Die Welt Kompakt - 05.11.2019

(Steven Felgate) #1

rot-rot-grüne Koalition habe zwar
im neuen Landtag keine Mehrheit
mehr, erklärte SPD-Landeschef
WWWolfgang Tiefensee. Das Wahler-olfgang Tiefensee. Das Wahler-
gebnis mache aber deutlich, dass
die Mehrheit der Bevölkerung im
VVVergleich zu Mohring weiterergleich zu Mohring weiter
Amtsinhaber Ramelow als Minis-
terpräsidenten wolle.
Zudem ist zur Stunde noch im-
mer unklar, ob die FDP, die Moh-
ring dringend bräuchte, den Ein-
zug in den Landtag überhaupt ge-
schafft hat. Mit einem amtlichen
Endergebnis wird erst Ende der
WWWoche gerechnet, in vielen Wahl-oche gerechnet, in vielen Wahl-
kreisen wird noch einmal ausge-
zählt, weil das Ergebnis der FDP
nur hauchdünn über der Fünf-Pro-
zent-Hürde lag.
Mohrings politische Slalom-
fffahrt durch die vergangene Wocheahrt durch die vergangene Woche
irritiert Gegner und Parteifreunde
gleichermaßen. Freunde hat er
sich damit weder im Land noch im
Bund gemacht. In Berlin hatte
man ihm geraten, den Ball erst mal
ffflach zu halten, schließlich sei Mi-lach zu halten, schließlich sei Mi-
nisterpräsident Ramelow im Zug-
zzzwang.wang.
Doch Mohring tat das Gegen-
teil. Sein großer, populärer Kon-
trahent fuhr dagegen erst einmal
fffür ein paar Tage in den Urlaub.ür ein paar Tage in den Urlaub.
WWWährend Mohring strampelte, leg-ährend Mohring strampelte, leg-
te sich Ramelow auf die Couch
und kommentierte das Geschehen
amüsiert über Twitter: „Darf ich
darauf hinweisen, dass die Wähle-
rinnen und Wähler in Thüringen
erwarten, dass ich mich der Wahl
im Thüringer Landtag stelle und
mir dadurch einen neuen Parla-
mentsauftrag als Ministerpräsi-
dent holen werde!“ Von Nervosi-
tät keine Spur.
Dass Mohring für Thüringen ei-
ne Zusammenarbeit mit der Lin-
ken ins Spiel gebracht hatte, pro-
vozierte zudem umgehend inner-
parteiliche Gegenreaktionen. Sein
Fraktionsvize Michael Heym warb
in einem Interview für eine Öff-


raktionsvize Michael Heym warb
n einem Interview für eine Öff-

raktionsvize Michael Heym warb

nung zur AfD, die er explizit dem
„bürgerlichen Lager“ zurechnete.
VVVor allem westliche Parteifreundeor allem westliche Parteifreunde
reagierten entsetzt, forderten
Heyms Ausschluss aus der CDU.
ZZZwar findet Heyms Haltungwar findet Heyms Haltung
auch in anderen CDU-Landesver-
bänden wie beispielsweise Sach-
sen Zustimmung. Doch die Prota-
gonisten einer Öffnung zur AfD
halten sich dort seit den Wahlen
vom 1. September sehr bedeckt
und tragen den Kurs von Minister-
präsident Michael Kretschmer, ei-
ne Kenia-Koalition mit Grünen
und SPD zu bilden, erstaunlich
diszipliniert mit. Dass der Thürin-
ger Heym es überhaupt gewagt
hatte, sich öffentlich derart zu äu-
ßern, werten Insider deshalb vor
allem als rapiden Autoritätsverlust
von Mohring im eigenen Beritt. In
den Reihen der CDU wird aller-
dings auch für möglich gehalten,
dass Heyms Vorstoß mit Mohring
insgeheim abgesprochen war.
„Zwischen die beiden passt eigent-
lich kein Blatt“, sagt ein Christde-
mokrat aus der Landespartei. Vor
einem Jahr noch hatte Mohring
Heym als Landtagspräsidenten
vorgeschlagen. Der Plan scheiter-
te, weil Linke, SPD und Grüne den


CDU-Fraktionsvize als „zu rechts“
aaablehnten.blehnten.
Der Landeschef habe mit sei-
nem Schlingerkurs die Büchse der
Pandora geöffnet, heißt es nicht
nur in Berlin. In der Hauptstadt
macht die Union zurzeit eh keinen
geordneten Eindruck; die Vorsit-
zende angeschlagen, die Kanzlerin
meist entrückt oder auf Reisen,
Friedrich Merz grantelnd an der
Seitenlinie, nie um eine Attacke
auf die Kanzlerin verlegen. Der
Slalomkurs und der Streit in Thü-
ringen haben dieses Chaos noch
verstärkt.
Viele fragen sich zudem, worauf
Mohrings Vorschläge eigentlich
zielen – und ob überhaupt eine
Strategie dahintersteckt. Denn
auch ein Simbabwe-Bündnis hätte
im Thüringer Parlament keine
Mehrheit. Um zum Ministerpräsi-
denten gewählt zu werden, müsste
Mohring nach Lage der Dinge die
Unterstützung der AfD in Kauf
nehmen. Das würde allerdings
auch bei einer geheimen Wahl
nicht nur von der Linken, SPD und
Grünen als Tabubruch kritisiert
werden, sondern auch die Union
bundesweit in eine Krise stürzen.
Der Plan würde außerdem nur
dann aufgehen, wenn Mohring
sich der Stimmen von CDU, FDP
und AfD wirklich sicher sein
könnte. Das aber ist keineswegs
der Fall. Erstens zeigt die Ge-
schichte der Thüringer CDU, dass
sich in ihren Landtagsfraktionen
immer wieder „Heckenschützen“
befunden haben, die ihren Füh-
rungsfiguren in entscheidenden
Momenten die Gefolgschaft ver-
sagten.Dass ausgerechnet die
AAAfD-Fraktion, die nun mit doppel-fD-Fraktion, die nun mit doppel-
ter Stärke in den Landtag ein-
zieht, Mohring unterstützen wird,
scheint sehr zweifelhaft. Mehrere
AAAfD-Politiker hatten Mohring infD-Politiker hatten Mohring in
der Vergangenheit als „unwähl-
bar“ bezeichnet, der AfD-Spitzen-
kandidat Björn Höcke hatte Moh-
ring im Wahlkampf als gewissen-
losen Opportunisten attackiert,
der „nur an die Macht will, egal
wie“. Mohring wiederum hatte
Höcke kurz vor der Wahl einen
„Nazi“ genannt; keine guten Vo-
raussetzungen für eine punktuelle
Zusammenarbeit.
VVVon einem CDU-Ministerpräsi-on einem CDU-Ministerpräsi-
denten Mohring würde die AfD
politisch auch nicht profitieren.
„Je unregierbarer das Land, desto
besser für die AfD“, sagt ein ehe-
maliger Fraktionsmitarbeiter der
AAAfD. Sollte Höcke sich entschlie-fD. Sollte Höcke sich entschlie-
ßen, neben Mohring und Ramelow
als dritter Kandidat für das Amt
des Ministerpräsidenten zu kandi-
dieren, wäre der Sieg des Linken
sicher. Eine Entscheidung darüber
steht bei der AfD noch aus.
Die unklare politische Lage in
Erfurt wird sich wohl erst in eini-
gen Wochen aufklären. In dieser
WWWoche treffen sich die neuenoche treffen sich die neuen
Fraktionen, bis zum 26. November
muss sich der neue Landtag kon-
stituieren. Im Dezember könnte
es dann zur Wahl des Ministerprä-
sidenten kommen. Falls nicht,
macht die Regierung Ramelow ge-
schäftsführend weiter. Das könnte
Jahre dauern.

DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DIENSTAG,5.NOVEMBER2019 POLITIK 5


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I


n den Fraktionen von Union,
SPD und FDP wird über kon-
krete Wege zur Ablösung des
AfD-Abgeordneten Stephan
Brandner als Vorsitzender des
Bundestagsrechtsausschusses
nachgedacht. Brandner werden
antisemitische Äußerungen vor-
geworfen. Die Rede ist von einer
„schnellen Lösung“, die bis zum
Wochenende gefunden werden
soll.

VON RICARDA BREYTON
UND ANSGAR GRAW

Der Abgeordnete aus Thürin-
gen hatte die Verleihung des
Bundesverdienstkreuzes an Udo
Lindenberg als „Judaslohn“ be-
zeichnet. Vorausgegangen war ei-
ne Attacke des Rocksängers ge-
gen die AfD. „Wir brauchen keine
rückwärtsgewandten Rassisten,
Hetzer und menschenfeindli-

chen Brandstifter mehr in un-
serm schönen Land“, hatte Lin-
denberg nach der Wahl in Thü-
ringen gepostet.
„Brandner diskreditiert sich
mit jeder solchen Äußerung wei-
ter“, sagte Johannes Fechner,
rechtspolitischer Sprecher der
SPD-Fraktion, im Gespräch mit
WELT. Als Ausschussvorsitzen-
der sei er „nicht mehr tragbar“.
In der Unionsfraktion sei die
Stimmung ähnlich, heißt es. Zu
vermuten ist, dass CDU, CSU
und SPD versuchen, FDP, Linke
und Grüne für ein gemeinsames
Vorgehen zu gewinnen. Erkenn-
bar soll aber ein Alle-gegen-die-
AfD-Eindruck vermieden wer-
den, durch das sich Brandner als
Opfer stilisieren könnte. Darum
wird betont, dass es sich ja nicht
um den ersten Ausrutscher han-
dele. Brandner hatte vier Wo-
chen zuvor eine Kurznachricht

weiterverbreitet, in der ein Nut-
zer nach dem rechtsterroristi-
schen Anschlag in Halle schrieb,
dass es sich bei den dort getöte-
ten Menschen um „Deutsche“
handele: „Warum lungern Politi-
ker mit Kerzen in Moscheen und
Synagogen rum?“ Seinen aktuel-
len Tweet verteidigt Brandner.
Der Vorwurf, der Begriff „Judas-
lohn“ sei „antisemitisch konno-
tiert“, sei „an den Haaren herbei-
gezogen“ und diene nur dazu, ihn
und die AfD zu diskreditieren, so
Brandner, der Rechtsanwalt ist.
Die Absetzung eines Aus-
schussvorsitzenden ist in der Ge-
schäftsordnung des Bundestags
nicht vorgesehen. Offenkundig
erwägt man in SPD und Union,
eine Regelung zu beschließen, die
rückwirkend gilt. Dazu müsste
mutmaßlich eine Begründung
formuliert werden, etwa „unqua-
lifizierte Amtsführung“.

AfD-Ausschusschef soll weg


Fraktionen einig, Stephan Brandner verteidigt seinen „Judaslohn“-Tweet

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