Frankfurter Allgemeine Zeitung - 07.11.2019

(Greg DeLong) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Reiseblatt DONNERSTAG, 7. NOVEMBER 2019·NR. 259·SEITE R 3


rung nicht sofort verliert, sprudeln Brun-
nen in der unterirdischen Stadt, und
wuchtige Reliefs machen dunkle Ecken
noch dunkler. Wändeweise stapeln sich
die Flaschen, geziert von gammligem
Staub, lange Gänge entlang winkelt sich
die Weinstadt in den Berg. Einige Ni-
schen sind vermietet, amerikanische und
chinesische Namen zieren die Gitter, die
den Privatbesitz vor Zugriff schützen.
Das Wein-Dungeon selbst ist beeindru-
ckend, der dargebotene Wein ist es nicht.
Da gibt es selbst bei Andy’s Pizza Besse-
res und in den Weinstuben in der Haupt-
stadt erst recht.
Nach Chişinau sind es nur ein paar Kilo-
meter. Wir checken in einer Art Kalter-
Krieg-Erlebnishotel ein, es heißt
Chişinau Hotel und ist beeindruckend sta-
linistisch. Es ist das älteste Hotel in der
Stadt und eher etwas für abenteuerlustige
Gäste. Von den Zimmern, die zur Straße
hinausschauen, blickt man über den Platz
der Vereinten Nationen. Er fungiert vor al-
lem als Parkplatz, und seine Mitte wird
von einem Denkmal markiert, das an den
Sieg über den Faschismus erinnert. Um-
standen ist der Platz von bröselndem Be-
ton. Ein einstiges Hotel National steht
seit neun Jahren als Skelett herum. Später
laufen wir durch die Stadt, auch dort brö-
selnder Beton. Die Steinstufen in den Un-
terführungen rotten vor sich hin, so dass
die Treppen eher an abschüssige Geröll-
hänge erinnern. Asphalt liegt fleckenwei-
se herum. Man sollte aufpassen, wo man
hintritt. Im Gegensatz zu den Splitterre-

publiken hat sich für Moldau selbst noch
kein wohltätiger Sponsor gefunden, um
die Infrastruktur in Schuss zu bringen.
Gut funktioniert hingegen das Trolley-
bus-System, mit dem man schnell durch
die Stadt kommt. Eine Fahrt, egal wie lan-
ge und wohin, kostet zwei moldauische
Leu, etwa zehn Cent. Man hält sie am bes-
ten beim Einsteigen parat.
Ein ordentlicher Teil der Innenstadt be-
steht aus Markt, der eher eine Art Frei-
lichtkaufhaus ist, weil es nicht sonderlich
viele Kaufhäuser gibt. Warum auch, Kof-

fer, Lampen, Eletroinstallationen, Tro-
ckenpflaumen, Haushaltswaren und Schu-
he kauft man in Chişinau eben auf der
Straße. Das Herzstück bildet die Markthal-
le, in der recht rustikal Schweine- und
Rinderteile von bekittelten Marktfrauen
auf mechanische Fleischwaagen gewor-
fen werden.
Die Innenstadt ist recht überschaubar,
obwohl in Chişinau etwa so viele Men-
schen leben wie in Frankfurt. Wahrschein-
lich bringt man die in bröselnden Beton-
hochhäusern einfach sehr viel platzspa-

render unter. Dazwischen hat man sich al-
lerdings einige großzügige Parks gegönnt,
in deren Mitte große Seen liegen und die
am Rand waldähnlich verwildern. Hier
flanieren Familien, und junge Pärchen sit-
zen eisessend auf Bänken. Bei aller post-
sowjetischen Armut schafft es die Stadt
dennoch, lebenswert zu erscheinen. Dazu
trägt auch die Dichte an Cafés und Restau-
rants bei, so dass man auf einen Besuch
bei Andy’s Pizza getrost verzichten kann.
Das beliebteste Ziel für Sonntagsaus-
flügler ist die Region Orheiul Vechi, die

in einer Schleife des Flusses Răut liegt,
der ein paar Kilometer weiter in den
Dnister fließt. Oben auf dem Hügel Butu-
ceni steht eine Klosterkirche, unten in
den Hügel ist ein Höhlenkloster gegra-
ben, das Manastirea Pestera. Ein knap-
pes Dutzend Mönche hausten hier einst,
einer ist noch übrig. Efimie heißt er, seit
fünfzehn Jahren wohnt er in seiner in
den Fels gehauenen Behausung, er liest
stoisch in Heiligen Büchern, auch wenn
um ihn herum die Touristen wimmeln.
Je nach Andrang ist er mal leutseliger,

mal weniger. Nach dem Wochenende
will er meist seine Ruhe, deshalb überlas-
sen wir ihn seiner Lektüre und ziehen
weiter.
Es gibt diverse tatarische Ausgrabun-
gen zu besichtigen, ein Bad, eine Festung,
Moschee und Karawanserei. Außerdem
ein altes Bilderbuchdorf, in dem eine
Kate als Freilichtmuseum für das bäuerli-
che Leben eingerichtet ist. Hier lernen
wir die Eckpunkte moldauischer Identität
kennen: im Keller immer Käse und Wein
aus Eigenproduktion, der Herrgottswin-
kel immer mit Tüchern verhängt, damit ei-
nem in Sowjetzeiten niemand die Fröm-
migkeit ansieht, und Klöppelspitzen über-
all. Was wertvoll ist, wird auf Spitzentü-
chern gereicht, etwa Brot zur Begrüßung
der Gäste, oder mit Spitzentüchern hinter-
legt, etwa die Ahnenporträts an der Zim-
merwand.
Während das Staatsweingut Mileştii
Mici den Eindruck einer gigantischen
Touristenfalle erweckt, geht es in Orhei-
ul Vechi recht geruhsam zu, auch an be-
triebsamen Wochenenden. Am Weges-
rand verkaufen ein paar alte Damen Sou-
venirs, im alten Dorf sind die Tische der
wenigen Restaurants belegt. Es sind vor
allem Einheimische, die herkommen
und am Rand des zum Fluss hin abfallen-
den Hügels entlanglaufen, in die grüne
Ferne schauen und den Beton vergessen,
und wir tun es ihnen nach. Dann müssen
wir weiter, denn irgendwo in der Nähe
hat eine Bäuerin für uns Brot gebacken
und Hühnchen geschmort.

L Rundreise: Intrepid bietet Reisen durch
Osteuropa an, die durch Moldau führen.
Etwa „Moldova, Ukraine & Romania Ex-
plorer“, 13 Tage vom Donaudelta bis
nach Kiew, Termine ab April 2020, Preis
ab 2018 Euro. Oder „Eastern Europe in
Depth“, 22 Tage von Budapest nach
Kiew, für 3395 Euro. Man sollte teilwei-
se mit etwas rustikaleren Unterkünften
rechnen. Informationen unter http://www.intre-
pidtravel.de, Telefon: 0 80 24/4 62 33 00.
L Chişinau: In die moldauische Haupt-
stadt kommt man mit Air Moldova, Di-
rektflug ab Frankfurt, oder ebenso di-
rekt mit Lufthansa. Eingeschränkt für
abenteuerlustige Reisende zu empfehlen


S


ollte ich gleich in den Serpentinen
zu schnell sein oder Ihnen
schlecht werden, geben Sie bitte
Bescheid“, kümmert sich der Taxi-
fahrer, der uns vom Brixener Bahnhof in
die Berge bringt. Das fängt ja schon außer-
gewöhnlich an. Jedenfalls ist das eine mir
fremde Arbeitsauffassung von Personen-
transporteuren bergiger Regionen. Ohne
an Abgründen todesbegrüßend entlangzu-
rasen, stellt sich für mich als Pauschalrei-
se-Sozialisierten kein echtes Berghotelan-
fahrtsgefühl ein. Wer auf der Anreise
nicht ein- oder zweimal sein Leben an
sich hat vorbeiziehen sehen, hat es eigent-
lich nicht verdient, rundumversorgt über
der Zivilisation zu thronen.
Dachte ich bisher. Aber nun sind zwei
Kleinkinder an Bord; von der langen Zug-
fahrt müde Kleinkinder, denen nach Kom-
munikation nicht zumute ist. Also muss
ich die freundlichen Gefällt’s-euch-Fra-
gen beantworten, die der achtsame An-
ton – oder war es ein Josef? Auf der Rück-
fahrt wird es jedenfalls ein Wolfgang sein


  • unablässig stellt. Und ich goutiere die
    Wetter- und Schneevorhersagen aufmerk-
    sam, obwohl meine Smalltalkfähigkeiten
    nach langen Zugfahrten eher denen mei-
    ner Kinder ähneln. Aber was macht man
    nicht alles für die Kleinen. „Hier sehen
    wir zum ersten Mal das Bergdorf Lüsen“,
    erklärt Reimund mit wohltemperierter,
    fremdenführerischer Stimme mit geüb-
    tem Fingerzeig auf eine gezuckerte Berg-


spitze. „Ja, so hat ein Bergdorf auszuse-
hen!“, antworte ich deutlich zu herzhaft.
Der Andi lacht auf und bricht abrupt wie-
der ab. Er scheint Sarkasmus zu vermu-
ten, wo nur soziale Inkompetenz
herrscht.
Die Augen der Stadtkinder werden von
Kurve zu Kurve größer. Wir passieren Ho-
tels und andere zu tourismusfunktionalen
Stätten umgebaute Berghöfe und pragma-
tische Graubauten, dazwischen ein Pla-
kat von rotbackigen Burschen, die den
zweiten Platz in einem landwirtschaftli-
chen Wettstreit gewonnen haben. Oder et-
was mit Wintersport? So haben jedenfalls
Bergburschen auszusehen! Ob das Lüse-
ner Hotel „Watscherhof“, das nun am Sei-
tenfenster vorbeihuscht, auch ein kinder-

freundliches ist? Wie ist es zu seinem Na-
men gekommen? Wurden einst hierher
die Kinder der Region ferienverschickt,
und man wollte schon im Namen deutlich
machen, dass christliche Zucht und Ord-
nung herrscht? Es gibt kaum Läden, kei-
ne Apotheken, aber Autoservice und Bus-
haltestellen, an denen die Geister von Ge-
nerationen verzweifelter Dorfjugend her-
umschweben. Hier kennt bestimmt jeder
jeden. Noch ein Kurvengruß zum Busfah-
rer, und wir sind angekommen.
Das Hotel Sonnwies schmiegt sich über
dem Dorf in waldreiche, sanfte Berge, die
in eine graue, aber nicht triste Wolkensup-
pe ragen. Mit einem prächtig hellhölzern
balkonierten Haupthaus und einigen Ne-
benhäusern, in denen sich hochmoderne
Appartements befinden oder kindgerech-
tes Anschauungsgetier aufbewahrt wird,
ist nichts zu rustikal und doch alles so
ländlich, wie es dem Wellness-Gedanken
dient. So hat ein Nobellandhotel auszuse-
hen. Der Chef persönlich schiebt mit
Traktor und Schaufelaufsatz Schnee von
den schmalen, steilen Straßen. Es geht,
das merkt man sofort, familiär, säuberlich
und nobel zu. Entsprechend ist der Park-
platz voll mit Geländewagen aus mindes-
tens drei Ländern und man selbst als Zug-
fahrer ein Exot.
Vor dem Rezeptionspult gibt es eine
Treppe, damit auch Kinder bedient wer-
den können. Eine Einladung, der selbst
eine geschaffte Sechsjährige und ihr
schlapper vierjähriger Bruder nicht wider-
stehen können. Nun stehen sie da, blicken
die dezent trachtgewandeten Empfangs-
damen an. „Na, hallo, wer seid ihr?“ Kei-
ne Antwort der Kinder. Keine Ungeduld
auf der anderen Seite. „Kommt erst mal
an. Darf ich euch alles zeigen?“ Es wird
genickt. Man weiß, wie versprochen, mit
den jungen Gästen umzugehen.
Was gibt es denn hier drin alles? Einen
Eingangsbereich, der Nachmittags-
snacks, eine Malecke und eine Saftbar
mit verschiedenen Zuckerwassern bereit-
hält. Unweit eine aufgeräumte Krabbel-
stube mit Bällebad. Ein großes Unterge-
schoss mit betreuten und unbetreuten
Spielangeboten, direkt ans Schwimmbad
grenzend, und etwas abgeschieden vom
Nachwuchstrubel einen Saunabereich.
Unser Zimmer bietet einen separaten
Kinderraum mit integriertem Stockbett
und cleveren Wendelichtern in der
Wand, auf der einen Seite Leselampe,
auf der anderen ein blaues Nachtlicht-
lein. Daneben ein Bad mit zwei Waschbe-
cken, einem auf Kinderhöhe, und barrie-
refreier Dusche. Im großzügigen Haupt-
raum beleuchtete Schränke, einen Kühl-
schrank, eine Kapselkaffeemaschine, gro-
ßes Sofa zum das Bergidyll präsentieren-
den Balkon hin, eine freistehende Bade-
wanne, einen von der Decke hängenden
Kamin, mit Brennholz vorbestückt, und,
am wichtigsten, Gummibärchen auf den
Kissen. Kurz: Es ist, als hätte man ein Lu-
xushotel in eine Kita gebaut.
Die Kinder hüpfen alle Betten ab, tes-
ten jeden Schalter und schauen vom Bal-
kon auf die aufreizend warteten Außenan-
gebote: ein großes Tipi, eine kleine Eis-
lauffläche, Rutschen, Schaukeln, um nur

ein paar Spielgeräte zu nennen, und ein
dampfendes Schwimmbecken. So hat ein
Kinderparadies auszusehen! Die Eltern
durchstöbern derweil die Infopacken:
„Sie haben sich sicher über das tolle Zim-
mer gefreut.“ – Selbstbewusst! Aber bei
solchen Sätzen ist das „Aber“ nicht fern:
„Unsere Zimmer sind aus unbehandelter
Bergfichte und Zirbelkiefer. Der Holzge-
ruch bringt Ihnen, so haben es Studien er-
wiesen, besonders beruhigenden Schlaf.
Wir bitten Sie deshalb, sorgfältig mit dem
Holz umzugehen ... Bitte achten Sie dar-
auf, dass Ihre Kinder nicht die Möbel und
die Couch bemalen, oder mit fettigen und
schmutzigen Fingern verschmieren. Scho-
koladen-, Wein- und Fettflecke (Chips,
Salzgebäck usw.) lassen sich nur begrenzt
reinigen. Danke für Ihre Mithilfe! Beschä-
digte Zimmereinrichtung behalten wir
uns vor, dem Gast in Rechnung zu stel-
len.“ Auch eine Luxushotelkita oder ein

Kitaluxushotel ist eine Erziehungsanstalt



  • irgendwo zwischen Kuschelpädagogik
    und den Erfahrungen, die man eben so
    macht und die dafür sorgen, dass man
    mal lauter werden muss, sorry.
    Es ist aber auch nicht leicht mit kleinen
    Gästen und ihren Eltern: „Sollten Ihren
    Kindern die Kurven nach Lüsen nicht gut
    bekommen sein“ – das kommt davon,
    wenn man nicht mit dem Zug und dem
    achtsamen Reinhard anreist – „so erhal-
    ten Sie Putzsachen, um Ihr Auto zu reini-
    gen, an der Rezeption“, „Sollten Ihre Kids
    außerhalb des Kinderprogramms klettern
    wollen, bitten wir, einen Haftungsaus-
    schluss im Kinderklub zu unterschreiben“
    oder „Aus hygienischen Gründen ist es
    nicht erlaubt, Kinder ohne Schwimmwin-
    del ins Schwimmbad zu bringen“.
    Dies ist ein Hinweis, der uns noch ein
    paarmal begegnen wird. Schon kurze Zeit
    später beim Abendessen etwa. Am Ein-


gang zum Speisesaal ist ein Desinfektions-
spender angebracht, mit der Bitte um Be-
nutzung – der niemand nachkommt. Auch
hier ist das Mobiliar ländlich nobel, alles
am richtigen Platz in der richtigen Höhe.
Kinder können nur bedienen, was Kinder
bedienen sollen. Und während der Nach-
wuchs am angemessen begrenzten Buffet
die interessanten Speisen ignoriert und
sich Nudeln mit Tomatensoße holt – bevor
es ans Eis geht, Eis!, zum Selberkugeln,
Eis, Eis, Eis! –, dürfen Mama und Papa bei
vier Gängen jeweils zwischen zwei Optio-
nen wählen, einen Tag im Voraus. Die
durchdachte Organisation, zu der auch
fest zugeteilte Tische für jedes Zimmer
über den gesamten Urlaub gehören, sorgt
für Ordnung im Kinderchaos. Tatsächlich
kann hier der Eindruck gehobener Gastro-
nomie entstehen – zumindest bei allen,
die nicht den Begrüßungs- und Regel-
wisch lesen, der noch mal plastisch schil-

dert, weswegen Schwimmwindeln Pflicht
sind beziehungsweise sein sollten.
Ein Verdacht kommt in mir auf: Betuch-
tere Menschen, von denen ich qua Her-
kunft ohnehin zu gut weiß, dass Reich-
tum nicht sozialer macht, denken sich in
ihrem Luxusfamilienurlaub, in einem Ho-
tel, in dem sie ihre Kinder wochentags
von 9 bis 21 Uhr bei kurzer Mittagspause
in Betreuung schicken können: Wenn ich
schon ein paar tausend Euro hinlege,
kann mein Kind auch in den Pool kacken.
Die den Verdacht bestätigende Anekdote
vom Folgetag lasse ich mal aus – sie ist un-
gerecht gegenüber dem Hotel und dessen
Personal, das sich redlich müht. Redlich
müht, gute Miene zum kindischen Spiel
zu machen – auch wenn ich hinter man-
cher Kellnermine zu erkennen glaube,
dass sich da jemand beruflich mal mehr
erhofft hatte, als sizilianische Fischsuppe
durch zuckerwasseraufgeputschte Kinder-
horden zu balancieren.
Ansonsten ist das Schwimmbad aber
der große Hit. „Schreib, dass die Rut-
schen voll cool sind, das Coolste!“, teilt
die über ihre Chronistenpflicht informier-
te Tochter mit. „Ja, die Rutschen. Voll
cool!“, sekundiert der Sohn. Noch besser
als die Schlittenfahrt? „Ja!“ Besser als
„Ferdis Spielewelt“? „Ja!“ Besser als die
Schlittschuhbahn? „Ja!“ So sei es also:
Die Rutschen sind voll cool, das Coolste!
Das Bad insgesamt ist so gestaltet, dass
nach kurzer Zeit Übervierjährige unbe-
aufsichtigt tollen oder Herausforderun-
gen meistern und unermüdlich den nicht
ganz so unermüdlichen Papa stundenlang
auf Reifen durch eine Siebzigmeterröhre
jagen können. Es liegen Spielzeug und
Schwimmhilfen aus, es gibt genügend ge-
mütliche Liegeplätze, und im warmen Au-
ßenbecken dabei zuzusehen, wie nie ver-
siegende Flocken künftige Schneebälle
und -männer bereitstellen, das ist schon
ein großes Vergnügen. So hat ein kinder-
freundliches Bad auszusehen!
Doch so lockend die Spaßgewässer
sind, bei unserem Schneeglück kommt
man nicht umhin, zusätzlich fröhlich raus-
zustapfen. Durch eine Skiumkleide mit
den Zimmern und Zimmerkarten zugeord-
neten Spinden, in denen Schuhe und an-
dere Schneeklamotten hinterher ge-
schützt abtropfen können, tritt man in ein
dickes Weiß, stapft über sorgfältig freige-
räumte Pfade zu Spiel und Spaß. Die An-
gebote sind so groß, dass man trotz augen-
scheinlich ausgebuchtem Hotel nie in die
Quere anderer kommt und trotzdem Spiel-
kameraden finden kann. Skikurse wedeln
über die ein paar Meter entfernte, nahezu
perfekt sanfte Abfahrt zum Erlernen des
Sports. Esel- und Ponyschnauzen damp-
fen, Jung und Alt rodeln, rutschen, hinter-
lassen Schneeengel. So hat ein Winter-
idyll der gehobenen Kategorie auszuse-
hen! Sage ich nun frei von Sarkasmus, mü-
deamüsiert und bergluftgesättigt.
Nur die vereinzelt anzutreffenden Ur-
lauber ohne Kinder irritieren mich, so
sehr hat mich die Blase des verwöhnten
Familienvergnügens gefangengenom-
men. Wie kann man sich, trotz aller leicht
als Warnung zu verstehender Hinweise
auf der Website des Hotels, kinderfrei
oder kindentwöhnt für sehr viel Geld hier-
her begeben?
„Wer hier ohne Kinder Urlaub macht“,
sage ich auf der Rückfahrt zum höflich
nach der Bewertung des Aufenthalts fra-
genden Wolfgang, der sich mit Schneeket-
ten bis direkt vor den Hoteleingang ge-
kämpft hatte und nun so vorsichtig wie
sein Kollege auf dem Hinweg die „wertvol-
le Fracht“ (Elternsprech) zum Brixener
Bahnhof transportiert, „muss Kinder
schon sehr lieben“, mit Überbetonung
des „sehr“. Er lacht kurz auf und bricht ab-
rupt wieder ab.

Informationen: Das Kinderhotel Sonnwies in Lüsen
beiBrixen verfügt über Zimmer und Suiten ab 139
Euro pro Person bis hin zum Chalet mit eigener
Sauna ab 460 Euro. Im Frühjahr bietet das Sonn-
wies verschiedene Pakete für den Urlaub mit Baby
oder Kleinkind. Weitere Angebote auf der Home-
page http://www.sonnwies.com.

Chişinau

Orheiul Vechi

Mileştii Mici

Komrat

Valeni

Odessa

UKRAINE

RUMÄNIEN

MOLDAU

Dnje
str

F.A.Z.- Karte lev.

Don

au

100 km

Transnistrien

Gagausien

Schwarzes
Meer

Galaţi


ut

Am Rande Europas


Rutschen sind


wichtiger als Luxus


Ja, so hat ein Nobellandhotel auszusehen: Das Sonnwies über dem Bergdorf Lüsen


Robustes Design für kleine Gäste: Das Zirbenkieferholz darf aber bitte nicht angemalt werden. Fotos Tim Wolff


Fortsetzung von Seite 1


Eine Reise durch Moldau und Gagausien


Das Berghotel Sonnwies unweit der Südtiroler


Stadt Brixen versucht, Familien- und Nobel-


unterkunft zugleich zu sein – eine große


Herausforderung. Von Tim Wolff


Brenner-
pass Sand
in Taufers

Brixen

Lüsen
Kinderhotel
Sonnwies

Sterzing

Bruneck

SchlernSchlern Sellagruppe

ÖSTERREICH

nach Innsbruck

ITALIEN
Südtirol

BozenBozen

Eis St. Christina Wolkenstein

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l

ZillertalerAlp

en

Sellagruppe
F.A.Z.-Karte sie.

15 km

Eis
ack

Ein Dach für Mensch und Taube: Bauernhaus in Orheiul Vechi Foto Andrea Diener

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