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Indien
»Plastik ist in unser Leben
eingedrungen«
Indien gehört zu den Hauptverursachern
des Plastikmülls in den Weltmeeren. Ab
2022 will das Land sogenannte Einweg-
kunststoffe, etwa Strohhalme oder Plastik-
tüten, komplett verbieten. Die Umwelt -
wissenschaftlerin Swati Singh Sambyal
vom Centre for Science and Environment
in Delhi spricht über den Versuch, das
Problem zu lösen.
SPIEGEL:Wie ernst ist es der Regierung
von Narendra Modi mit ihrem Kampf
gegen Plastik?
Sambyal:Ich würde die Situation so be -
schreiben: Wir haben es mit einer Über-
schwemmung zu tun, aber anstatt das Leck
zu stopfen, wischen wir den Boden auf.
SPIEGEL:Was müsste passieren?
Sambyal:Wir brauchen eine funktionie-
rende Mülltrennung und einen Plan, wie
wir bis 2022 von Einwegkunststoff los-
kommen. Doch beides existiert nicht.
Dabei könnte die Regierung auch schon
jetzt landesweit Produkte wie
Plastiktüten verbieten, weil es
gute Alternativen gibt.
SPIEGEL:Die meisten indischen
Bundesstaaten haben bereits
Verbote ausgesprochen. Trotz-
dem sind Plastiktüten nach
wie vor weit verbreitet. Warum?
Sambyal:In Indien hapert es
leider oft an der Umsetzung von
guten Ideen. Das hat damit zu
tun, dass es kein Bewusstsein für
das Problem gibt. Viele Bürger
benutzen nun Beutel aus einem
Material, das wie Stoff wirkt,
tatsächlich besteht es aber aus
nicht wiederverwertbarem Plastik.
SPIEGEL:Die Industrie warnt, ein Verbot
würde Tausende Jobs vernichten,
teurere Verpackungen würden vor allem
die Ärmsten treffen.
Sambyal:Es gibt Gründe, warum
Plastik so erfolgreich ist. Es ist haltbar
und billig, es hält Nahrung frisch.
Aber etwas, das ich gleich nach dem
Benutzen wegwerfe, das mehr Schaden
anrichtet, als es Gutes tut, sollte ver-
schwinden. Das würde auch die Industrie
unter Druck setzen, Alternativen zu
finden, was wiederum neue Jobs schafft.
Zu behaupten, dass alles zusammen-
bricht, halte ich für das Gejammer einer
Industrie, die nicht möchte, dass sich
etwas ändert.
SPIEGEL: Welchen Schaden richtet der
Müll an?
Sambyal:Er verschmutzt unsere
Straßen und verstopft Abwasserkanäle.
Das Regenwasser kann nicht ablaufen,
und in den Pfützen brüten Moskitos,
die Krankheiten übertragen. Zwei der
weltweit am meisten mit Plastik ver-
schmutzten Flüsse der Welt fließen durch
Indien. Plastik ist in unser Wasser und
unser Leben eingedrungen. LH
Mexiko
Schwarze Kassen
Ein riesiger Korruptionsskandal um
den mexikanischen Ölkonzern Pemex
bringt nun auch Ex-Präsident Enrique
Peña Nieto in Bedrängnis. Die Staatsan-
waltschaft ermittelt gegen Manager
der Staatsfirma, die bei der Vergabe von
Aufträgen Millionenbeträge kassiert
haben sollen. Das Geld soll unter ande-
rem in die Wahlkampagne Peña Nietos
im Jahr 2012 geflossen sein. Der ehe -
malige Pemex-Chef Emilio Lozoya, der
Peña Nietos Wahlkampfteam angehörte,
soll für Gesprächstermine mit interes -
sierten Firmen bis zu 100 000 Dollar kas-
siert haben. Peña Nietos Scheidungs -
anwalt, der zahlreiche ehemalige Regie-
rungsfunktionäre vertreten hat, wurde
bereits im Juli verhaftet, er soll an Geldwä-
sche und Korruptionsgeschäften beteiligt
gewesen sein. Am Dienstag beschlagnahm-
te die Justiz von Andorra 76,5 Millionen
Euro auf Konten in dem Zwergstaat, die
von Peña Nietos Anwalt verwaltet wur-
den. Auch eine ehemalige Ministerin sitzt
wegen des Verdachts auf Amts missbrauch
in Haft. Es ist sehr ungewöhnlich, dass
die mexikanische Justiz gegen ehemalige
Regierungsmitglieder wegen Korruption
vorgeht. Das Land wurde mehr als 70 Jah-
re von der Staatspartei PRI regiert, der
auch Peña Nieto angehört. Präsident
Andrés Manuel López Obrador, der seit
zehn Monaten regiert, hat den Kampf
gegen die Korruption zum wichtigsten
Ziel seiner Regierung erklärt. JGL
Kambodscha
Hoffnung auf den
Millionenmarsch
Vier Jahre im Exil sind Sam Rainsy
genug: Der Mitgründer der im Jahr
2017 verbotenen größten Oppositions-
partei Cambodia National Rescue Party
(CNRP) will am 9. November aus Paris
nach Kambodscha zurückkehren, um
einen »demokratischen Wandel« her-
beizuführen. Er hofft, dabei von min-
destens einer Million Menschen auf der
Straße unterstützt zu werden. Seit Rain-
sys Ankündigung, die allerdings nicht
seine erste ist, lässt der autoritäre Lang-
zeitpremier Hun Sen in Kambodscha
wieder verstärkt Oppositionelle und
Aktivisten verhaften. Ihnen drohen
wegen »Anstiftung zu einem Staats-
streich« jahrzehntelange Haftstrafen. In
manchen Fällen reicht bereits das Tei-
len eines Facebook-Posts, um im
Gefängnis zu landen. Hun Sen, der das
Land seit 34 Jahren autoritär regiert,
hatte Kambodschas wichtigster Opposi-
tionspartei 2017 vorgeworfen, zusam-
men mit ausländischen Kräften eine
Verschwörung gegen ihn zu schmieden,
und ließ sie auflösen. Tausenden Oppo-
sitionellen wurde jegliche politische
Aktivität verboten. Hun Sen schaltete
kritische Medien und demokratische
Institutionen aus. Doch in der Gesell-
schaft wächst die Unzufriedenheit, zum
einen wegen des wachsenden chinesi-
schen Einflusses im Land und zum
anderen wegen steigender wirtschaftli-
cher Ungleichheit. Dass ein Großteil
der Bevölkerung jung ist, verschärft die
Spannungen zusätzlich. Rainsy hofft in
dieser volatilen Situation auf einen
Massenaufstand, um Hun Sen ablösen
zu können. Dass es dazu kommt, ist
wenig wahrscheinlich. Sollte Rainsy
diesmal wirklich nach Kambodscha ein-
reisen, könnte er bei seiner Ankunft
sofort verhaftet werden. KKU
SAIKAT PAUL / IMAGO
Mädchen bei Umweltkampagne
PHILIPPE WOJAZER / REUTERS
Rainsy