Flugrevue Oktober 2017

(Tuis.) #1

von airberlin zu übernehmen. Verhand-
lungen in diesem Sinne liefen bereits.
Man wolle sie „zu einem schnellen und
positiven Ergebnis führen“. Auch die
von airberlin geleasten Flugzeuge wolle
man weiterbetreiben und übernehmen.


MINISTER ERGREIFEN
PARTEI FÜR LUFTHANSA


Verkehrsminister Dobrindt erklärte, er
habe keinerlei kartellrechtlichen Beden-
ken bei der Übernahme von Deutsch-
lands Nummer Zwei durch den Markt-
führer Lufthansa. Vielmehr brauche
man einen „deutschen Champion“. Des-
wegen sei es dringend geboten, dass
Lufthansa wesentliche Teile von airber-
lin übernehmen dürfe. In diesem Sinne
befürwortete anschließend auch Wirt-
schaftsministerin Brigitte Zypries eine
Stärkung der Lufthansa.
Die ungewöhnlich schnelle Partei-
nahme der Bundesregierung zugunsten
von Lufthansa entfachte sogleich wü-
tende Branchenproteste. Ryanair-Chef
Michael O‘Leary kündigte beim Bundes-
kartellamt und der Europäischen Kom-
mission Protest wegen Wettbewerbsver-
stößen ein. Die Insolvenz von airberlin
sei ein „abgekartetes Spiel“, um Luft-
hansa eine schuldenfreie Erbmasse über-
geben zu können. Mit staatlicher Hilfe
entstehe ein Monopol, das anschließend
zu höheren Flugpreisen für alle führen
werde.
Ebenso wütend äußerte sich der deut-
sche Luftfahrtunternehmer Hans Rudolf
Wöhrl, dessen Unternehmen Intro


500 000 airberlin-Aktien hält. Er habe
ein schriftliches Angebot zur kompletten
airberlin-Übernahme vorgelegt, sei aber
von airberlin-Chef Winkelmann (davor
seit 1998 bei Lufthansa, unter anderem
als Germanwings-CEO) abgewiesen
worden, beklagte sich Wöhrl. Erst nach
der ersten Sitzung des vorläufigen Gläu-
bigerausschusses wurde Wöhrl doch
noch die Möglichkeit eingeräumt, sein
Übernahmeangebot bei airberlin vorstel-
len zu dürfen. Auch Niki Lauda erhielt
erst nach Protest nachträglich die
Gelegenheit, als Interessent für die Über-
nahme der nicht insolventen airberlin-
Tochter Niki Luftfahrt GmbH aus Öster-
reich, in deren Bücher zu blicken. Für
Niki soll auch Lufthansa bereits ein
Übernahmeangebot in dreistelliger Mil-
lionenhöhe unterbreitet haben.
Für Lufthansa läge der Wert einer
airberlin-Übernahme in einem schnellst-
möglichen Wachstumsschub für Euro-
wings. Die Niedrigpreistochter soll noch
vor einer in naher Zukunft absehbaren
Ryanair-Expansion in Deutschland und
Zentraleuropa verankert werden. Des-
wegen sind die geleasten Flugzeuge, das
fliegende Personal und die Slots an
Flughäfen wie Düsseldorf und Tegel für
Lufthansa besonders kostbare Unter-
nehmensbestandteile. Für die Weiter-
nutzung ihrer Slots per „Großvater-
recht“ muss airberlin aber bei aktivem
Flugbetrieb übernommen werden und
nicht nach einem etwaigen Stillstand. In
Kauf nehmen muss Lufthansa, aus
Wettbewerbsgründen Teile des Stre-

ckennetzes an ebenfalls einstiegsinteres-
sierte Konkurrenten wie easyJet oder
Condor abgeben zu müssen. Wie lange
das Überbrückungsgeld für airberlin
noch reicht und ob nicht doch noch
Interessenten an einer Gesamtübernah-
me zum Zuge kommen, war bei Redak-
tionsschluss dieser Ausgabe Ende Au-
gust noch nicht absehbar. Für die airber-
lin-Mitarbeiter dürften im Cockpit- und
Kabinen-Bereich die besten Chancen
auf Anschlussbeschäftigung bestehen.
Schwieriger dürfte das Los der Verwal-
tungsmitarbeiter aussehen.
SEBASTIAN STEINKE

MitHilfevonairberlinmöchteLufthansaihrerTochterEurowingseinenWachstumsschubgegenüberRyanairverleihen.


FR

Air Berlin im Überblick
Air Berlin PLC & Co. KG
IATA-Code: AB
ICAO-Code: BER
Allianz: Oneworld
Ziele: 135
Beförderte Passagiere 2016: 28,9 Mio.
Angebotene Sitzkilometer: 54,34 Mrd.
Verkaufte Sitzkilometer: 45,82 Mrd.
Ladefaktor: 84,3 Prozent
Umsatz 2016: 3,8 Mrd. Euro
Nettoergebnis: 782 Mio. Euro Verlust
Mitarbeiter: 8600

Die Flotte
Flugzeugmuster Anzahl
Airbus A319 11
Airbus A320 59
Airbus A321 21
Airbus A330-200 14
Boeing 737-700 5
Boeing 737-800 9
Bombardier Dash 8 Q400 20
Gesamt 139

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