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DIE WELIE WELIE WELT KOMPAKTT KOMPAKT MITTWOCH, 6. NOVEMBER 2019 POLITIK 7
W
er Angela Mer-
kel hören will,
muss in die
Bundestags-
fraktion von CDU und CSU.
Die Öffentlichkeit unterhält
die Kanzlerin mit Interviews zu
ihren Erinnerungen an die
DDR – zu aktuellen politischen
Themen nimmt sie nur noch in
den geschlossenen Sitzungen
mit ihren Abgeordneten Stel-
lung. Zuletzt stellte sie sich
hier (etwas halbherzig) hinter
den Vorschlag ihrer Verteidi-
gungsministerin Annegret
Kramp-Karrenbauer (CDU),
mit deutscher Beteiligung eine
internationale Schutzzone in
Syrien zu errichten.
VON ROBIN ALEXANDER
Am Dienstag positionierte
sich Merkel zur Grundrente–
endlich. Denn der Streit darü-
ber, wie Menschen mit gebro-
chenen Erwerbsbiografien im
Alter bessergestellt werden kön-
nen, droht die Koalition zu
sprengen. Seit eineinhalb Jahren
schwelt er, zuletzt wurde ein
Koalitionsausschuss abgesagt,
der eine Einigung bringen sollte.
Dabei ist der Koalitionsver-
trag eindeutig: Die Grundrente
kommt. Aber nur mit einer „Be-
dürftigkeitsprüfung“ – so ist es
schließlich mit allen Sozialleis-
tungen geregelt. Die SPD aber
hat sich in den Kopf gesetzt, den
Kompromiss aus den Koalitions-
verhandlungen noch einmal zu
verändern. Die Bedürftigkeits-
prüfung soll fallen, damit deut-
lich mehr Menschen die neue
Grundrente bekommen. Streu-
verluste wie die viel zitierte
Zahnarztgattin nehmen die Ge-
nossen in Kauf.
Politisch geht es um viel:
Kommt ihr uns nicht entgegen,
verlieren wir das Mitglieder-
votum um den Parteivorsitz,
flüstern die Regierungssozialde-
mokraten um Olaf Scholz ihren
Unionskollegen seit Wochen zu.
Eine Drohung mit nicht weniger
als dem Ende der großen Koali-
tion. Die aber hat mittlerweile
einen so schlechten Ruf, dass
manche Unionsabgeordnete gar
nicht weiter in ihren Fortbe-
stand investieren wollen.
Und Merkel? Die Kanzlerin
verfolgt die Fraktionssitzung
zunächst als Zuhörerin. Die
Grundrente ist das einzige The-
ma der Aussprache. Die Debatte
läuft heiß, es geht hin und her.
Und wird persönlich. Christian
von Stetten (CDU), Chef des
einflussreichen Parlamentskrei-
ses Mittelstand und Skeptiker
gegenüber jeder Grundrente,
sieht sich genötigt, seinen Im-
mobilienbesitz offen zu legen.
Laut Teilnehmern erwähnt er
ein Haus im Wahlkreis, ein Som-
merhaus am Tegernsee, ein
Winterhaus in Oberstdorf, die
„alle unvermietet“ seien.
Das sorgt bei einigen Abge-
ordneten für Heiterkeit. Aber
von Stetten will damit andeu-
ten: Wer nicht vermietet, also
keine Einnahmen erzielt, kann
sehr viel Besitz haben und den-
noch künftig Grundrente bezie-
hen. Der frühere Justizminister
von Berlin, Thomas Heilmann
(CDU), widerspricht ihm: Wer
drei Häuser besitze, aber sonst
nur 800 Euro Rente beziehe,
könne nicht einmal die Grund-
steuer bezahlen.
Hieran knüpft wohl die Kanz-
lerin an, als sie sich zu Wort
meldet: Man solle die Argumen-
tation nicht vorrangig am Bei-
spiel von Villenbesitzern füh-
ren, wenn man Volkspartei blei-
ben wolle, sagt Merkel sinnge-
mäß nach übereinstimmenden
Angaben von Teilnehmern der
Sitzung. Dann positioniert sie
sich endlich: Die Einigung im
Koalitionsvertrag habe sich als
„nicht administrierbar“erwie-
sen. Angeblich könne die Ren-
tenversicherung die Bedürftig-
keitsprüfung nicht ohne enor-
men Aufwand durchführen.
Deshalb sei der Vorschlag der
Verhandlungsgruppe von Union
und SPD vorzuziehen. Der aber
liegt eigentlich noch nieman-
dem in der Fraktion vor, son-
dern ist nur ein Bericht aus der
„Bild“-Zeitung, der auch noch
dementiert wurde. Jetzt klingt
es allerdings, als stimme er
doch. Denn demnach haben sich
Union und SPD entschieden,
nur eine „Einkommensprüfung“
zu verlangen und keine „Bedürf-
tigkeitsprüfung“. Merkel stellt
sich also hinter diesen Kompro-
miss. Jetzt blicken alle zu
Kramp-Karrenbauer. Die CDU-
Vorsitzende ist anwesend, sie
müsste für die Partei auf der
Einhaltung des Koalitionsver-
trages bestehen. Doch sie
schweigt. Die ganze Sitzung
wird sich Kramp-Karrenbauer
nicht zu Wort melden. Die
CDU-Abgeordneten, die sich
stattdessen melden, sind fast al-
le anderer Meinung als Merkel:
Christoph Ploß aus Hamburg,
die stellvertretende Fraktions-
vorsitzende Gitta Connemann,
der einflussreiche Haushälter
Eckhardt Rehberg, der junge
Mark Hauptmann, Carsten Lin-
nemann vom Wirtschaftsflügel
und Johann Wadephul aus
Schleswig-Holstein: Sie alle sind
gegen diesen Kompromiss mit
der SPD. Sie argumentieren vor
allem prinzipiell, mit dem Sozi-
alstaatsprinzip: Keine Leistung
ohne Bedürftigkeit. Es gehe um
eine „Säule“ des Staatsverständ-
nisses. Konzilianter sind die we-
nigen Abgeordneten der CSU,
die sich melden. Landesgrup-
penchef Alexander Dobrindt,
der Teil des Verhandlungsteams
mit der SPD war, meint, er kön-
ne mit dem Kompromiss leben.
Verhandlungsführer Hermann
Gröhe (CDU) erweckt auch die-
sen Eindruck, bleibt aber wol-
kig. Mit Spannung wird die Ein-
lassung von Jens Spahn (CDU)
erwartet. Auch der Gesund-
heitsminister gehört dem Ver-
handlungsteam an, er hat einer
angeblichen Einigung mit der
SPD öffentlich sofort wider-
sprochen. Nun gibt er eine neue
Sprachregelung aus: Das Ziel sei
jetzt eine „harte Einkommens-
prüfung als Bedürftigkeitsprü-
fung“. Den Ball greift Fraktions-
chef Ralph Brinkhaus (CDU) am
Ende der Debatte auf. Die Ver-
handler würden die Bedenken
der Abgeordneten nun kennen
und aufnehmen. In der nächsten
Fraktionssitzung werde man er-
neut über die Grundrente de-
battieren. Aber dann soll sie
längst beschlossen sein: Am
Mittwochabend treffen sich die
Fraktionsspitzen der großen Ko-
alition. Am Sonntag tagt der Ko-
alitionsausschuss.
Endlich ist klar, wo die Kanzlerin beim Thema Grundrente steht
DPA
/ KAY NIETFELD
Grundrente:
Merkel für
Kompromiss
In der Unionsfraktion positioniert
sich die Kanzlerin zum Thema. Fast alle
anderen Redner sind anderer Meinung
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