Handelsblatt - 08.11.2019

(Barré) #1

Jens Koenen Frankfurt


D


as aktuellste Thema
hat Carsten Spohr zu-
nächst ausgeklammert.
Bei der Präsentation
des Quartalsberichts
hat sich der Lufthansa-Chef auf die
Standards konzentriert: die Neunmo-
natszahlen. Schließlich kam der Ma-
nager aber doch auf das zu sprechen,
was die Passagiere derzeit am meis-
ten beschäftigt: den zweitägigen
Streik der Kabinengewerkschaft UFO.
Hier hat Spohr eine Information
parat, die hoffen lässt. „Wir sind mit
dem Vorschlag der UFO einverstan-
den, in die Schlichtung zu gehen.“
Am Wochenende wollen beide Seiten
klären, ob das machbar ist. Dabei
dürfte es auch um die Frage gehen,
ob die Lufthansa die gerichtliche Prü-
fung des Gewerkschaftsstatus der
UFO ruhen lässt. Spohr deutet hier
Kompromissbereitschaft an. Kurz zu-
vor hat auch die UFO ihre grundsätz-
liche Bereitschaft zu Gesprächen
über eine Schlichtung erklärt.
Eine Lösung des seit Monaten
schwelenden Konflikts könnte Spohr
gut gebrauchen – nicht nur, weil Dau-
erstreiks das Image der einzigen
„Fünf-Sterne-Airline“ Europas ram-
ponieren würden. Auch für die wirt-
schaftliche Prognose wäre Entspan-
nung an der Streikfront gut. Denn die
Rahmenbedingungen bleiben hart.
Das zeigt der am Donnerstag präsen-
tierte Bericht über die ersten neun
Monate des Jahres 2019.
Zwar legte der Umsatz leicht um
drei Prozent auf 27,7 Milliarden Euro
zu. Das um Sondereffekte bereinigte
operative Ergebnis vor Zinsen und
Steuern (Ebit) sank aber um satte 30
Prozent auf 1,7 Milliarden Euro. Eine
Ursache sind die um 620 Millionen
Euro gestiegenen Treibstoffkosten.
Eine andere ist der harte Wettbewerb


  • vor allem über die Preise.
    Daran ändert auch die Tatsache
    nichts, dass die Durchschnittspreise
    bei den Billigtickets zuletzt wieder
    leicht gestiegen sind, wie das Deut-
    sche Luft- und Raumfahrzentrum
    kürzlich errechnet hat. Kennzahlen
    der Lufthansa belegen, dass der
    Druck weiterhin gewaltig ist.
    So sind die um Währungseffekte
    und den Treibstoffaufwand bereinig-
    ten Stückerlöse bei den Premiumair -
    lines Lufthansa, Swiss und Austrian
    Airlines (AUA) in den ersten neun Mo-
    naten um 2,8 Prozent gesunken. Man
    nimmt also pro Passagier weniger
    ein. Die Kostenreduzierungen werden
    sofort aufgezehrt. Denn die Stückkos-
    ten – das Pendant zu den Stückerlö-
    sen – sanken nur um 0,8 Prozent. Die
    Folge: Die Ergebnismarge (Ebit-Mar-
    ge) gab bei den Premiumairlines von
    12,1 auf neun Prozent nach.


Sorgenkind AUA
Die schwierige Situation zeigt sich et-
wa bei Austrian Airlines. AUA ist eine
Premium-Airline, muss sich aber am
Drehkreuz in Wien einem zuletzt im-
mer stärker werdenden Wettbewerb
mit Ryanair oder Easyjet stellen.
Während die Billiganbieter ihre Kapa-
zität im laufenden Winter in Frank-
furt, Zürich und München um 13 bis
sogar 31 Prozent reduziert haben,
stocken sie das Angebot in Wien um
27 Prozent auf.
„In Wien treffen die beiden Billig -
airlines aufeinander und liefern sich
den Kampf aller Kämpfe“, sagt
Spohr: „Wir werden unseren Heimat-
markt dort aber mit aller Macht ver-
teidigen.“ Deshalb wird AUA nun um-
gebaut. Die Airline konzentriert sich
auf die Flüge in Wien. Die dezentra-
len Standorte werden geschlossen,

die Flotte auf die Airbus-A320-Fami-
lie harmonisiert. Über ein Sparpro-
gramm sollen die Kosten ab 2021 um
jährlich 90 Millionen Euro gedrückt
werden. Auch der Abbau von bis zu
800 Stellen steht auf der Agenda.
„Europa ist das herausfordernste
Verkehrsgebiet“, beschreibt Lufthan-
sa-Finanzchef Ulrik Svensson die Si-
tuation. Dass die Aktie der Fluggesell-
schaft dennoch mit einem Plus von
zwischenzeitlich fast zehn Prozent
am Donnerstag zu den Tagesgewin-
nern im Dax gehört, hat vor allem
zwei Gründe: Zum einen kommt die
Sanierung von Eurowings voran.
Dort stieg das bereinigte Betriebser-
gebnis im dritten Quartal um 39 Pro-
zent auf 169 Millionen Euro.

Investoren zufrieden
Zum anderen zeigt die Lufthansa ei-
ne für viele Analysten überraschende
Disziplin bei der Kapazitätsplanung.
So hat Spohr angekündigt, dass das
Angebot bei Eurowings im kommen-
den Jahr sogar unter dem des laufen-
den Jahres sein werde. „Das ist posi-
tiv für die Durchschnittserlöse“, fin-
det Daniel Röska von Bernstein
Research.
Solche positiven Analystenkom-
mentare und der kleine Kurssprung
am Mittag sind für Spohr eine Wohl-
tat. Mitte des Jahres hatte die Luft-
hansa-Spitze die Investoren auf ei-
nem Capital Market Day noch bitter
enttäuscht, weil sie statt einer Per-
spektive vor allem Baustellen sahen.
Zuvor hatte die Lufthansa mit einem
überraschend miesen ersten Quartal
und einer Gewinnwarnung die Aktie
tief in den Keller gedrückt.
Jetzt herrscht wieder mehr Zuver-
sicht bei den Anlegern. Diese durch
einen Dauerstreik zunichte zu ma-

chen kann sich das Management
nicht leisten. Allein der gerade lau-
fende zweitägige Streik, bei dem
1 300 von 6 000 Flügen ausfallen und
rund 180 000 Fluggäste betroffen
sind, dürfte Millionen kosten.
Spohr versucht, den festgefahre-
nen Konflikt mit der UFO nun mit ei-
ner direkten Botschaft an die Kabi-
nenmitarbeiter zu lösen. Das Ma-
nagement sei gesprächsbereit. Das
allerdings gelte für alle Gewerkschaf-
ten. In der Kabine werben UFO, Ver-
di und die neue CU um Mitglieder.
Wenn er fliege, höre er, dass jede
dieser Vertretungen Sympathisanten
habe. „Wir müssen aber eine Spal-
tung der Belegschaft verhindern“, be-
gründet Spohr die parallelen Gesprä-
che. Dahinter dürfte ein Ziel stehen:
Spohr will eine neue Form der Tarif-
partnerschaft, bei der man konstruk-
tiv redet, und keine, bei der schon
vor Gesprächen Vorbedingungen ge-

stellt werden. Bei drei Vertretungen
sind die Chancen groß, dass er der
Belegschaft immer zeigen kann, dass
es eine Lösung gibt. „Wir müssen weg
vom Entweder-oder“, sagt Spohr.
Ob das gelingt, ist offen. Immerhin
verspürt wohl auch die UFO einen
gewissen Druck, einzulenken. An
dem Streik sollen sich am Donners-
tag nur rund 240 von 21 000 Kabi-
nenmitarbeitern beteiligt haben. Zu-
dem hat die Lufthansa ihre Strategie
geändert. Anders als früher bleiben
die Crewpläne in Kraft, auch wenn
im vorbeugend erstellten Sonderflug-
plan Verbindungen gestrichen wur-
den. Die Mitarbeiter mussten zur Ar-
beit erscheinen und erklären, ob sie
streiken oder nicht. Wer streikt, dem
wird damit das Gehalt entsprechend
gekürzt – auch das ist anders als frü-
her. Angesichts dessen ist offen, wie
lange die UFO ihre Streikdrohungen
wirksam aufrechterhalten könnte.

Lufthansa-Tarifstreit


Schlichtung soll es richten


Der Lufthansa-Chef will für die Kabine mit allen Gewerkschaften sprechen


und den Konflikt befrieden. Das wäre auch für die Jahresprognose gut.


2018


Lufthansa
Kennzahlen für das 3. Quartal in Mrd. Euro

Umsatz


9,96 10,18


HANDELSBLATT Quellen: Unternehmen, Bloomberg


Aktienkurs in Euro


17,25 €


1.1.2019 7.11.


25


21


17


13





2019


+2,2 %


Bereinigtes Ebit
1,41
1,30


  • 7,8 %


Airbus A320 der Lufthan-
sa: Konzernchef Carsten
Spohr gibt sich offen für
Gespräche.

dpa


In Wien


treffen die


beiden


Billigairlines


aufeinander


und liefern


sich den


Kampf aller


Kämpfe.
Carsten Spohr
CEO Lufthansa

Unternehmen & Märkte


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(^24) WOCHENENDE 7./8./9. NOVEMBER 2019, NR. 216

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