„Anstatt dem Ausbau der
Windenergie wieder in die
Spur zu helfen, werden der
Branche weitere Steine in
den Weg gelegt.“
Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands
Windenergie
„Steigende Strompreise sind jetzt
mit Blick auf den Klimaschutz
ein völlig falsches Signal.“
Udo Sieverding, Energieexperte der
Verbraucherzentrale NRW
M
anche Gesellschaften werden die Öffentlich-
keit schwer los. Die Medien hängen an ihnen,
auch wenn ein berichtenswertes Ereignis ab-
geklungen ist und die (meist vermeintlichen) Sensatio-
nen abgearbeitet worden sind. Andere dagegen suchen
die Medien und Publicity, im Einzelfall sogar als Teil ei-
ner gezielten Marketingstrategie. Und dann gibt es gro-
ße Gesellschaften, nur wenige, die können tun (oder
auch unterlassen), was sie wollen, sie fallen immer auf
und meistens aus dem Rahmen.
Hier Raum für Spekulationen zu lassen wäre unver-
dient. Zumal jeder weiß, was kommt, ja kommen muss:
Aus dem hochmögenden Aufsichtsrat eines Dax-Unter-
nehmens aus der Finanzbranche wurde jüngst vermel-
det, dass ein neues Aufsichtsratsmitglied und ein zu-
künftiger Vorstand berufen wurden, denen beiden der
„EZB-Führerschein“ noch fehle: die amtliche Bestäti-
gung der erforderlichen Sachkunde und Zuverlässig-
keit.
Der zum Aufsichtsratsmitglied Ernannte, ein Schwei-
zer Banker, ließ bereits verlauten, dass er die offensicht-
liche Interessenkollision keinesfalls einschränken oder
gar beseitigen möchte: Da bleibt kaum Raum für klären-
de Maßnahmen, denn die Europäische Zentralbank
(EZB) ist nicht für ihre Händlernatur bekannt: Der
Mann muss gehen, sein Platz wird frei. Und der zweite
neue Mann, ein promovierter Wasserball-Olympionike
aus längst vergangener Zeit, soll demnächst mit Vor-
standsrang unter anderem die erforderlichen Freiset-
zungsmaßnahmen umsetzen, sozusagen Freischwim-
mer generieren.
Seine öffentlich tradierte Qualifikation (und letzte be-
rufliche Tätigkeit) war die Leitung eines Vereins mit 40
Mitarbeitern. Ihn mit allen Insignien der Macht eines
Unternehmens mit (noch) mehr als 90 000 Mitarbei-
tern auszurüsten erscheint wahrlich als olympische
Leistung ohne Vorbild: Ex aqua ad astra!
Kaiser Caligula soll am Ende seiner langen Herrschaft
die Römer überrascht haben, als er sein Lieblingspferd
zum Konsul ernannte. Dazu reichten seinerzeit eine Re-
de auf dem Rostrum des Forum Romanum sowie die
üblichen „Panem et circenses“-Begleitmaßnahmen. Um
sich heute in den Medien unumstößlich an der Spitze
der einschlägigen Chaos-Berichterstattung halten zu
können, müssen offenbar in Folge deutlich originellere
Herausforderungen angenommen werden.
Die EZB sollte dieser Perspektive im Zulassungsver-
fahren des vormaligen Sportlers als Vorstand einer
deutschen Bank angemessen und zügig Gewicht verlei-
hen. Der aktuelle Wasserstand steht nämlich schon ge-
fährlich nahe an der Halskrause der Unternehmensspit-
ze.
Kolumne
Originalität ist gefährlich
Manuel R. Theisen rät
Aufsichtsräten, bei der Auswahl
fürs Führungspersonal mit
größter Sorgfalt vorzugehen.
Lesen Sie mehr über den Aufsichtsrat in der heute
erscheinenden Ausgabe der Fachinformation „Der
Aufsichtsrat“. Der Autor ist geschäftsführender
Herausgeber. theisen@aufsichtsrat.
Es gibt
große
Gesell-
schaften,
die können
tun (oder
auch lassen),
was sie
wollen, sie
fallen immer
auf.
Estipank, BWE, Twitter / Udo Sieverding
Mobilfunk
Startvorteil
nutzen
E
s kommt nicht oft vor, dass
Deutschland in Sachen digi-
tale Infrastruktur ein Pionier
ist. Beim Mobilfunk 5G ist der Weg
dazu jedoch geebnet. Die Bundesre-
gierung hat Frequenzen für Unter-
nehmen reserviert. Die dürfen nun
eigene Netze auf ihren Fabrikgelän-
den für den Echtzeitmobilfunk auf-
bauen und müssen nicht auf ein flä-
chendeckendes Netz der Betreiber
wie Deutsche Telekom, Vodafone
und Telefónica warten. Damit ist
die Bundesrepublik Vorreiter. Jetzt
müssen die Unternehmen aber zei-
gen, dass sie diese Chance auch
nutzen.
Firmen können einmalige Erfah-
rungen sammeln, wenn sie jetzt ih-
re Produktion selbst mit eigenen
Netzen ausstatten. Das kann ihnen
bei der Entwicklung neuer Lösun-
gen helfen. Und es ist gut möglich,
dass künftig andere Länder mit lo-
kalen Netzen nachziehen werden
und sich Konzepte auch in andere
Staaten exportieren lassen.
Mit dem deutschen Sonderweg
könnten sich Konzerne bei der digi-
talen Infrastruktur von Netzbetrei-
bern emanzipieren. Natürlich passt
es Telekom, Vodafone und Telefóni-
ca gar nicht, dass Firmen in
Deutschland hier eigene Wege ein-
schlagen und ihnen ein Geschäft
verloren gehen könnte. Ihre Kritik
ist auch berechtigt, dass die für Un-
ternehmen reservierten Frequen-
zen beim deutschlandweiten Netz-
ausbau fehlen.
Das sollte ein Grund mehr für die
Unternehmen sein, diesen Sonder-
weg auch entschieden anzutreten.
Sie sollten die Frequenzen nutzen
und zeigen, dass die Bundesregie-
rung die richtige Entscheidung ge-
troffen hat, ihnen diese zusätzliche
Möglichkeit einzuräumen.
5G ist bislang mit vielen Hoffnun-
gen verbunden. Niemand kann si-
cher sagen, wie langfristig die Ge-
schäftsmodelle aussehen werden.
Deshalb ist es so wichtig, dass Un-
ternehmen früh Erfahrungen sam-
meln können und neue Lösungen
entwickeln. Lokale Netze bieten ih-
nen genau diesen Startvorteil. Da-
von sollten sie schnell Gebrauch
machen. Dann kann 5G zum Turbo
für die Industrie 4.0 werden.
Deutschlands Firmen dürfen
eigene 5G-Netze bauen. Diese
Chance sollten sie ergreifen,
fordert Stephan Scheuer.
Der Autor ist Redakteur im
Ressort Unternehmen & Märkte.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]
Unternehmen & Märkte
MONTAG, 18. NOVEMBER 2019, NR. 222
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