Die Welt - 15.10.2019

(Steven Felgate) #1

HELLO FUTURE.


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Future skills for professionals

I


n Deutschland leben 1,7 Millionen
Menschen mit Demenz. Die meis-
ten davon sind von der Alzheimer-
Erkrankung betroffen. Doch jetzt
haben Wissenschaftler eine neue
Form identifiziert: die Late-Demenz.
Özgür Onur, Leiter der Arbeitsgruppe
Altern und Demenz an der Universitäts-
klinik Köln, erklärt, warum die Diagno-
se auch eine Chance für die Medizin ist.

VON JÖRG ZITTLAU

WELT:WWWie kam es zu der Entdeckungie kam es zu der Entdeckung
der neuen Demenz?
ÖZGÜR ONUR:Wir beobachten schon
seit Jahren viele Patienten, die zwar die
Symptome der Alzheimer-Erkrankung
aufwiesen, doch wenn wir dann nach ih-
ren Biomarkern – also die für die Er-
krankung typischen Amyloide und Tau-
Proteine – gesucht haben, konnten wir
diese nicht finden. Oder um es plakativ
auszudrücken: Alles sah aus und verlief
auch so wie eine Alzheimer-Erkrankung,
doch was fehlte, waren die passenden
Laborwerte dazu. In Post-mortem-Un-
tersuchungen an den Gehirnen dieser
Patienten zeigten sich dann Verände-
rungen, die man auch von anderen De-
menzformen kennt und erstmalig an Pa-
tienten mit Amyotropher Lateralsklero-
se (ALS) und Frontotemporaler Demenz
(FTD) entdeckt wurden, nämlich eine
sogenannte TDP-43-Proteinopathie.

Warum wählte man dann als Namen
nicht TDP-43-Demenz, sondern Late?

Late steht für Limbic-predominant Age-
related TDP-43 Encephalopathy. Das
betreffende Protein steckt also schon
im Namen drin. Das Kürzel kann man
auch aussprechen wie das englische „la-

te“. Damit wird zum Ausdruck gebracht,
dass diese Erkrankung oft erst im fort-
geschrittenen Lebensalter auftritt.

Aber ist das nicht auch bei Alzheimer
der Fall?
Ja, aber nicht so wie bei Late. Post-mor-
tem-Untersuchungen haben hier eine
besonders starke Zunahme mit dem Al-
ter gezeigt: Von einem Viertel in der
Gruppe der 75- bis 80-Jährigen bis auf
drei Viertel der über 100-Jährigen.

Was bedeuten würde, dass diese De-
menzform wegen der zunehmenden
Alterung der Gesellschaft eine immer
größere Rolle spielen wird, oder?
Richtig. Aber sie spielt wohl auch jetzt
schon eine große Rolle. In den Post-
mortem-Untersuchungen fand man
teilweise die Late-Demenz genauso
häufig wie die Alzheimer-Form.

Trotzdem scheint sie unter Ärzten eher
wenig Beachtung zu finden. Warum?
Möglicherweise weil die Entdeckung
von Late bisher keine Konsequenz für
den Praxisalltag hat. Denn wir haben ja
noch keine Biomarker dafür. Das heißt,
man kann diese Erkrankung noch nicht
am lebenden Menschen erkennen. Und
so lange das nicht geht, kann man sie
auch nicht gezielt behandeln.

Wir sprechen also hier von reiner Zu-
kunftsmusik,?
Nicht unbedingt. Denn Late weckt auch
Hoffnungen auf die Alzheimer-Thera-

pie, deren Entwicklung ja in den letzten
Jahren immer wieder Rückschläge hin-
nehmen musste.

Inwiefern?
Sie bietet eine Erklärung, warum Alz-
heimer-Therapien und auch die Studi-
en zu diesen Therapien oft nicht die
Wirkung haben, die man sich von ih-
nen erhofft hat. Denn wenn es sich bei
der behandelten Demenz gar nicht um
Alzheimer handelt, sondern um Late,
können ja die Medikamente zur Be-
handlung von Alzheimer gar nicht wir-
ken. Man schätzt, dass ein gehöriger
Anteil der Patienten, die anhand ihrer
klinischen Symptome eine Alzheimer-
Diagnose erhalten, in Wirklichkeit an
Late erkrankt sind. Die sind bisher ein-
fffach nur als sogenannte Non-Respon-ach nur als sogenannte Non-Respon-
der, bei denen die herkömmlichen Alz-
heimer-Therapien partout nicht wir-
ken wollen, hinten rausgefallen. So-
fffern aber erst mal die Biomarker undern aber erst mal die Biomarker und
damit Methoden zur exakten Diagnose
von Late da sein sollten, würde das
nicht nur die Therapiechancen für die-
se Erkrankung, sondern auch für Alz-
heimer erhöhen. Denn dann könnte
man beide mit viel größerer Präzision
behandeln.

Wann ist denn damit zu rechnen?
Ich hoffe, dass dies in einigen Jahren
der Fall ist. Bis dahin sollten bei De-
menzverdacht die bisher bekannten
Alzheimer-typischen Biomarker be-
stimmt werden. Denn wenn diese

unauffällig sind, wird Late wahr-
scheinlicher.

Hat die Late-Demenz nicht auch eini-
ge Symptome, in denen sie sich von
Alzheimer unterscheidet? Dann wäre
ja möglicherweise auch eine differen-
zierte Diagnose ohne die Tests
möglich?
Bei Late scheint der kognitive Abbau
langsamer fortzuschreiten als bei Alz-
heimer. Möglicherweise unterscheidet
sich auch das Ausmaß des Verlustes an
Neuronen im Hippocampus, dem Ge-
dächtnisareal. Aber ansonsten sind die
Überlappungen schon ziemlich groß. Es
laufen zwar Bemühungen, Alzheimer
und Late anhand ihrer Symptomatik
und anhand kognitiver Tests zu unter-
scheiden. Doch damit lässt sich allen-
falls eine Richtung feststellen, also ob
etwa die Defizite eher Sprache, Erinne-
rung oder praktische Fähigkeiten be-
treffen. Doch für eine konkrete Unter-
scheidung zwischen Late und Alzhei-
mer reicht das nicht.

Kommt es denn vor, dass beide Er-
krankungen gleichzeitig auftreten?
Ja, das kommt nicht selten vor. In die-
sen Fällen verschlechtern sich die ko-
gnitiven Fähigkeiten schneller als bei ei-
ner allein. Und dann kommt ja als dritte
Form noch die vaskuläre Demenz infra-
ge, die sich aufgrund von Durchblu-
tungsstörungen im Gehirn entwickelt,
etwa als Folge eines Schlaganfalls. De-
menz kann durchaus ein Mischbild all
dieser Formen sein, was die Therapie
natürlich noch einmal schwerer macht.

Doch trotz aller diagnostischen Pro-
bleme könnte man an konkreten The-
rapien für die Late-Demenz arbeiten.
Geschieht das schon?
Late wurde ja kürzlich erst entdeckt,
von daher kommt diese Frage noch zu
früh. Insofern allerdings eine TDP-43-
Proteinopathie auch bei anderen neuro-
degenerativen Erkrankungen eine Rolle
spielt, gibt es da schon einige Ansätze,
die bei Erfolg möglicherweise auch bei
Late helfen könnten. Das wird aller-
dings nicht unbedingt ein Automatis-
mus werden. TDP-43-Proteinopathie ist
leider nicht gleich TDP-43-Proteinopa-
thie, auch da gibt es Unterschiede.

Wie sieht denn die Situation bei der
Therapie von Demenzerkrankungen
aus? Man hat oft den Eindruck, dass
viel Hoffnung erzeugt, aber kein
Durchbruch erzielt wird. Oder gibt es
neue Entwicklungen, die konkretere
Perspektiven erwarten lassen?
Ein wirklicher Durchbruch im Sinne ei-
ner verfügbaren Therapie, die in Kürze
zum Einsatz kommt, ist aktuell nicht
abzusehen. Nichtsdestotrotz gewinnen
wir auch mit jeder gescheiterten Studie
Erkenntnisse, die in der Weiterentwick-
lung helfen und uns hoffentlich Schritt
für Schritt näher ans Ziel bringen.

GETTY IMAGES/ SCIENCE PHOTO LIBRARY

/ ANDRZEJ WOJCICKI

Die andere


DEMENZ


Bei einer jüngst


entdeckten Form


der Hirnerkrankung


schlagen gängige


Medikamente nicht


an, eine Diagnose


ist erst nach


dem Tod möglich


Özgür Onur

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15.10.19 Dienstag, 15. Oktober 2019DWBE-HP


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DIE WELT DIENSTAG,15.OKTOBER2019 SEITE 20 *

WISSEN


ERNÄHRUNG

Pflanzliche Milch nicht
für Kinder unter fünf

Pflanzliche Milch, aromatisierte
Milch und andere gesüßte Getränke
sollten für Kinder unter fünf Jahren
tabu sein. Der Zuckerzusatz fördert
Karies und trägt zu vielen Extraka-
lorien bei, ohne zu sättigen, warnt
der Berufsverband für Kinder- und
Jugendärzte (BVKJ). Pflanzlichen
Milchalternativen fehlten oft Nähr-
stoffe, die die Kuhmilch besitzt.
Eltern sollten höchstens dazu grei-
fen, wenn ein Kind auf Milchpro-
dukte allergisch reagiert, laktos-
eintolerant ist oder die Familie
unbedingt auf tierische Produkte
verzichten will.

ARCHÄOLOGIE

Uralte Grabenanlage
nahe Tübingen

Erstmals haben Archäologen im
Neckarraum ein Grabensystem
eines jungsteinzeitlichen Dorfes
entdeckt. Die Anlage bei Ammer-
buch im Landkreis Tübingen
stammt nach Einschätzung der
Forscher der Universität Tübingen
und des Landesamts für Denkmal-
pflege aus dem 53. Jahrhundert vor
Christus. Die Archäologen fanden
auch das Grab einer Frau, die im 52.
Jahrhundert vor Christus bestattet
wurde. Die Tote trug eine Kette aus
Kalksteinperlen um den Hals. Sol-
che Schmuckstücke aus der frühen
Jungsteinzeit waren bislang aus
dem Karpatenbecken und Balkan-
raum belegt, nicht aber in Süd-
deutschland.

THÜRINGEN

West-Nil-Virus bei


einem Pferd entdeckt


Bei einem Pferd in Thüringen ist
das West-Nil-Virus nachgewiesen
worden. Das Tier stammt aus einem
Bestand im Unstrut-Hainich-Kreis,
wie das Gesundheitsministerium
mitteilte. Das Ministerium emp-
fiehlt allen Pferdehaltern, ihre Tiere
vorsorglich zu impfen. Eine Über-
tragung des West-Nil-Virus auf
Menschen sei eher selten. Durch die
Erkrankung kann es bei Pferdenzu
Hirn- und Hirnhautentzündungen
kommen, was wiederum zu Läh-
mungen, Bewegungsstörungen und
Muskelschwäche führen könne.

KOMPAKT


A N Z E I G E


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