PSYCHOLOGIE HEUTE 05/2017
Matthias Franz:
Alleinerziehend, Selbst-
bewusst und stark.
Fischer & Gann,
Munderfing 2016,
217 S., € 15,99
Bernadette Conrad: Die
kleinste Familie der Welt.
Vom spannenden Leben
allein mit Kind. Btb,
München 2016,
349 S., € 16,99
weiterhelfen, wenn man im täglichen
Clinch mit alleinerzogenen Kindern die
Übersicht verliert.
Allen Problemen zum Trotz ist das Al-
leinerziehen an sich kein Problem, son-
dern kann eine Familienkonstellation mit
enormen Möglichkeiten sein: Bernadette
Conrad beschreibt auch die historisch
neue Freiheit, Kinder nach eigener Regie
zu versorgen. Sie ref lektiert die Fallstricke,
aber erzählt auch von der Würde der neu-
en Wirklichkeit. Ihr Fazit: „Genau dort,
wo es die kleinste Familie der Welt schwe-
rer hat, hat sie es auch leichter. Die Kehr-
seite des harten und schmerzlichen Al-
leinseins ist das kraftvolle Alleinsein – die
Freiheit, allein, in der Überschaubarkeit
einer Zweierbeziehung handeln zu dür-
fen.“ Ein kluges, anregendes Buch, das in
einer To u r d ’H o r i z o n einfühlsam vom Le-
ben der Familien erzählt, die gemeinhin
immer noch mit dem Stigma des Defizits
belastet sind.
Den klassischen Standpunkt, wonach
Kinder beide Eltern bräuchten, um gesund
aufzuwachsen, adelt Matthias Franz zum
Drama der Vaterentbehrung. Der Facharzt
für psychotherapeutische Medizin, Neu-
rologie und Psychiatrie, stellvertretender
Direktor des Klinischen Instituts für Psy-
chosomatische Medizin und Psychothe-
rapie an der Universitätsklinik Düsseldorf,
zieht eine Parallele zum lebenslänglichen
Leiden der Kriegskindergeneration, deren
vaterloses Aufwachsen tiefgreifende Aus-
wirkungen auf die Entwicklung und see-
lische Gesundheit nach sich gezogen habe,
die noch 70 Jahre nach Kriegsende epide-
miologisch festzustellen seien. In der ein-
schüchternden Gleichsetzung von kriegs-
und trennungsbedingtem Fehlen des Va-
ters konstatiert Franz eine „Bringschuld
der sozialen Bezugsgruppe“, Eltern nach
einer Trennung mit ihren Kindern nicht
allein zu lassen. Deshalb hat er zusammen
mit Fachkollegen ein präventives Eltern-
training speziell für die Unterstützung
Alleinerziehender entwickelt und noch
spezieller diesen Ratgeber für alleinerzie-
hende Mütter verfasst, der die sozialen und
gesundheitlichen Risiken in den Blick
nimmt, denen besonders Alleinerziehen-
de und ihre Kinder ausgesetzt seien.
Alleinerziehende konsumierten dem-
nach mehr Alkohol, Zigaretten und Tab-
letten, litten häufiger an Depressionen.
Ihre Kinder zeigten häufiger emotionale
Belastungen, Schulschwierigkeiten, Ver-
haltensprobleme bis hin zur Suizidgefähr-
dung und trügen ein höheres Kriminali-
tätsrisiko. Kein Wunder auch, sagt Franz,
wenn alleinerziehende Mütter sich von
ihrem Leben bisweilen (oder auch öfter)
überfordert fühlten. Es handele sich dabei
um eine normale Reaktion auf einen un-
normalen-Lebenszustand: „Von der Natur
her ist das Zusammenleben eines einzigen
Erwachsenen mit Kindern eher nicht vor-
gesehen.“ Leserinnen, die jetzt hinrei-
chend erschrocken über ihr gefährliches
Familienleben ins Grübeln kommen, wer-
den dankbar die entwicklungspsycholo-
gischen Erläuterungen lesen und auch die
in stark imperativem Charme gehaltenen
Ratschläge sicher gern beherzigen. Diese
Genrekreuzung aus populärwissenschaft-
lichem Überblickwerk, professoraler At-
titüde und befremdlichen Psychoübungen
will nichts als nur helfen, tritt dabei jedoch
einmal mehr den Beweis an, dass gut ge-
meint und gut gemacht noch lange nicht
dasselbe sind. GERLINDE UNVERZAGT
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