Handelsblatt - 30.10.2019

(Barry) #1

S


treng genommen hat Mario
Kohle keine Ahnung von Solar-
energie. Und trotzdem ist der
34-Jährige seit zwei Jahren Chef eines
Solar-Start-ups. Mit Enpal vermietet
Kohle Solaranlagen an Hausbesitzer.
„Ich wollte ein Produkt schaffen, das
für den Kunden begreifbar und ein-
fach ist. Das Ganze sollte außerdem
günstig und grün sein“, erklärt Grün-
der Kohle. Der studierte Betriebswirt
bezeichnet sich selbst als eine Mi-
schung aus Kapitalist und Idealist.
Mit Enpal will er „etwas Großes auf-
bauen und gleichzeitig etwas Sinnvol-
les tun“.
Mit ihren rund 2 000 Kunden ist
die Solarfirma zwar noch nicht groß,
aber das könnte sich bald ändern.
Rocket-Internet-Gründer Alexander
Samwer hat schon in das Solar-Start-
up investiert, nun bestätigte auch
Circ-Gründer Lukasz Gadowski Ge-
rüchte über ein größeres Investment.
„Enpal trifft den Nerv unserer Zeit.
Ich stehe voll und ganz hinter dem
Produkt und der Kultur, die das
Team um Mario Kohle aufgebaut hat,
und freue mich auf die nächsten
Schritte unserer Zusammenarbeit“,
sagte Gadowski dem Handelsblatt auf
Anfrage. Wie viel genau Samwer und
Gadowski investiert haben, wollen
die Beteiligten nicht verraten, aber es
dürfte sich um mehrere Millionen
Euro handeln.
Dabei ist das Geschäftsmodell von
Enpal, das anfangs noch unter dem
Namen Evergreen unterwegs war,
nicht unbedingt neu. Solar-Leasing,
also PV-Anlagen zur Miete, bietet un-
ter anderem auch das 2012 gegründe-
te Unternehmen DZ-4 an. Auch einige
Stadtwerke haben sich – meist mithil-
fe von Dienstleistern wie Greenerge-
tic oder Trianel – schon am Konzept
Miete statt Kauf versucht. Aber der
große Durchbruch blieb bislang aus.
Ganz anders in den USA: „In den
Staaten kommen über 90 Prozent
der Anlagen auf Privatdächern von
solchen Leasing-Anbietern. Die Deut-
schen seien beim Leasing zurückhal-
tender. „Ein Amerikaner least alles,
Deutsche wollen etwas lieber besit-

zen. Man hat also ein Mentalitätspro-
blem“, attestiert Götz Fischbeck,
Chef der Beratungsagentur Smart So-
lar Consulting. Außerdem seien So-
laranlagen mittlerweile so günstig,
dass sich eine Miete kaum mehr
rechne.

Kohle will es trotzdem versuchen.
Sein Konzept ist klar: Interessierte
Hausbesitzer können sich online ein
Angebot erstellen lassen und direkt
sehen, wie viel eine Solarmiete auf
dem eigenen Hausdach kosten wür-
de. Nach zwanzig Jahren gehört die
PV-Anlage gegen einen Obolus dann
dem Mieter. Kohle verspricht, dass
die Stromrechnung dadurch aber
nicht unbedingt teurer werden muss.
Manchmal sei es weniger oder gleich
viel, mitunter auch mal ein bisschen
mehr. Dafür kümmere sich Enpal um
Installation, Wartung und Betrieb,
während der Kunde eine Solaranlage
ohne große Anschaffungskosten oder
komplizierte Bürokratie bekommt.
Und das soll erst der Anfang sein: „In
zwanzig Jahren wollen wir die größte
paneuropäische Energiefirma sein“,
kündigt Kohle selbstbewusst an.
Noch vermietet Enpal nur Solaran-
lagen, aber bald sollen auch Speicher
und regenerative Wärmelösungen
Teil des Pakets sein. „Enpal soll zum
Komplett-Energieversorger werden“,
sagt der Gründer. Potenzielle Kunden
gibt es zwar theoretisch genug – im-
merhin haben Millionen von deut-
schen Eigenheimen noch keine eige-
ne Solaranlage, geschweige denn eine
Batterie. Aber damit sich das Modell
des gebürtigen Brandenburgers rech-
net, muss die Anzahl der Kunden in
kurzer Zeit sehr schnell wachsen. Da-
zu kommt potenziell große Konkur-
renz. „Auch ein Konzern wie Eon hat
solche Geschäftsmodelle auf dem
Schirm“, warnt Fischbeck.
Kohle hat vor der potenziellen
Konkurrenz allerdings keine Angst.
„Wir sind eine neue Art Energiever-
sorger: komplett digital, dezentral
und erneuerbar“, ist er überzeugt. Es
wäre nicht das erste Mal, dass der
Jungunternehmer einen Überra-
schungserfolg landet. Den Internet-
marktplatz Käuferportal, heute
Aroundhome, den er 2008 mit sei-
nem Schulfreund Robin Behlau ge-
gründet hatte, verkaufte er 2016 an
Pro Sieben Sat 1. Auch das schaffte
Kohle damals mit der Unterstützung
von Lukasz Gadowski. Kathrin Witsch

Philip Huffmann


Trommeln für Helpling


U


m den Berliner Putzhilfen -
vermittler Helpling ist es in
den vergangenen beiden Jah-
ren eher ruhig geworden. Dabei hatte
das Start-up nach dem Beginn im
Jahr 2014 für einige Aufmerksamkeit
gesorgt. Einerseits, weil es Putzhilfen
legal und einfach vermittelt, anderer-
seits wegen niedriger Löhne und pre-
kärer Arbeitsverhältnisse in der Gig-
Ökonomie.
„Über die letzten zwei Jahre haben
wir hinsichtlich der Profitabilität mit
Vollgas an ganz vielen kleinen Schrit-
ten gearbeitet“, sagt Gründer Philip
Huffmann. Jetzt will er wieder mehr

Aufmerksamkeit erregen – und hat
dafür Pro Sieben Sat 1 als Investor ge-
wonnen. Teil des Deals ist, dass die
Sender des Konzerns Helpling Wer-
bezeiten zur Verfügung stellen.
Insgesamt ist die Runde 20 Millio-
nen Euro schwer. Auch Altinvestoren
wie Lakestar von Klaus Hommels
und Mangrove machen mit.
Das Ziel ist Schub: „Mit Fernseh-
werbung können wir fast jeden Deut-
schen erreichen“, hofft Huffmann.
Bis Sommer 2021 will der Mitgründer
einen dreistelligen Millionenumsatz
erreichen. Bislang macht Helpling
den Großteil des Geschäfts in Metro-
polen wie Berlin, Hamburg und Mün-
chen. Künftig möchte Huffmann auch
Städte wie „Münster, Augsburg, Tü-
bingen und Wuppertal“ abdecken.
Zudem will der 35-Jährige den Be-
weis antreten, dass sich mit dem
Geschäftsmodell Geld verdienen

lässt. Im Sommer sei Helpling erst-
mals profitabel gewesen – für zwei
Monate, operativ vor Abschreibungen
(Ebitda). Offenbar half das, die Inves-
toren für die neue Runde zu gewin-
nen. Insgesamt hat das Unternehmen
mit 120 Mitarbeitern rund 20 Investo-
ren, darunter Unilever. Der Konsum-
güterkonzern vertreibt über Helpling
Putzmittel-Abos.
Huffmann will das Geschäft nun
ausbauen: In Berlin testet er Angebote
wie Hundeausführen oder den Auf-
bau von Möbeln – in Konkurrenz zu
Anbietern wie TaskRabbit, in den Ikea
investiert hat. Auch in Singapur pro-
biert Helpling neuartige Dienste wie
das Reinigen von Klimaanlagen aus.
Helpling ist zudem in einigen europäi-
schen Ländern, etwa Großbritannien,
den Niederlanden und der Schweiz,
in Australien und im arabischen Raum
aktiv. Christoph Kapalschinski

Philip Huffmann:
Zwischenzeitlich
profitabel.

Helpling


Enpal


In den USA werden Photovoltaikanlagen


häufig vermietet, in Deutschland


hat der Trend seine Nische bislang nicht


verlassen. Das Berliner Start-up Enpal


will das ändern.


Der Gründer will beweisen,


dass sich mit der Putzkraft-


vermittlung Geld verdienen


lässt. Ein Deal mit Pro Sieben


soll Aufmerksamkeit bringen.


Friedrich P. Kötter


Mit der


Sicherheit


am Ende


D


as Essener Sicherheits-
unternehmen Kötter
will sein Engagement
am Flughafen Düsseldorf vor-
zeitig beenden. Als Grund führt
Friedrich P. Kötter, Verwal-
tungsrat der familiengeführten
Gruppe, veränderte Rahmenbe-
dingungen an – zum Beispiel
das gestiegene Passagieraufkom
men. Aus „rein betriebswirt-
schaftlicher Sicht“ habe das Un-
ternehmen „keine andere
Wahl“ gehabt, als beim Bundes-
innenministerium auf ein Ver-
tragsende bereits zum 31. Mai
2020 zu dringen. Der Vertrag
läuft regulär bis Ende 2020.
Der nach eigenen Angaben
größte familiengeführte Sicher-
heitsdienstleister in Deutsch-
land ist seit 2004 am Düssel-
dorfer Flughafen tätig. Die
Gruppe, die 2018 mit bundes-
weit 18 500 Mitarbeitern mehr
als eine halbe Milliarde Euro
Umsatz machte, war wieder-
holt in Kritik geraten zum Bei-
spiel wegen langer Wartezei-
ten bei Kontrollen. Die Ge-
werkschaft Verdi hatte zudem
auf den hohen Krankenstand
hingewiesen. Diese Probleme
haben nach Unternehmensan-
gaben mit der aktuellen Bitte
um Vertragsbeendigung nichts
zu tun.
Kötter betont, seit 2017
mehr als drei Millionen Euro
in Rekrutierung und Ausbil-
dung neuer Mitarbeiter inves-
tiert zu haben. Allerdings müs-
se „das unternehmerische Risi-
ko kalkulierbar bleiben“ und
dürfe nicht allein bei den
Dienstleistern liegen, sagte der
geschäftsführende Direktor Pe-
ter R. Lange, der auch Vizeprä-
sident des Arbeitgeberver-
bands BDLS ist. Der Verband
unterstütze die Argumentation
der Gruppe.
Ob Kötter aus dem Vertrag
in Düsseldorf aussteigen kann,
ist noch ungewiss. Dem paral-
lel für den Flughafen Köln/
Bonn eingereichten Antrag auf
vorzeitiges Vertragsende sei
nicht entsprochen worden,
teilte das Unternehmen mit.
Laut Angaben von Kötter
müssten bei einer Neuaus-
schreibung und einem Anbie-
terwechsel in Düsseldorf die
etwa 1 100 Mitarbeiter dort
nicht um ihren Job bangen: Sie
würden zu dem neuen Dienst-

KÖTTER GmbH & Co. KGleister wechseln. cgn


Familienunternehmen des Tages


MITTWOCH, 30. OKTOBER 2019, NR. 209


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Mario Kohle


Solarstrom zu


vermieten


Mario Kohle:
Mit seinem
Start-up Investoren
angelockt.
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