Mythos Vielflieger
WOCHENENDE 25./26./27. OKTOBER 2019, NR. 206
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ganze Branche entstanden. Es gibt Dutzende Blogs,
Vielfliegerforen und Reisebüros, die sich auf das
Optimieren von Meilenausbeute und Flugstrecken
spezialisiert haben.
Das dicke Geschäft mit
den Meilen
Der Frankfurter Zweckbau, in dem die Zentrale
von Miles & More residiert, will so gar nicht zum
Luxusimage passen. Aber genau hier, neben den
Büros der IT-Firma Dell und der Piloten-Gewerk-
schaft Vereinigung Cockpit, empfängt Sebastian
Riedle, der Vorsitzende der Geschäftsführung der
Miles & More GmbH. Mit dem Begriff Vielflieger hat
der 41-Jährige so seine Probleme. „Die Beschreibung
ist unzureichend“, sagt er. Es gehe längst um mehr.
Zutreffender sei der Begriff „New Premium“, den et-
wa die Muttergesellschaft Lufthansa verwende. „Wo-
bei wir New Premium eben nicht mit goldenen Was-
serhähnen verbinden. Es geht darum, den Kunden
Angebote zu unterbreiten, die relevant sind, die ei-
nen Mehrwert bieten.“
Ist sie passé, die gute alte Welt der Vielflieger, wie
sie etwa im Film „Up in the air“ mit George Clooney
auf die Leinwand gebannt wurde? Riedle lacht: Was
Miles & More einzigartig mache, sei natürlich die
Vorstellung des Vielreisenden, dank der Meilen ir-
gendwann „mit seiner Frau in der Business Class
nach New York zu fliegen“. Aber klar sei eben auch:
„Wir sind nicht Payback und werden das auch nie-
mals sein“ – auch wenn Miles & More tatsächlich bis
2005 Mehrheitseigentümer des Payback-Rabattpro-
gramms war, mit dem man selbst an der Penny-Kas-
se punkten kann.
Miles & More ist in 245 Ländern aktiv. Damit gibt
es in jedem Staat der Welt Nutzer. 36 Airlines ma-
chen mit, daneben über 300 Partner, die meisten
davon am Boden, bei denen Meilen gesammelt und
eingelöst werden können. Das Geschäft mit den
Partnerfirmen von Miles & More lohnt sich – auch
aufgrund der so gewonnenen Datenmacht. „Wir wis-
sen nicht nur, wann jemand fliegt. Wir wissen auch,
was er wo einkauft, welche Mietwagen er gerne
nimmt oder welche Hotelkategorie“, sagt Riedle.
Diese Daten würden zwar ausgewertet, aber nur in
dem Rahmen, in dem der Kunde das dem Unterneh-
men gestattet.
Denn die Vielflieger-Klientel ist sensibel. Unge-
fragt irgendwelche Dienstleistungen angeboten be-
kommen, die keiner braucht – das wäre der sichere
Tod der Loyalität. „Und wir können die Kunden
nur schwer zurückgewinnen“, erklärt Riedle, der
seit Januar Chef des Programms ist. Zu Beginn sei-
ner Karriere hat er für den Lufthansa-Ableger Ger-
manwings, mittlerweile in Eurowings aufgegangen,
deren Vielfliegerprogramm Boomerang Club aufge-
baut. Es war das erste Bonusprogramm einer Billig -
airline in Europa.
Bisweilen funktionieren bei Miles & More Koope-
rationen, an die selbst Riedle nicht so recht geglaubt
hat: Der Reifenhersteller Michelin wollte vor einiger
Zeit Partner werden. Riedle fragte sich: „Miles & Mo-
re und Autoreifen – passt das überhaupt?“ Es passte
- und wie. In der Einführungskampagne bekamen
die Kunden beim Kauf eines Reifens je nach Größe
pro Euro Umsatz bis zu acht Prämienmeilen gutge-
schrieben. Es wurde ein voller Erfolg für Michelin.
Vielleicht auch, weil dabei gleich noch eine Innova-
tion zum Einsatz kam: Die Kunden mussten einfach
nur ein Foto vom Kaufbeleg machen, dieses per Mi-
les- &-More-App hochladen, und die Meilen wurden
gutgeschrieben.
Statusdrang und Spartrieb kommen in der Welt
der Vielflieger prächtig miteinander aus. Das Bild
vom Vielflieger, dem Prämien egal seien und der nur
Wert auf den Rundumservice und den Zugang zur
Lounge am Flughafen lege, stimmt laut Riedle nicht
mehr.
Auch deshalb hat Miles & More für die Topkunden
der Lufthansa ganz besondere Angebote entwickelt:
sogenannte „Can’t buy for money“. „Da kann dann
etwa ein Vielflieger mit seiner Gattin zum Wiener
Opernball reisen, wo er normalerweise vielleicht gar
nicht hinkäme“, nennt Riedle ein Beispiel. Auch Be-
suche bei einem Formel-1-Event gehören zum Pro-
gramm. „Das lösen die Kunden mit ihren Meilen ein,
und das machen sie sehr gerne.“ Ständig sind Riedle
und sein Team auf der Suche nach solchen Beson-
derheiten. 2017 war ein Whirlpool im Miles-&-More-
Angebot, gefertigt aus dem Triebwerk eines Airbus
A320.
Das Geschäftsmodell von Miles & More basiert vor
allem auf Transaktionen mit den Partnern. Autover-
mietungen, Hotels oder andere Unternehmen kau-
fen Bonusmeilen ein, die sie dann wiederum ihren
eigenen Kunden anbieten. Ein Einsatz, der sich in
der Regel rechnet. Denn die Aussicht, nebenbei
noch Meilen zu bekommen, erhöht die Kaufbereit-
schaft. Zwar gibt es auch zu den Erlösen aus dem
Meilenverkauf keine Geschäftszahlen bei Miles &
More – die verfügbaren Daten erlauben aber zumin-
dest eine vorsichtige Annäherung.
So schätzen Experten für Bonusprogramme, dass
Drittfirmen bis zu zwei Cent pro Meile bezahlen, in
Ausnahmefällen sogar darüber hinaus. Die dagegen-
stehenden Verbindlichkeiten pro Meile setzt Luft-
hansa offensichtlich deutlich niedriger an. So weist
der Geschäftsbericht für 2018 darauf hin, dass der
Konzern zum Jahresende 2018 Verpflichtungen über
225 Milliarden Prämienmeilen in der Bilanz hat. Die
Warteschlangen im Hamburger Flughafen: Unterwegs ohne Status. sich daraus ergebenen finanziellen Verpflichtungen
imago images / Nikita
First-Class-Terminal
der Lufthansa in
Frankfurt: À-la-carte-
Restaurant und Whis-
ky-Bar vor dem Flug.
imago stock&people
Was die Meilen wert sind
Wert einer Prämienmeile bei ausgewählten Airlines in Euro-Cent
Alaska Airlines
British Airways
Virgin Atlantic
Cathay Pacific
Etihad
Lufthansa
Emirates
Singapore Airlines
Turkish Airlines
Delta
Eurowings
Qatar Airways
Air Asia
Airlines
Mileage Plan
Executive Club
Flying Club
Asia Miles
Guest
Miles & More
Skywards
Krisflyer
Miles and Smiles
Sky Miles
Boomerang Club
QMiles
BIG
Programm
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Wert
HANDELSBLATT Quelle: Airguru.de