Focus - 21.09.2019

(Joyce) #1
FAMILIENUNTERNEHMEN

FOCUS 39/2019 61


Autos überbewertet wird. Ich glaube auch
nicht, dass diese Steuer kommen wird,
weil es in der Politik dazu noch viel zu
viele unterschiedliche Meinungen gibt.
Das sieht Umweltministerin
Svenja Schulze anders.
Karl Ulrich Herrmann: Ich bin nicht der
Meinung von Frau Schulze und auch
nicht der von Wirtschaftsminister Peter
Altmaier, weil alles zu kurzfristig gedacht
wird. Seit mehr als zehn Jahren liegen
fertige Konzepte für umweltfreundliche
Betriebssysteme in den Schubladen der
Automobilindustrie, wie beispielsweise
der Wasserstoffantrieb oder der Hybrid.
Das Konzept Strom ist eine Einbahnstraße.
Warum werden diese Konzepte von
der Politik nicht angenommen?
Karl Ulrich Herrmann: Lassen Sie es mich
so sagen: Frau Schulze, Herr Altmaier
oder Frau Kramp-Karrenbauer, die jetzt
plötzlich auch noch Verteidigungsminis-
terin ist, sind austauschbar, weil sie nicht
leben, was sie machen. Und wer nicht lebt,
was er macht, kann seine Sache nicht gut
machen.
Mögen Sie Verkehrsminister
Andreas Scheuer?
Karl Ulrich Herrmann: Er ist ein enga-
gierter Mann, und ich fahre auch gern
Oldtimer mit ihm. Aber er hat von seinen
Vorgängern viele Probleme übernommen,
an denen er schwer zu kauen hat. Keine
leichte Aufgabe.
Kennen Sie einen Politiker, der lebt,
was er macht?
Karl Ulrich Herrmann: Jens Spahn. Fried-
rich Merz schätze ich auch, der ist ein
guter Wirtschaftsmann. Ob er ein guter
Politiker wäre, weiß ich nicht. Was meinst
du, Andreas?
Andreas Herrmann: Ich kann mir Herrn
Merz nicht mehr in der Politik vorstellen.
Dazu ist er zu lange weg
und selbst in der Wirtschaft
tätig. Um auf das CO 2
zurückzukommen: Was
ich bei dieser Diskussion
interessant finde: Durch
die Freitagsdemonstratio-
nen der Jugendlichen ist
die CO 2 -Steuer salonfähig
geworden. Wenn man sie
aber gerecht durchzieht,
wird sie zum Boomerang,
weil die Deutschen dann
nimmermehr so oft in den
Urlaub fliegen dürfen.
Das wird noch spannend
werden. In Baden-Würt-
temberg hat die CO 2 -De -
batte bereits eine ganze
Industrie durcheinander-


Fliegen oder die Individualheizungen in
den Altbauten. Da mit Nachdruck ran-
zugehen ist für die Politiker immer noch
unpopulär.
Viele Menschen sind mehr und
mehr der Meinung, dass sich die
Politiker selbst am nächsten sind.
Karl Ulrich Herrmann: Ja. Sie sind für vier
Jahre gewählt, in denen sie etwas bewe-
gen können. Das tun sie aber nur in zwei
davon, weil sie die anderen beiden Jahre
dazu brauchen, um für sich Werbung zu
machen, damit sie wiedergewählt werden.
Baden-Württemberg hat
einen grünen Ministerpräsidenten.
Finden Sie ihn gut?
Karl Ulrich Herrmann: Eigentlich ist Win-
fried Kretschmann der Schwärzeste von
allen. Und wenn Herr Habeck ans Ruder
kommt, wird er genauso beliebt werden.
Könnte Herr Habeck
auch Kanzler?
Karl Ulrich Herrmann: Möglich. Herr
Kretschmann könnte es sicher. Beide sind,
was die Wirtschaft angeht, gut aufgestellt.
Das heißt, die Wirtschaft regiert die Welt?
Karl Ulrich Herrmann: Unbedingt. Die
Wirtschaft bestimmt alles, gerade in
Deutschland. Wir haben eine unglaub-
liche Wirtschaftskraft, hauptsächlich bei
der Energie.
Sind Sie der Meinung, dass die Politiker
Marionetten der Wirtschaft sind?
Karl Ulrich Herrmann: Hundertpro.
Gehört die Bundeskanzlerin dazu?
Karl Ulrich Herrmann: Ich fand sie gut. Sie
ist meiner Meinung nach super intelli-
gent, super clever, und sie ist gescheit.
Das hat ihr immer geholfen. Aber das
Aussitzen in der vierten Legislaturperio-
de – da hat sie die gleichen Probleme wie
Helmut Kohl. Sie kann nicht loslassen.
Der Grund dafür ist die Macht, die die
Menschen verändert. Das
finde ich traurig.
Was geht in Ihnen vor,
wenn Sie auf Deutsch-
land schauen?
Andreas Herrmann: Die
Welt verändert sich. Das ist
normal. Das ist gut. Frü-
her gab es die Telefonzelle,
das Fax. Heute gibt es das
Handy, die Digitalisierung,
die künstliche Intelligenz.
Und der Mensch passt sich
an. So war es immer, so
wird es bleiben.
Karl Ulrich Herrmann:
Richtig. Trotzdem bin ich
manchmal froh, dass ich
schon so alt bin. Das muss
ich ehrlich sagen. n

»


Ich sehe die Zukunft


von Familien-


unternehmen eher


skeptisch


«


Andreas Herrmann

Messe Stuttgart Vater und Sohn leiten ihr Unternehmen in der ersten und zweiten
Generation. Ihre Messen für Fahrkultur sind über die Grenzen Europas hinaus bekannt

gebracht. Das spüren wir an allen Ecken
und Enden, weil in der Region zig Zuliefe-
rer dranhängen. Das ist dramatisch, zumal
die E-Mobilität wegen der Entsorgung
der Batterien noch nicht die Zukunft ist.
Ich halte Wasserstoff für besser, aber da
sind wir in der Entwicklung noch ein sehr
großes Stück weit weg.
Wird der Verbrennungsmotor
langfristig überleben?
Andreas Herrmann: Ja. Die IG Metall hat
als größte Gewerkschaft Deutschlands
einen erheblichen Einfluss auf die Poli-
tik. Und weil man für die Herstellung von
Verbrennungsmotoren mehr Arbeitsplätze
braucht als für die von Elektromotoren, hat
die Politik die E-Weiche nicht zur rechten
Zeit gestellt.
Wer ist die größte Klima-Dreckschleuder?
Karl Ulrich Herrmann: Die Braunkohle, das
steuerfreie Kerosin bei Flugzeugen und
das Schweröl bei Frachtschiffen. Das Auto
darf nicht verteufelt werden.
Andreas Herrmann: Die Kreuzfahrtschiffe
sind ebenso in Verruf geraten wie das
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