es pünktlich an Weih-
nachten 1937 in den Buchläden, herausge-
geben von ihrem Witwer. Am 5. Januar 1939
wird sie für tot erklärt.
Die Amerikaner haben Amelia Earhart
nie vergessen. Seit 1988 sind die Aktivisten
von TIGHAR (The International Group of
Historic Aircraft Recovery) in Oxford, Penn-
sylvania, damit beschäftigt, die öffentliche
Aufmerksamkeit auf ihr berühmtestes Stu-
dien- und Spekulationsobjekt zu richten:
Amelia Earhart. Die Spur führt nach Niku-
maroro, eine Koralleninsel, die bei Earharts
Verschwinden noch Gardener Island hieß.
B
erühmte letzte Worte: »We are on
the line 157 337 ... We are running
on line north and south ...« – so
lautet angeblich Earharts letzter,
halbwegs verständlicher Funkspruch. Bei
TIGHAR stützt man sich ganz auf diese paar
Worte: Die erwähnte Nord-Süd-Linie führt
über das heutige Nikumaroro.
Glaubt man der TIGHAR-These, wäre
Earhart eine Landung auf dem Atoll ge-
glückt; somit hätte sie das winzige How-
land um exakt 356 Nautische Meilen ver-
passt. Noch eine ganze Woche danach seien
ihre Notrufe aufgefangen worden: auf den
Inseln Wake, Midway und Oahu; die Pei-
lung weise nach Nikumaroro. Der rechte
Motor der Lockheed habe das Funkgerät
mit Strom versorgen können. Dann habe
die Tidenströmung das Flugzeug übers Riff
hinweg in die Tiefe des Pazifiks gespült. Und
dort unten müsse es noch heute zu finden
sein.
1 | Ikone der Luftfahrt: Amelia Earhart
(1897 – 1937) gehört zu den meistbewunderten
Personen im Amerika der dreißiger Jahre
2 | Hawaii, 19. März 1937: Die Lockheed 10E
Electra macht sich auf Wheeler Field bei Honolulu
bereit für die Überführung nach Luke Field
3 | Reifenplatzer oder Pilotenfehler? Die über-
ladene Maschine crasht beim Startversuch auf
dem Inselflugplatz Luke Field vor Pearl Harbor
4 | Konfliktbeladen: Fred Noonan, der bei
PanAm als Navigator gearbeitet hat, und die
selbstbewusste Pilotin harmonieren nicht
Achtzehn Monate nach dem Verschwin-
den der beiden Fernflieger siedelten sich
britische Kolonialisten auf Nikumaroro an;
sie blieben bis 1963. In den Überbleibseln
ihrer Ansiedlung will TIGHAR Jahrzehnte
später noch Teile der Lockheed gefunden
haben: Alublech und Plexiglas. Eine Blech-
kiste hat TIGHAR als Noonans Sextanten-
kasten identifiziert.
Eher nebenbei wurde schon 1940 in ei-
nem improvisierten Lager ein nicht mehr
vollständiges Skelett gefunden. Auf Fidschi
hatte man die Knochenreste untersucht
und als männlich identifiziert; sie gingen
verloren. 1998 konnte TIGHAR den dama-
ligen Befund auftreiben und auswerten,
doch erst kürzlich wurde der aktualisier-
te Vergleich mit den Werten von Earharts
3
4
2