Flugzeug Classic April 2017

(Dana P.) #1

FLUGZEUG CLASSIC4/2017 67


Luftaufklärung BACKGROUND


F


eindflugzeuge herunter zu holen ist geradezu lä-
cherlich«, befand US-Fliegerass Eddie Rickenbacker
im Ersten Weltkrieg, »verglichen mit der gewaltigen
Bedeutung, die exakte Position der gegnerischen Streit-
kräfte zu kennen.« Luftaufklärung, anfangs belächelt,
nahm bei allen Kriegsparteien schnell Aufschwung. Ange-
hende Beobachter der US Army lernten in halbjährigen
Kursen über täuschend echt nachgebauten »Frontabschnit-
ten« mit Pappkameraden und Schützengräben das Mor-
sen, Schießen und Fotografieren. »Gegnerische« Flugzeuge
und ihre erfahrenen Piloten lieh man sich anfangs vom
französischen Heer.


DIE ERSTE LUFTBILD-SPEZIALKAMERAging 1915 in
England in den Einsatz; sie war im Boden des Flugzeuges
montiert und wurde per Bowdenzug ausgelöst. Gegen
Ende des Weltkriegs knipsten Beobachter beider Seiten
die Front im Schnitt zweimal täglich und produzierten
Millionen von Luftbildern.


IM ZWEITEN WELTKRIEG kamen immer mehr umge-
baute Kampfflugzeuge zum »Recce«-Einsatz (zur Recon-
naissance, Aufklärung). Unbewaffnete, mit Kameras ver-
sehene Supermarine Spitfires der britischen PRU (Photo
Reconnaissance Unit) klärten deutsche V1- und V2-Ab-
schussrampen auf; der französische Pilot und berühmte
Autor Antoine de Saint-Exupéry machte über dem Mit-


telmeer Recce-Flüge mit der Lockheed F-5B, einer Auf-
klärerversion der Lockheed P-38 Lightning. Am 31. Juli
1944 verschwand Saint-Exupéry spurlos auf seinem letz-
ten Flug von Korsika nach Grenoble.

KAUM 16 JAHRE SPÄTER sorgte ein anderer Lockheed-
Flieger mitten im Kalten Krieg für internationale Schlag-
zeilen: eine sowjetische S-75-Boden-Luft-Rakete holte ein
US-Aufklärungsflugzeug vom Typ U-2 am 1. Mai 1960
südlich von Swerdlowsk aus einer Höhe von 20 000 Meter
vom Himmel. CIA-Pilot Gary Powers konnte sich mit
dem Schleudersitz retten, wurde wegen Spionage verur-
teilt und nach rund zwei Jahren Haft in Berlin gegen den
Sowjetspion Rudolf Abel ausgetauscht.

CAPTAIN EDDIE RICKENBACKER sollte Recht behal-
ten: Aufklärung war die Schlüsselkunst der Kriegführung,
die fliegenden »Spanner« bereiteten die Angriffe ihrer be-
waffneten Kameraden vor. Kein Wunder, dass die deut-
sche Luftwaffe ein optisches Infrarot-Zielsuchgerät für die
Bf-110-Nachtjäger so benannte. »Vom Gunner zum Span-
ner« hieß es auch bei der Bundeswehr, wenn jemand vom
Kampf- zum Aufklärungsverband versetzt wurde. Be-
mannte Fotoaufklärung war sicher spannender, als im kli-
matisierten Gefechtsstand Drohnen zu steuern – wie gut,
dass Saint-Exupéry das nicht mehr erleben musste.
Rolf Stünkel n

VOM LUFTBILD ZUR FOTO-DROHNE


Spione am Himmel


Früher musste man noch selbst Hand
anlegen: Ein deutscher Beobachter schießt
aus einer Henschel Hs 126 Luftbilder.
Heute übernehmen Drohnen diese Arbeit
Foto H. Ringlstetter

»Beobachter


beider


Seiten


produzierten


Millionen


von Luftbil-


dern.«

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