Flugzeug Classic April 2017

(Dana P.) #1

Die während der Kriegszeit stetig anwach-
sende Rüstungsproduktion im »Protektorat
Böhmen und Mähren« war den Westalliierten
natürlich nicht entgangen. Es dauerte jedoch
bis zum 25. März 1945, als die 15. Bomber-
gruppe der USAAF den Auftrag erhielt, ne-
ben dem Flugzeugwerk Eger auch noch die
Prager Luftfahrtindustrie und die Fertigungs-
stätten des Jagdpanzers 38(t) »Hetzer« bei
den Böhmisch-Mährischen Maschinenfabri-
ken auszuschalten. Die Amerikaner hatten
sich bewusst für den Palmsonntag entschie-
den, um Opfer unter den Fabrikarbeitern
möglichst zu vermeiden.


Trotz der Rücksichtnahme ist dieser Luft-
angriff bis heute umstritten, denn die »Kolla-
teralschäden« führten auch hier zu toten und
verletzten Zivilisten. Des Weiteren wurden
durch diese Bombardements auch Wohnge-
biete verwüstet. Der militärische Nutzen
blieb indes fragwürdig, denn der Krieg war

für das »Dritte Reich« zu diesem Zeitpunkt
schon längst verloren.

Nach dem kommunistischen Putsch von
1948 deuteten die neuen Machthaber den
Bombenangriff sogar zu einem Akt des Kal-

ten Krieges um. Dessen tatsächliches Ziel sei
es in Wirklichkeit gewesen, die tschechoslo-
wakische Schwerindustrie zu schwächen, da-
mit diese anschließend nicht mehr den Sow-
jets dienen konnte!

Schneller Start
Die Produktion der Siebel Si 204 D beein-
trächtigte dies jedenfalls sehr stark. Außer-
dem waren zirka 50 bereits fertiggestellte
Maschinen zerstört, welche man am Werk-
flugplatz in Letnany abgestellt hatte. Mit
nahendem Kriegsende wäre der Bau jedoch
ohnehin bald zum Erliegen gekommen. Ins-
gesamt fertigten die Tschechen rund 1000 Si
204 D für die Luftwaffe.
Trotz der Schäden stellten die von der
nationalsozialistischen Besatzung befreiten
Tschechoslowaken erstaunlich schnell die
ersten neuen Maschinen vor. Kein Wunder,

FLUGZEUG CLASSIC4/2017 65


Siebel Si 204 E der 2. Staffel der
Nachtschlachtgruppe 4, die Ende 1944
von der Tschechoslowakei aus operierte
Zeichnung Herbert Ringlstetter/Aviaticus

Der militärische Nutzenblieb indes frag-


würdig, denn der Krieg war längst verloren.


Aero C-103.215 mit
dem Kennzeichen
OK-ZDI bei Startvor-
bereitungen auf
einem Flughafen.
1946 trat sie noch
mit dem Kenn-
zeichen OK-ZCI
ihren Dienst an.
Erst 1959 wurde sie
ausgemustert
TNMC

Aero C-103, OK-ZD?,
beim Überlandflug.
Am Bug ist die mi-
litärische Typenbe-
zeichnung D-44A zu
erkennen TNMC
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