Die Zeit - 10.10.2019

(Wang) #1

Der Erfinder


Der Pop -


Monopolist


P


latz sieben scheint ein bisschen wenig
für Drake aka Drizzy aka Champagne
Papi, einen der erfolgreichsten Künstler
der vergangenen zehn Jahre. Ihn als den
definitiven Musiker des Internet-Zeit-
alters zu bezeichnen wäre ein bisschen größen-
wahnsinnig. Ich mache es trotzdem mal. Und man
kann ja durchaus einiges anführen: Da ist zunächst
die Musik selbst, eine Mischung aus Rap und Ge-
sang, die eben auch eine sehr zeitgemäße Mischung
aus Härte und Weichheit ist. Drake ist zwar Rap-
per, aber auch sensibel und emotional, bis hin zur
Selbstbezogenheit. Kurz: Er macht den perfekten
Sound für die Generation der angeblich so inter-
netaffinen Millennials, denen ja selbst gern vorge-
worfen wird, gleichzeitig fordernd und weinerlich
zu sein (laut dem Rolling Stone hat Drake Millen-
nial-Musik praktisch erfunden). Und dieses Argu-
ment kann man nicht machen, ohne nicht im
gleichen Atemzug seine Fähigkeit zu nennen, Ju-
gend- und Internet-Kultur zu prägen. Wobei es da
fast keinen Unterschied gibt, das ist ja der Punkt.
Unzählige Autoren haben Drakes Lyrics mit der
Sprache von Tweets und Facebook-Posts vergli-
chen. Wir verdanken ihm unter anderem den Aus-
spruch YOLO – you only live once, der in Kinder-
zimmern wie in Kneipen mit derselben Gleichzei-
tigkeit von Ironie und Ernsthaftigkeit benutzt
wird. Und natürlich What a Time to Be Alive, das
vom Mixtape-Titel zur Redewendung wurde – al-
lerorten gerne benutzt zum Beispiel, wenn Donald
Trump oder einer der anderen mal wieder etwas
unfreiwillig Ulkiges gemacht hat. Seine Albumco-
ver (Views: Drake sitzt allein auf dem CN Tower in
Toronto), Musikvideos (Hotline Bling: Drake tanzt
allein vor farbigem Hintergrund) und öffentlichen
Auftritte sind nicht nur tausendfach im Internet
auseinandergenommen, geteilt und neu kon-
textualisiert worden – nein, sie sind geradezu dafür
angelegt, um im Netz als Memes ein Eigenleben zu
entwickeln. Drake hat verstanden, dass man im
Internet-Zeitalter seine Kunst nicht einfach ver-
öffentlichen, sondern hergeben muss. Seine Fans
danken es ihm – mit immer neuen Streaming-
Rekorden. FRANCESCO GIAMMARCO

N


atürlich, wer sonst: Er ist die Num-
mer eins. In der Popmusik, das ver-
deutlicht dieser Gewinner, gibt es
kein Kartellamt. Man findet vor Ed
Sheeran keine Ruhe, nirgends ist
man mehr sicher. Wie ein kleiner Kobold springt
der 28-Jährige mit den roten Haaren und dem pe-
netrant niedlichen Grinsen hinter jeder Ecke her-
vor, man findet ihn in dieser Liste auch noch auf
den Plätzen 44 und 43, seine Stimme untermalt
Castingshows ebenso wie die Abschlussfeier der
Olympischen Spiele und den ersten Liebeskummer
von Millionen Teenie-Mädchen. Nicht nur aus
sämtlichen Küchen- und Autoradios der Welt er-
tönt seine Musik, aus Kaufhauslautsprechern oder
Frisörsalonboxen, nein, Sheeran tritt jetzt auch in
Kinofilmen auf (aktuell in der Beatles-Geschichte
Yesterday) oder sitzt als Ritter verkleidet im Fern-
sehen herum (Game Of Thrones). Wer ihn hasst,
wird spätestens jetzt sein übliches angewidertes
Würgegeräusch machen (fertig?) und Häme über
den an sich doch recht sympathischen Jungen aus
Irland, der einst mit seiner Gitarre durch die Pubs
zog, ergießen. Doch dass Sheeran nun ausgerechnet
bei der erfolgreichsten Fernsehserie am Lagerfeuer
singt, ist kein Zufall. Gewissermaßen ist er Game of
Thrones. Er ist Amazon, Google, VW, Ikea, das
iPhone, die Weltbank in einem – ein Monopol, ein
Alleinherrscher, ein ALLES. Shape of You ist für
diesen Totalitarismus das wohl gelungenste Bei-
spiel. Der Song verprellt auf den ersten Blick alle,
die den Sänger für seine Sanftheit lieben, es gibt
keine süßlichen Geigen im Hintergrund, kein
unablässiges »darling«, »baby« und »love«, keine
Kinder fotos im Videoclip. Sondern nur die eine,
eingängige Zeile, in der es, pur, um Sex geht. » I ’m
in love with your body«, wiederholt er hitzig, instink-
tiv erschrocken will man zurückfragen: Meine Seele
ist also plötzlich egal? Ausgerechnet dir, der einst
jedes Lied auf den Knien vor seiner Angebeteten
dahinsäuselte? Als Antwort rappt (auch das noch)
Sheeran bloß stoisch weiter, er beschreibt Bewegun-
gen von Hüften und verschwitzte Bettlaken. So
sieht Allmacht am Ende des Streaming-Jahrzehnts
aus: Sämtliche Formen von Männlichkeit sind im
Angebot, grob archaisch, hyperzivilisiert, soft –
Sheeran beliefert jeden mit allem. Amazon hat
endlich einen Soundtrack. NINA PAUER

Niemand hat die Millennials so
geprägt wie Drake

An dem irischen Mädchenschwarm
Ed Sheeran kommt keiner vorbei

7


1
Die große

Abwesende


18


M


acklemore ist ein Phänomen, über
das man reden kann, wenn man
über Pop reden will, aber worüber
man am Ende eigentlich immer
redet, das ist Beyoncé, und zwar
selbst dann, wenn man nicht von ihr redet, was da-
mit zu tun hat, dass ohne sie die wichtigsten Popstars
völlig undenkbar sind. Dass sie in dieser Spotify-
Liste nicht auftaucht, liegt daran, dass sie ihre Musik

zunächst exklusiv bei dem Streaming-Dienst Tidal
veröffentlicht, an dem sie Anteile hält, und damit
sind wir auch schon beim ersten Punkt des phäno-
menalen und für das Verständnis der sogenannten
Gegenwart zentralen Beyoncé-Mindsets angelangt:


  1. Mach alles selbst. Zweiter Punkt: Mach es am
    besten. Und schließlich: Wenn du willst, kannst du
    alles schaffen. Zunächst schaffte es Beyoncé vom
    engagierten, aber etwas ferngesteuert wirkenden
    Mitglied einer Girlgroup zur ernst zu nehmenden
    Künstlerin mit politischer Agenda (für Feminismus,
    gegen Rassismus). Ein weiterer genialer Stunt betraf
    dann Eheprobleme mit ihrem Mann Jay-Z (Betrug,
    er), die aber nicht zu einer Scheidung führten. Denn
    einer Beyoncé würde so etwas nie passieren. Nein,
    eine Beyoncé macht sich gerade und sublimiert das
    Überindividuelle ihrer Eheprobleme zu einem Al-
    bum über das Schwarzsein in Amerika (Lemonade,
    2016), das seither als sogenannter Meilenstein gilt.
    Und damit kommen wir zum Kern des Beyoncé-
    Mindsets: Dass es hart ist, wird gewissermaßen vo-
    rausgesetzt, ja, es bringt den eigenen Erfolg noch
    besser zur Geltung. Die innere Beyoncé würde also
    immer sagen: Es ist ungerecht, naturgemäß, aber
    reiß dich zusammen und arbeite, etwa dafür, dass dir
    sogar Spotify egal sein kann. ANTONIA BAUM


Na ja, Macklemore, schön und gut.
Aber wo ist eigentlich Beyoncé?

»My great-great-grandchildren
already rich/That’s a lot of brown
children on your Forbes list«

»That ́s why I need a
one dance/Got a
Hennessy in my hand«

18


Macklemore &


Ryan Lewis


feat. Ray Dalton


Can’t Hold Us


2 0 11


17


Capital Bra


feat. Ufo361


Neymar


2 018


16


Dennis Lloyd


Nevermind


2 016


15


Bonez MC,


R AF Camora


Palmen aus Plastik


2 016


14


Bausa, Summer Cem


Casanova


2 018


13


Daya,


The Chainsmokers


Don’t Let Me Down


2 016


12


French Montana,


Swae Lee


Unforgettable


2 0 17


11


Camila Cabello


feat. Young Thug


Havana


2 0 17


10


Alan Walker


Faded


2 015


9


Major Lazer


feat. DJ Snake, MØ


Lean On


2 015


8


Axwell /\ Ingrosso


More Than You Know


2 0 17


7


Drake, WizKid, Kyla


One Dance


2 016


6


Bonez MC,


R AF Camora


500 PS


2 018


5


Post Malone


feat. 21 Savage


rockstar


2 0 17


4


Bonez MC, RAF


Camora, Maxwell


Ohne mein Team


2 016


3


Gigi D’Agostino,


Dynoro


In My Mind


2 018


2


Bausa


Was du Liebe nennst


2 0 17


1


Ed Sheeran


Shape of You


2 0 17


»Oh, I, oh, I, oh, I, oh, I,
I ́m in love with your
body«

MUSIK SPEZIAL POP 67


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  1. OKTOBER 2019 DIE ZEIT No 42


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