Handelsblatt - 18.10.2019

(Joyce) #1
„Es fällt mir

schwer, Trump

zu verstehen“

Die EU-Handelskommissarin rechnet im Airbus-Streit


fest mit Strafzöllen der USA, wundert sich über die


Teileinigung zwischen USA und China und fragt sich,


was der US-Präsident eigentlich erreichen will.


Airbus


Keine Pause im


Handelsstreit


M


it dem Inkrafttreten der Airbus-Zölle ist
der Handelsstreit für US-Präsident Do-
nald Trump noch nicht erledigt. „Diesen
Krieg der Zölle können wir einfach nicht verlie-
ren“, sagte der. „Das Ungleichgewicht ist zu groß
dafür. Wir bekommen unsere Agrarprodukte nicht
in die EU und unsere Autos auch nur sehr schwer.
Sie schicken unentwegt Mercedes, BMW, Volkswa-
gen, Renault zu uns.“ Die US-Regierung erwägt,
Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf Fahrzeugim-
porte zu verhängen. Im Mai hatte Washington
sechs Monate Aufschub für eine entsprechende
Entscheidung gewährt, doch diese Frist läuft Mitte
November ab.
„Ich kann diese Situation sehr leicht lösen“,
drohte Trump nun und fügte hinzu: „Hoffentlich
muss ich das nicht tun.“ Finanzminister Steven
Mnuchin schlug moderate Töne an: Neue Zölle ge-
gen die EU stünden „im Moment nicht im Fokus“,
sagte er. Dabei gibt es auch in den USA Kritik an
der Handelspolitik – mehr als 80 Unternehmens-
verbände protestierten in einem Brandbrief an
Trumps Handelsbeauftragten Robert Lighthizer ge-
gen die Strafzölle.
Ab diesem Freitag, so hatte es die US-Regierung
Anfang Oktober angekündigt, sollen die Strafzölle
auf Einfuhren aus der EU greifen.
Signale, die auf eine Verschiebung der Zölle hin-
deuten, gab es nicht. Auch EU-Handelskommissa-
rin Cecilia Malmström hat nur noch wenig Hoff-
nung: Es sei „sehr wahrscheinlich“, dass die Zölle
nun in Kraft träten, sagte sie im Handelsblatt-In-
terview.
Zwar versprach Trump Spielraum bei einzelnen
Produkten oder Ländern: „Wir wollen nicht zu hart
gegenüber Italien sein“, sagte er bei einem Treffen
mit dem italienischen Präsidenten Sergio Mattarel-
la. Aber eine konkrete Konsequenz folgte daraus
bislang nicht. Italienische Pasta war bereits von der
Strafzölle-Liste ausgeklammert worden, andere
Nahrungsmittel und Delikatessen sollen aber wie
geplant mit Handelsbarrieren belastet werden. Das
Land ist nicht an Airbus beteiligt, war aber von Wa-
shington in Mithaftung für die Subventionen ge-
nommen worden.


Vergeltung ist möglich


Die Welthandelsorganisation hatte den USA er-
laubt, Importe aus Europa im Wert von 7,5 Milliar-
den Euro mit hohen Abgaben zu belegen. So sollen
zehn Prozent auf neue, in die USA importierte Ver-
kehrsflugzeuge erhoben werden und 25 Prozent auf
Lebensmittel, Konsumwaren und Industrieproduk-
te. In Deutschland sind unter anderem Industrie-
werkzeuge wie Zangen oder Metallscheren betrof-
fen, zudem Kameraobjektivlinsen sowie Kaffee,
Kekse, Frischkäse und Liköre. Die Strafmaßnah-
men treffen vor allem mittelständische Lebensmit-
telhersteller (siehe Seite 10).
Der transatlantische Streit über Staatshilfen für
die jeweiligen Flugzeugbauer zieht sich seit 15 Jah-
ren hin. Die EU hatte im Juli angeboten, über die
Abschaffung zu verhandeln. Die US-Regierung ist
darauf bislang aber nicht konkret eingegangen – sie
will zunächst die Strafzölle in Kraft treten lassen,
um ihre Verhandlungsposition zu verbessern. Die
Europäer haben wiederum bereits angekündigt, in
einigen Monaten eigene Zölle auf US-Importe zu er-
heben, wenn Washington sich nicht kompromiss-
bereit zeigt. Malmström rechnet damit, Anfang
nächsten Jahres von der WTO die Freigabe für Ver-
geltungsmaßnahmen in ähnlicher Höhe zu erhal-
ten wie die USA.
Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsi-
dent Emmanuel Macron signalisierten bei ihrem
Besuch des Standorts in Toulouse am Mittwoch
Unterstützung für Airbus. Es gehe darum, „ein in-
dustrielles Flaggschiff in einer Zeit wirtschaftlicher
Spannungen zu verteidigen“, sagte Macron.
T. Hoppe, A. Meiritz


K


ohleberge und Ölraffinerien säu-
men die Schnellstraße zum Hafen
von Rotterdam, Schornsteine bla-
sen graue Wolken in den verhange-
nen Himmel. Kaum ein Autofahrer
verliert sich in diese düstere Industrielandschaft,
dafür Lastwagen, viele Lastwagen. Cecilia Malm-
ström hat sich auf den Weg zum größten Hafen
Europas gemacht, um sich von den Zöllnern die
Kontrollen der Container zeigen zu lassen. An-
schließend nimmt sie sich Zeit für das Interview.

Frau Kommissarin, Ihre Amtszeit endet bald ...
Warten wir mal ab, wie lange wir noch ausharren
müssen! (lacht)

Der Start der Von-der-Leyen-Kommission verzö-
gert sich, Ihr Nachfolger Phil Hogan dürfte Anfang
Dezember übernehmen. Freuen Sie sich darauf,
die vielen Handelskonflikte hinter sich zu lassen?
Ich habe das als Herausforderung begriffen. Aber

es ist natürlich nicht schön, dass inzwischen Zölle
als Instrument der Geopolitik eingesetzt werden,
dass die Spannungen mit unserem wichtigsten Ver-
bündeten, den USA, zunehmen. All das richtet viel
Schaden an, das zeigen ja auch die Prognosen für
die Weltwirtschaft. Es wird wichtig sein, dass Phil
Hogan bei allen Konflikten zumindest in Teilen ei-
ne positive Agenda mit den USA bewahrt.

Das ist eine ernüchternde Erkenntnis.
Das stimmt. Aber die USA begründen Zölle gegen
uns damit, wir seien eine Bedrohung für die natio-
nale Sicherheit – das ist unerhört. Wir sind zusam-
men in der Nato, haben die Nachkriegsordnung ge-
meinsam aufgebaut. Die Väter meiner Kollegen ha-
ben mit US-Soldaten in der Normandie gekämpft –
für sie ist das eine Beleidigung.

Rechnen Sie damit, dass Präsident Donald Trump
mit der gleichen Begründung Autozölle anordnen
wird? Die selbst gesetzte Frist endet Mitte November.

Cecilia Malmström


Diese


Re gierung


mag Zölle


und setzt


sie gerne als


geo politisches


Instrument ein.


Sie misst den


We r t von


Han delsbezie -


hungen einzig


in Handels -


defiziten oder


-überschüssen.


Wirtschaft


& Politik
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WOCHENENDE 18./19./20. OKTOBER 2019, NR. 201
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