Auf der einen Seite haben Sie viel aus dem Internet
gelernt, über You Tube, Tumblr und durch das Rum-
spielen mit Soft ware. Woher stammen Ihre Kenntnisse
außerdem? Wenn man sich Ihre Arbeiten ansieht, ist
ziemlich deutlich, dass Sie über Ihre eigene Position in
der Geschichte der Fotografie genau Bescheid wissen.
Ich bin ein Leser. Als Schüler habe ich mal irgendwo
gelesen, dass Kanye West täglich nach dem Aufstehen
erst einmal tausend Bilder anschaut. Das führte dazu,
dass ich ständig in den örtlichen Buchladen rannte und
dort alle Fotobände durchschaute, die ich finden konn-
te, und alles las, was ich darin über die Geschichte der
Fotografie lernen konnte. Ich lese bis heute so viel, wie
ich kann. Ich habe sehr viele Fragen, auf die ich gerne
die Antworten wüsste.
Wir auch! Können Sie uns erklären, wie Sie von den
Skate- Videos zur Filmhochschule in New York ge-
kommen sind?
Kurz zusammengefasst: Ich habe auf Twitter den
Rapper Kevin Abstract kennengelernt, der meines Er-
achtens ein Genie ist. Für ihn habe ich Musikvideos
gemacht und auch ein paar Fotos, back stage. Dadurch
wurde ich in der Musikwelt ein bisschen bekannt. Ei-
nes Tages fragte mich das Magazin The Fader, ob ich
die Fotos für eine Drei-Seiten-Geschichte über Kevin
Abstract machen könnte. Sehen Sie, ich bin ehrgeizig,
mein Ehrgeiz wird noch mein Tod sein, aber ich sagte
zu Kevin: Wir müssen dafür sorgen, dass das die bes-
ten drei Seiten werden, die The Fader je gedruckt hat.
Die Bilder kamen offenbar gut an, sie wurden ver-
öffentlicht.
Daraufhin bat mich das Magazin um ein Cover-
foto. Und daraus entstand dann die Arbeit mit dem
Londoner Magazin Dazed, mit der ich an die Kunst-
hochschule kam. Und von da aus in erste Gruppen-
ausstellungen, und die erregten die Aufmerksamkeit
der Vogue, und dann kam die Ausstellung im Foam.
Es war so eine Art Schneeball-Effekt.
Eine Einzelausstellung im Foam in Amsterdam ist in
Ihrem Alter etwas ziemlich Unerhörtes.
Ich hätte auch fast abgesagt, aus Angst. Ich hatte nicht
viel Zeit für die Vorbereitung, die Anfrage kam im Ok-
tober, die Ausstellung sollte im kommenden Frühjahr
eröffnet werden. Als Auftragsfotograf hatte ich meine
Arbeit nie als museumsgeeignete Kunst betrachtet. Ich
kannte meine Arbeit nicht an Wänden aufgehängt, ich
kannte sie von Bildschirmen oder gedruckten Seiten,
vom Smart phone. Ich hatte ernsthaft Sorge, dass ich
mich da lächerlich machen würde.
In der Show gab es neben den Fotografien auch Film-
arbeiten. Eine hieß »Idyllic Space«. Sie wurde so ge-
zeigt, dass man sich als Betrachter auf den Boden legen
musste, um sie richtig sehen zu können.
Da ging es mir um zwei verschiedene Aspekte. Meine
Arbeiten werden ja oft als verträumt, meditativ, fried- 20.10.19 –8.3 .20
Museumsquartier Osnabrück
LotterStraße2|49078Osnabrück
http://www.museumsquartier-osnabrueck.de
http://www.felix-schoeller-photoaward.com
DanielReiter,WasseraufZeit(Ausschnitt),nominiertfürdenFelixSchoellerPhotoAward 2019