Frankfurter Allgemeine Zeitung - 04.10.2019

(lily) #1

SEITE 14·FREITAG, 4. OKTOBER 2019·NR. 230 Feuilleton FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


AARAU, im Oktober


E


r nimmt den Hörer ab und
buchstabiert: N – I – Z – O und
N wie Nizon. Die kabarettreife
Szene scheint in einer Redakti-
on zu spielen. 1968 sendete das
Schweizer Fernsehen ein Porträt des
Kunstkritikers und Schriftstellers, der mit
seinem Roman „Canto“ für einiges Aufse-
hen gesorgt hatte. Die Sendung ist auf der
ersten Station der Ausstellung, die das Fo-
rum Schlossplatz in Aarau Paul Nizon
widmet, zu sehen. Noch war sein „Dis-
kurs in der Enge“, der die Schweiz jahr-
zehntelang beschäftigen wird, nicht er-
schienen. Im Fernsehen durfte geraucht
und aus kleinen Schnapsgläsern getrun-
ken werden. Man sprach Mundart.
„Flucht ins Ausland und ins Private“, lau-
tete das Verdikt des Journalisten, Nizon
hatte in Berlin, München und Rom ge-
lebt.
Die Fragen hatten etwas von einem Ver-
hör im Namen des Zeitgeists. Parteizuge-
hörigkeit: keine. Vermögen: nichts. Auch
seine politischen Sympathien musste
Paul Nizon umschreiben. Als Schriftstel-
ler bekannte er sich zu Robert Walser, Ita-
lo Svevo, Bruno Schulz, Canetti. Auch zu
den verfemten Céline und Hamsun. Den
Staat wollte er partout nicht für seine
schwierige materielle Existenz verant-
wortlich machen. Auf seine Zukunftshoff-
nung angesprochen sagte er: seine Zer-
splitterung möchte er vereinfachen, sich
auf das Wesentliche konzentrieren kön-
nen. Nicht von einer Weltreise träumte er.
Sondern von zwei oder drei Wohnsitzen,
weil er eben kein Verwurzelter sei.
Gestaltet hat die Ausstellung der junge
Aargauer Germanist Pino Dietiker, der
zusammen mit Konrad Tobler Nizons ver-
streute Texte zur Kunst gebündelt zugäng-
lich machte („Sehblitz“, Suhrkamp Ta-
schenbuch). Nizon hatte über van Gogh
promoviert und war im Alter von 31 Jah-
ren Redakteur bei der „Neuen Zürcher
Zeitung“ geworden. Er blieb es nur 8 Mo-
nate lang. Die Schriftstellerei, der er sich
mit Haut und Haaren verschreiben woll-
te, finanziert er als freier Kritiker. Dieti-
ker geht es darum, den „Brotberuf“ als
wesentlichen Teil des Werks zu deuten.
Er unterstreicht diesen Anspruch mit
dem etwas missverständlichen Titel
„Arm in Arm mit der bildenden Kunst“.
Die Beziehung wird am Beispiel der Ma-
ler Friedrich Kuhn und Karl Jakob Weg-
mann beleuchtet. Van Gogh kommt et-
was zu kurz.
Die Schau holt sehr viel weiter aus. Dis-
kret wird die Kindheit in Bern mit Fotos
dokumentiert. Der Vater stammte aus
Russland, war Chemiker und starb früh.

Nizon wuchs in einer von Frauen domi-
nierten Welt auf, die Mutter und die
Schwestern – eine von ihnen wurde Pia-
nistin – haben ihn geprägt. Dreimal hat
er sich verheiratet, die Gattinnen sind
auf kleinen Paar-Fotos zu erkennen. Der
Hinweis auf das wenig zeitgemäße Frau-
enbild des Dichters, der die Prostitution

verherrlicht, darf nicht fehlen. Dass er
nicht schreiben könne, wenn er verliebt
sei, hat er in einem französischen Ge-
sprächsband „La République Nizon“ er-
zählt.
Mit Hans Werner Richter stand er im
Briefwechsel, mit Grass ist er auf einem
Foto bei der Gruppe 47 zu sehen. Ein

Raum ist der Schweiz um 1970 gewid-
met. Hermann Burger kritisierte den
„Diskurs in der Enge“ und hat zumindest
bewiesen, dass es in der Schweiz sehr
wohl „Stoff für welthaltige Literatur“
gibt. Der Dichter aus dem Kleinstaat hat
ihn in der Großstadt gefunden. Das Fla-
nieren auf den Boulevards und Eintau-

chen in den Schoß der Metropolen sind
zentrale Motive seines Schreibens. Län-
ger als irgendwo sonst lebt er nun schon
in Paris, und hier hat offensichtlich auch
seine dritte Ehe überlebt. Auf einem
Stadtplan sind die Adressen von Paul Ni-
zons Wohnungen und legendären
Schreibateliers verzeichnet. Auch die
Schauplätze seiner Paris-Romane sind
aufgeführt.

P


aul Nizon hat für diese gelunge-
ne Schau private Dokumente
zur Verfügung gestellt. Eine
überraschende Ergänzung ent-
hält seine in einer kleinen Bro-
schüre gedruckte Ansprache zur Eröff-
nung. In seiner Kindheit, führt er darin
aus, habe er nicht besonders unter dem
frühen Tod des Vaters gelitten. Im Rück-
blick aber sieht er ihn als „Katastrophe“:
„Ich denke, dass mein Schreiben da sei-
nen Anfang nahm. Im Hintersinnen und
in einer schmerzlichen Introversion, in
seelischen Reparaturversuchen.“ Aus
dem Vertrag mit Suhrkamp geht hervor,
dass der Arbeitstitel von „Canto“ etwas
anders lautete: „Vater, Deine Blümchen“.
Bei der „NZZ“ hatte er die sichere Stelle
gekündigt, um diesen Roman zu schrei-
ben. Nach dem Erscheinen 1963 war er
jahrelang wieder weitgehend vom Brotbe-
ruf des freien Mitarbeiters absorbiert.
„Für mich“, hatte er im Fernsehen auf
die Frage geantwortet, für wen er denn
schreibe. Und beigefügt, dass er sich des-
wegen durchaus schäme, denn die Litera-
tur musste damals auf die Weltverbesse-
rung ausgerichtet sein. Immerhin hatte Ni-
zon eine „Entlastungshypothese“ zur
Hand und verwies auf Karl Marx, der
auch so ein komischer Kauz mit Familie
war und in London in materiell unsiche-
ren Verhältnissen im Exil lebte: „Von ei-
nem Kopf zum anderen“ sei „Das Kapi-
tal“ einflussreich geworden.
Paul Nizons Utopie ist in Paris Wirklich-
keit geworden. Nicht weil er hier hei-
misch geworden wäre. Aber er hat die Her-
ausforderung dieser Stadt bestanden. Das
jüngste Dokument der Ausstellung ist ein
Aushang der Zeitung „Le Monde“. Sie hat
„Im Bauch des Wals“ soeben in die Reihe
der hundert wichtigsten Bücher eines
Jahrhunderts aufgenommen. Einen „Mul-
timillionär der Worte“ nannte sie Nizon
1990 in ihrer Besprechung der französi-
schen Übersetzung. In Aarau kann man
sehen, wie ein besessener Jahrhundert-
dichter schweizerischen Ursprungs lebt,
liebt und schreibt. Im kommenden De-
zember feiert Paul Nizon seinen neunzigs-
ten Geburtstag. JÜRG ALTWEGG
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  • Tag4Tokio
    (Hotelaufenthalt und Tour)

  • Tag5Tokio/Yokohama
    (Einschiffung)

  • Tag6AufSee

  • Tag7Hiroshima,Japan

  • Tag8AufSee

  • Tag9JejuIsland,Südkorea

  • Tag10Nagasaki,Japan

  • Tag11Aburatsu,Japan

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Worte: Eine Ausstellung


auf den Spuren des


Flaneurs Paul Nizon.


Leben, lieben, schreiben: Der Kunsthistoriker und Schriftsteller Paul Nizon in seiner Atelierwohnung an der Rollengasse in Zürich, um 1970 Foto René M. Wyser

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